Alter Wein in neuen Schläuchen ...!?
Eine Kammer ist nicht anderes wie eine berufsständische Körperschaft, in anderen Worten ein Verband bzw. Verbund.
Unterschied zu einem Verein als berufsständische Interessens- / Standesvertretung ist, dass die Kammer eine öffentlich-rechtliche Gesellschaftskonstruktion ist, also "hoheitliche" rechtsstaatl. Selbstverwaltungsaufgaben UND Pflichten erhält. In der BRD wegen des föderalistischen Grundprinzips meist landesrechtl. Bezug hat.
Eine Kammer besitzt eine Standesordnung mit klar definiertem und somit selbstverantwortlich zu organisierenden Zuständigkeitsbereich innerhalb ihres Kammerbezirks (Bund > Land > Regierungsbezirk).
Eine Kammer stellt daher im eigentlichen Sinne keine vereinsbezogene "0815-Standes-vertretung" mehr dar, sondern ein "bundesbehördl. anerkannt. Erfüllungsorgan" zugewiesener staatl. Aufgaben mit einem streng definierten Satzungszweck der sich auf dessen Mitglieder und Aufgabenkreise beschränkt. Im Klartext heißt das, dass fast alle Kammern eine "Pflichtmitgliedschaft" für ihre jeweilige Berufsgruppe haben wie sie bereits für viele Freie Berufe ((Zahn-)Ärzte, Apothekter, Architekten, Anwälte, Notare, Lotsen, Psychotherapeuten, Ingenieure, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer ...) und Landwirtschaft existieren, aber was auch häufiger übersehen wird, u.a. auch als Arbeitnehmervertretung (Bremen, Saarland) sowie im Gewerbe (Handwerk, Industrie- und Handelskammern) existieren.
Wer genaueres über die rechtsstruktur einer Kammer gegenüber einem Verein nachlesen will, sollte den Fachartikel "rechtliche und funktionelle Unterschiede des Kammerrechts zum Vereinsrecht" von Winfried Kluth lesen. Auf 14 Seiten wird ein guter Überblick über die Unterschiede beider Rechtsformen dargestellt, die als diskussionsstabile und nicht emotionslabile Basis für die Umgestaltung der berufsständischen Interessensvertretung gesehen werden sollte.
Fakt:
Summa summarum hat in der Kammer jedes einzelne Mitglied weitaus mehr Mitspracherechte wie in einem Verein, demnach eine Kammer eine deutlich höhere Stärkung ihrer Rechtsstellung besitzt - somit auch für ihre Mitglieder gegenüber anderen berufsständischen Interessensorganisationen. Weiterhin ist sie nicht nur mehr mit anzuhörendes Interessensorgan sondern berufsrechtl. mitwirkendes Gestaltungsorgan bei gesetzlichen Entwicklungen und Regelungen berufsständischer Art - was natürlich auch mehr Mitverantwortung und Bereitschaft zum "weitreichenden Blick über den berufsständischen Tellerrand" bedingt. Eine Kammer ist keine kurz- und mittelfristig organisierte Personenzusammenfügung, sondern ein, mit Langatem und Langfristperspektive versehenes aktiv geforderte Gestaltungsorgan freiheitlich demokratischer Beteiligung. Indem Kammern staatliche Aufgaben übernehmen, wie z.B. die Berufszulassung, -aufsicht, -gerichtsbarkeit, die Fort- und Weiterbildung etc., führt dies nicht nur zu einer deutlichen Staatsentlastung, sondern parallel dazu auch zu einer Politikentlastung, so dass eine Kammer wesentlich schneller und effektiver arbeiten kann, als ein Staatsorgan selbst.
Eine Kammer stellt somit eine deutliche Stärkung eines Berufsstandes dar, z.B. dem der Pflegeberufe. Dies macht umso mehr Sinn, im Hinblick auf dessen berufsständische Entwicklung i.S.d. "generalistischen Ausrichtung" sowie den damit verbundenen Entwicklungsoptionen im Medizinassistiv-technologischem Bereich (OTL, ÄTL, ...). Demnach wird der Pflegeberuf auf gleiches Niveau wie dem der Ärzteschaft gestellt, was eine Anerkennung dessen Wichtigkeit darstellt. Hinsichtlich der Akzeptanz der Pflegekammer wird es sicherlich noch ein paar Jahre dauern, bis die Pflegekammer verlässliche Strukturen gebildet hat und deren von den Mitgliedern gewählten Interessensvertretern auch durch ihre Fachexpertise und Perspektivenweite, Einbringungs-, Diskussions- und Kompromissbereitschaft überzeugt hat.
