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Arzneimitteltherapie
Arzneiverordnung in der Praxis
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Ausgaben ab 2015
Ausgabe 3/2020
Dr. med. Gisela Schott, MPH, Berlin
gisela.schott@baek.de , Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Berlin
, Prof. Dr. med. Klaus Lieb, Mainz
Nachdruck aus:
,,Obwohl sie die relevanten Fragen nicht beantworten, die nach der Zulassung eines Arzneimittels offenbleiben, sind Anwendungsbeobachtungen weit verbreitet. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft rät Ärzten deshalb, an keinen Anwendungsbeobachtungen teilzunehmen.
Pharmazeutische Unternehmer beschreiben Anwendungsbeobachtungen (AWB) als „unverzichtbares Instrument für die Arzneimittelforschung“, in denen unter Alltagsbedingungen wichtige Informationen zu einem Arzneimittel gewonnen werden, zum Beispiel zur Langzeitwirksamkeit und zu noch nicht bekannten Nebenwirkungen (1). Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich hinter AWB oftmals Marketingmaßnahmen mit geringem wissenschaftlichen Anspruch verbergen (2;3).
AWB sind eine Untergruppe der nichtinterventionellen Studien im Sinne von § 4 Abs. 23 Satz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) (4). Im Unterschied zu interventionellen Studien folgen Diagnose, Behandlung und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis. Die Arzneimittel werden in den AWB wie in der Fach- oder Gebrauchsinformation beschrieben angewendet. Es dürfen keine über die Standardtherapie hinausgehenden zusätzlichen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen an den teilnehmenden Patientinnen und Patienten vorgenommen werden, sonst handelt es sich um eine genehmigungspflichtige klinische Prüfung. AWB sind hingegen nicht genehmigungspflichtig.
Patienten aufklären
Wenn ein pharmazeutischer Unternehmer eine AWB durchführt, muss er sie jedoch nach § 67 Abs. 6 AMG unverzüglich der zuständigen Bundesoberbehörde, also dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung anzeigen. Nach den Empfehlungen des BfArM und des PEI sollten Patienten über die Teilnahme an einer AWB aufgeklärt werden (5). Die Teilnahme sollte nur freiwillig und nach Einverständnis der Patienten möglich sein. Vor der Durchführung einer AWB wird eine Beratung durch eine Ethikkommission empfohlen. AWB sind abzugrenzen von Post-Authorisation Safety Studies (PASS) oder Post-Authorisation Efficacy Studies (PAES), die von den regulatorischen Behörden, vor allem der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), meist im Zusammenhang mit der Neuzulassung einer Substanz als nichtinterventionelle oder interventionelle Studien angeordnet oder freiwillig von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt werden (6).
PASS und PAES
Eine Post-Authorisation Safety Study (PASS) wird nach der Zulassung eines Arzneimittel, durchgeführt, um weitere Informationen zur Sicherheit dieses Arzneimittels zu erhalten oder um die Wirksamkeit von Risikomanagementmaßnahmen zu messen. Auf diese Weise sollen Sicherheitsrisiken identifiziert, charakterisiert oder quantifiziert und das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels bestätigt werden.
Eine Post-Authorisation Efficacy Study (PAES) kann freiwillig durchgeführt werden oder von den Zulassungsbehörden auferlegt worden sein. Es handelt sich um Studien der Phase IV zur Ergänzung der Wirksamkeitsdaten, die zum Zeitpunkt der ersten Zulassung verfügbar sind, und zur Erhebung von Langzeitdaten dazu, wie gut das Arzneimittel wirkt, während es bereits weitläufig angewendet wird.
Die vorhandenen Daten weisen darauf hin, dass eine erhebliche Anzahl von AWB in Deutschland durchgeführt wird (7). Angaben der KBV zufolge wurden 2016 insgesamt 98 AWB als abgeschlossen gemeldet, an denen 5231 Ärztinnen und Ärzte und circa 30742 Patientinnen und Patienten teilnahmen. Bei Befragungen von niedergelassenen Ärzten in Deutschland aus dem Jahr 2008 erklärte beinahe die Hälfte der 208 Teilnehmer, jährlich in mindestens eine AWB involviert gewesen zu sein (8).
Schlechte Qualität
Untersuchungen zeigen, dass AWB vor allem zu teuren Arzneimitteln durchgeführt werden, darunter antineoplastische und immunmodulatorische Arzneimittel, aber auch Röntgenkontrastmittel (2;9;10). Einige dieser Arzneimittel sind bereits viele Jahre auf dem Markt (11). Die wissenschaftliche Qualität der meisten AWB ist schlecht, zum Beispiel weil sie Fragestellungen untersuchen, die nicht mit dem Design einer AWB zu beantworten sind. Außerdem werden nur von wenigen AWB die Ergebnisse publiziert. Die Stichprobengröße in AWB ist häufig zu klein, um seltene Nebenwirkungen zu entdecken (12). Teilnehmende Ärzte müssen dem pharmazeutischen Unternehmer häufig Vertraulichkeit über alle Daten zusichern. Dadurch entsteht die Gefahr, dass für den pharmazeutischen Unternehmer ungünstige Ergebnisse verheimlicht werden. Darüber hinaus sind die Vergütungen für AWB oft unangemessen hoch oder werden nicht ausreichend begründet – obwohl dies eindeutig rechtlich gefordert wird. Diese Befunde sprechen dafür, dass AWB von pharmazeutischen Unternehmern meist initiiert werden, um die Verkaufszahlen des „untersuchten“ Arzneimittels zu steigern und den teilnehmenden Ärzten Geld zukommen zu lassen...."
das ist nur ein Auszug...
Ich empfehle die Stellungnahme der Arzneimittelkommision der deutschen Ärzteschaft.