1. Hilfe bei "Neujahrs- Schnapsleiche", zu wenig getan?
Frohes Neues!Ich muss euch als Fachleute mal fragen, wie ihr in der folgenden Situation gehandelt hättet, weil mich heute Selbstzweifel und gewissen Sorgen plagen.
Jeder soll nach bestem Wissen und Gewissen 1. Hilfe leisten- und natürlich auch seinem Wissensstand und Fähigkeiten entsprechend.
Ich bin examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Ich hoffe es gibt keine Probleme weil dieser Fall echt ist, aber ich gebe nur die Eckdaten durch.
Das ist passiert:
Gestern, gegen 16Uhr, mein Mann und ich besuchen einen Freund in seiner Heimat. Vor der Haustür erschreckt mein Mann und meint nur: "Ach du Scheiße!" und zeigt aufs Blumenbeet.
Da liegt ein Mann mit dem Kopf im Blumenbeet, geschätzt 40 Jahre alt, Fahrrad umgekippt, Wertsachen aus den Taschen gefallen, Jeans runtergelassen und scheinbar schlafend. Kein sichtbares Blut, kein Erbrochenes, eingenässt/ eingekotet hat er auch nicht, seine Unterhose war ja gut sichbar dank der runtergelassenen Jeans. Starker C2- Geruch.
Habe ihn dann laut angesprochen und an der Schulter angetickelt. Beim zweiten Mal reagierte er dann auch, sein Gesicht war zwar gerötet, aber keine sichtbaren Blessuren. Warm war er auch, lange kann er da nicht gelegen haben, auch wenn es schon 16Uhr war.
Ich fragte ihn dann rein rhetorisch ob bei ihm alles okay wäre. Er war recht irritiert das er im Blumenbeet liegt. Ob er denn Schmerzen hat? Nein, hat er keine. Ob er einen Arzt wünscht? Nein, braucht er nicht.
Habe gefragt ob ihm schwindelig ist oder er Flimmern vor den Augen hat. Sein Blick war zwar recht "besoffen", aber immerhin waren die Pupillen normal und er konnte mich fixieren.
Nachdem er das verneinte, habe ich ihm gesagt er soll vorsichtig aufstehen. Da ich mittlerweile Hochschwanger bin teilte ich meinen verschreckten Mann dazu ein, unserem Findling auf die Beine zu helfen. Als er merkte das seine Jeans runtergelassen ist meinte er trocken "Satan, was fürn Scheiss!".
Auf die Beine kam er dann recht sicher. Seine Extremitäten schienen auch noch alle so zu sein, wie sie sein sollten. Keine Luxationen oder sonstige Anomalien die ich hätte sehen können. Habe ihm dann die Hose hochgezogen was er wieder mit: "Satan, wie peinlich" kommentierte. Habe ihm gesagt das er sich nicht schämen muss, ich wäre teilweise schlimmeres gewohnt.
Habe dann zynisch angemerkt, dass er gestern wohl etwas zu dolle reingefeiert habe, da musste er lachen. An seinem Schlüsselbund hing ein Anhänger mit Namen. Auf meine Nachfrage ob der Name denn seiner sei, und ob es sein kann, dass er in dem Haus wohnt, vor dem er lag, meinte er: "Ja sicher!".
Er wurde dann untergehakt und von uns in seine Wohnung gebracht. Sein Gang war auch recht sicher, auch auf der Treppe. Gut, das mit dem Aufschließen war etwas schwierig, aber er hatte auch noch gut Restalkohol.
Vor der Tür fragte ich dann noch mal ob er nicht doch einen Arzt sehen möchte, nein, braucht er nicht... Habe ihn dann gebeten sich bald ins Bett zu legen und "gut zu trinken". Da war er irritiert, er habe doch schon "gut getrunken"? Habe dann noch hinzugefügt, dass er Wasser trinken soll, dann wurde es ihm klarer.
Er schlug mir dann noch überschwänglich auf die Schulter und bedankte sich mit den Worten: "Dank dir Mädel, bist ne Gute!" und zog die Tür hinter sich zu.
Unser eigentlicher Grund für unseren Besuch, der Freund meines Mannes, stand schon perplext in der Tür und hatte einen Teil der Show beobachtet.
Ich fragte ob er seinen Nachbarn "so" kennt. Ja, er würde öfter mal was trinken, das war wohl nicht das erste Mal. Den Verdacht hatte ich auch, denn trotz seines Geruches, dem einer ganzen Schnapsbrennerei gleich kam, war er recht sicher beim Laufen und wusste immerhin noch wer er ist und wo er hin muss.
Damit war die Sache erst mal für mich beendet.
Jetzt, wo ich eine Nacht drüber geschlafen habe, bin ich dann doch sehr unsicher und frage mich, ob ich zu wenig getan habe? Hätte ich entgegen seines Willen einen RTW rufen sollen? Vielleicht hat er sich beim Sturz doch was getan?
In meinem Kopf geistert natürlich das "Stationsdenken" rum, wo jeder Sturz/ Kollaps dokumentiert und ärztlich abgeklärt werden muss.
Allerdings handelt es sich in diesem Fall "nur" um einen Fremden, den ich privat, in meiner Freizeit gefunden und auf die Beine geholfen habe, als Privatperson, nicht als verantwortliches Pflegepersonal.
2006 habe ich schon mal einen Betrunkenen polizeilich gemeldet (er lief verwirrt und aggressiv auf der Hauptstraße rum) und musste mir dafür zum Einen wüste Beleidigungen und leichte Handgreiflichkeiten von dem Mann gefallen lassen, zum Anderen wollte die Polizei dann noch Ewigkeiten meine Version der Geschichte aufnehmen und noch länger eine ganze Palette von persönlichen Daten wissen, was dazu führte das ich viel zu spät zur Arbeit kam und da noch richtig Ärger bekam, weil keiner Verständnis für sowas hatte.
Meiner Meinung nach habe ich ihn schon gut angeschaut und auch durch die kurze Konversation versucht abzuschätzen, wie schlecht es ihm ging.
Meine Frage an euch: Habe ich eurer Meinung nach richtig gehandelt oder war ich fahrlässig? Was hättet ihr anders/ besser gemacht?
Liebe Grüße, Nys.