Resumée:
Nicht jammern und wehklagen und mit Minderwissen unsinnige Diskussionen führen, sondern sich sachlich informieren und besonders dann auch aktiv mitwirken - damit vor allem auch nachfolgende Pflegende eine gute und verlässliche Standesvertretung bekommen. Eine Pflegekammer kann der ihr, durch das politische Vertrauen vorab zugestandenen Fachlichkeit, nur durch effektivve und effiziente sachliche, Zahlen, Daten und Fakten bezogene, objektive sowie auch (selbst-)kritische Arbeit bestätigen. Fehl und absolut kontraproduktiv wären in einer Solchen, und gerade am Anfang für den Pfegeberufsstand geradezu fatal, wenn in der neuen Pflegekammer "Pseudoexperten, Dampfplauderer und Selbstbildanimateure" eine Auftritts- und Wirkungsplattform fänden.
Daher ist es eine extrem große Verantwortung und Verpflichtung für die neue, aus der Mitgliederversammlung gewählte Kammerführung, eine gute und fundierte Führungsmannschaft zu rekrutieren. Einige Kammern praktizieren bereits auch die Methodik, bewusst Angehörige anderer Berufsfachgruppen (Ärzte, Therapeuten ...) mit zu integrieren (z.B. Beirat), um Scheuklappendenken und eine Nabelschau zu verhindern.
Anmerkung:
Im SGB sind die Prinzipien von Interdisziplinarität, multiprofessioneller Teamarbeit und transsektoralem Zusammenwirken nach den Grundsätzen von Humanität, Qualität und Wirtschaftlichkeit auf Basis von wertebasierten, anwendungsbezogenen, notwendigen und zweckmäßigen Versorgungsmöglichkeiten, -systemen und -modellen seit vielen Jahren verankert. Von daher absolut nichts Neues. Diese Grundelemente bedingen ein Miteinander verschiedener Berufsgruppen auf Augenhöhe, Wertschätzung, Achtung, Anerkennung und Toleranz. Ich selbst gehöre nicht dem Pflegeberuf an, habe aber Jahrzehntelang mit diesen sehr gut auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit standesorganisatorischen und -rechtl. Regeln und Verfahren, - und war am Anfang auch "Kammerskeptisch". Je mehr man sich jedoch mit der Materie auseinandersetzt, wird einem klar, dass gerade eine Kammer eine unsagbare Gestaltungskraft besitzt, die es nicht zu verspielen gilt, um "endlich" auch da mitwirken zu können, worüber gerade aus den Pflegeberufen seit vielen Jahrzehnten der Ruf nach mehr Mitsprache und Mitgestaltungsrechte kam. Nun steht ihr - ihr (Kinder-, Kranken-, Alten-)Pflegenden Berufsangehörige an der Schwelle zur Verantwortungsübernahme -ihr wolltet dies und nun tut es auch aktiv und beweißt, dass ihr dazu fähig seid.
Ihr könnt es - wenn ihr als Berufsgruppe zusammensteht und es auch wirklich wollt - auf jeden Einzelnen heruntergebrochen. D.h. aber auch, dass ihr euch gegen Misswirtschaft und Verfehlungen aus und in euren Reihen selbst aktiv bemühen müsst - was u.a. aber auch unliebsame Aktivitäten beinhaltet, wie z.B. standesrechtliche Verfahren zur Aberkennung von Berufszulassungen. Daher müsst ihr euch auch um faire, sachliche, objektive Handlungs- und Beurteilungskriterien eures Berufsstandes bemühen, so dass Unsachlichkeit und Willkür in euren eigenen Reihen ausgeschlossen ist - bis in die Reihen der obersten Kammerführung hineinreichend.
Es gibt für euch viel zu tun! Das neue Jahr bietet euch eine Jahrhundertchance, sich aus dem "medizinschen Schatten" herausbewegen zu können, anders als die stark zersplitterte Berufsgruppe der Therapie- und Therapienahen Berufe.