Natürlich
sind die Arbeiten von Gunter von Hagens bemerkenswert in handwerklicher Hinsicht. Die Idee der neuartigen Konservierung mit Kunststoffen ist bemerkenswert, die sorgfältige Präparation der Exponate verdient Bewunderung. Lehr- und Lerneffekte liegen auf der Hand, soweit das Anliegen der Verdeutlichung von Anatomie und Physiologie für die Öffentlichkeit damit verfolgte werden soll. Verschiedene Fragen über den Ursprung bestimmter Exponate z. B. aus dem chinesischen Raum zu verfolgen wird hier nicht gelingen, dazu ist die Informationslage zu schlecht.
Für bemerkenswert in ganz grundsätzlicher Weise halte ich allerdings auch den erstaunlichen und erschreckenden Mangel an Auseinandersetzung mit Fragen der Ethik, der Moral, mindestens der Moralität, der in den Ausstellungen und Arbeiten zu Tage tritt. Keine Handreichung, kein Gesprächsangebot für den entsetzt berührten Beobachter, der sich solchermassen einer Schocktherapie ausgesetzt sieht (sicher, er muß ja nicht hingehen ... aber seine Nachbarn, Freunde, Bekannte, die hingegangen sind, diesen "Nervenkitzel" vermeintlich oder tatsächlich "ausgehalten" haben, die Ausstellung toll fanden, schon sie setzen eine neue gesellschaftliche Realität, ein Neues, für ihn nicht akzeptables: "Das kann man ja wohl machen"). Keine Frage nach der Würde der Verstorbenen oder Lebenden. Ich höre die vermeintliche Entschuldigung: die Körperspender wurden alle zu Lebzeiten informiert, befragt, haben zugestimmt. Wozu zugestimmt ? Endlich einmal berühmt, wenn schon nicht im Leben, dann im Tod und sei es anonym ? Darstellungen zweier Leichen beim Sex ? Was kommt als Nächstes, noch Sensationelleres ? Kopulation von Mensch und Tier ? Sadomasochistische Sonderausstellung ? Sicher ein komerzieller Renner ! Mit Zustimmung, klar, sind ja eh tot ... . Das Bild, das sich ansonsten vom Tod nicht Berührte in diesen Ausstellungen machen wirkt zurück auf ihr Leben, auf ihre Wertvorstellungen. Und dieses Bild wird erzeugt, aber nie mindestens thematisiert, hinterfragt. Ab durch den Ausgang, der Nächste bitte.
Das ist nicht akzeptabel.