Glaubensfragen
Man könnte sich natürlich erfrechen und fragen, inwieweit viele Behandlungsmethoden der Schulmedizin nicht auch eine Frage des Glaubens darstellen.
Z.B. als erstes der Glaube an die Aussagekraft von Statistiken. Neben den trickreiche Methoden aus wenigen Fällen ein Ergebnis herauszurechnen, gibt es ja auch ganz Grundlegendes:
Denken wir einmal an die berühmte number to treat (die Zahl an Menschen, die behandelt werden muss damit bei einem von Ihnen das gesetzte Ziel erreicht wird.
Z.b. bei Statinen, die die Cholesterinbildung in der Leber hemmen, ist die "ntt" ziemlich hoch. Ich weiß jetzt nicht wie hoch (habe ich vergessen), aber setzen wir mal die Zahl mit 5 an, dann bedeutet das doch, dass 4 Leute das Zeug fressen, aber davon nicht geheilt werden. Nur irgendeiner von Ihnen profitiert davon.
Da die Leute, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben, aber saumäßige Angst haben in der Regel, nehmen sie die Tabletten ein ohne danach zu fragen. Ich hatte nur mal einen schwulen Lehrer in der Reha betreut, der wissen wollte, warum er ASS nehmen sollte. Da habe ich es genau nachgelesen und war ein bisschen schockiert, dass das nur bei jedem 3. wirkt. Das sagt man den Pat. ja auch nicht.
Oder denken wir mal an die beliebte alternative Methode der mit Sauerstoff angereicherten Eigenblutbehandlung. Wird das nicht oft bei Menschen angewandt, wo man sich sonst keinen Rat weiß? Würde es nicht ausreichen, den Menschen einfach nur Sauerstoff atmen zu lassen? Vorausgesetzt seine Lunge ist in Ordnung. Schließlich gelangt Blut, das in eine Armvene infundiert wird sowieso ziemlich bald in die Lunge.
Es ist mir fraglich, ob man ein Non-Hodgekin-Lymphom mit Naturheilkunde behandeln kann, wie es ein Heilpraktiker, der hier in der Gegend in einem Umkreis von 40 km einen sehr guten Ruf genießt (ist studierter Tierarzt) an einer Patientin von mir gemacht hat. Er ist auch Reikimeister, ich kenne ihn aber nicht persönlich. Meine Patientin hat - als ich im Urlaub war - die angelaufene Diagnostik abgebrochen und hatte ihn konsultiert. Was er mit ihr gemacht hat, weiß ich nicht. Die Warterei, was passiert, war quälend. Jedenfalls habe ich sie, als sie Pleuraergüße bekam und er das als Teil des Heilungsverlaufs darstellte und sie anwies, dass ich sie zum Röntgen schicken solle und sie solle ihm dann die Röntgen-aufnahmen mitbringen, zuhause aufgesucht. Sie war erheblich dyspnoeisch. Ich habe ihr dann die "Pistole auf die Brust gesetzt" und gesagt, wenn sie überleben will, muss sie sofort in die Klinik. Das hat sie dann nach Beratung mit ihren Angehörigen auch gemacht. Ob sie den Heilpraktiker noch einmal aufgesucht hat, weiß ich nicht. Ist mir persönlich auch egal. Jedenfalls ist sie seitdem in einer onkologischen Praxis in Behandlung. In der Regel geht es ihr gut, aber jetzt hat sie wohl wieder ein Rezidiv.