Was kostet ein Leben vs. Placebo
Gegen pharma- gesponserte "Fortbildung" habe ich ja garnichts einzuwenden. Auch ich nehme regelmäßig daran teil und profitiere durchaus davon. Welcher Konzern dahinter steckt und was ich aus deren "Eigenwerbung" dann mache bleibt letztlich wirklich mir selbst überlassen, wie auch meine Vorredner schon treffend erwähnten.
Auch ich sehe keine Möglichkeit für medizinischen Fortschritt ohne Pharmaindustrie.
Zum ethischen Problem wird es für mich an ganz anderer Stelle:
Was mir übel aufstösst - und das ist hier nur ein ganz kleines Beispiel aus meinem persönlichen Tätigkeitsbereich- sind die Unsummen, die von Seiten der Pharmaindustrie für die sogenannten "Investigatormeetings" im Rahmen von klinischen Studien ver(sch)wendet werden.
Meist sind das ja zweitägige Treffen für alle, an einer geplanten Studie teilnehmenden, Mitarbeiter an einem "zentralen" Ort. Wirkliche, inhaltlich relevante, Information und Wissen wird dann in einem Zeitraum von MAXIMAL ca 1,5 Stunden verteilt auf ein bis zwei Tage vermittelt, der Rest ist Unwesentliches und small talk bei diversen "welcome receiptions" und Essen.
Ein Beispiel von einem "meiner" letzten Prüfarzttreffen:
Location: Prag. 5 Sterne Hotel. Zum Teil Businessclass Flüge. Seltene Direktflüge auf der Strecke München- Prag- München, daher oftmals lästige Umsteigeverbindungen, die ggf. sogar eine weitere Übernachtung für aus Deutschland angereiste Teilnehmer nötig werden ließen.
Von München aus, mit Direktverbindung, in einer halben Flugstunde zu erreichen. An einem Tag hin, welcome receiption, Abendessen, einmal übernachten, Vorträge, dazwischen Kaffee, wieder Essen und nochmal Kaffee, natürlich mit small talk und ProduktINFORMATION (man könnte es auch Werbung nennen...) dann zurück. Teilnehmer ca 250 an der Zahl. Aus Indien, U.S.A. bis aus Japan wurden sie eingeflogen. Und da ist das dann eben nicht schnell mal nach Prag und zurück. Weder ist Prag "zentral" noch läßt es sich ggf. mit weiteren Terminen (Kongressen, Symposien etc.) in Europa ohne Verzögerungen und Aufwand verbinden, da grundsätzlich ein größerer internationaler Flughafen zwischengeschaltet werden muß, um von A nach B zu kommen. Da reisen dann also zig Leute aus der ganzen weiten Welt an, benötigen eben unter Umständen nach der Veranstaltung noch eine weitere Übernachtung, da sie nach Ende des Meetings am selben Tag nicht wieder in ihre Heimat oder weiter reisen können.
Langer Rede kurzer Sinn: Jeder Grundschüler kann dies im Rahmen eines selbst gewählten Beispiels hochrechnen, welche Summen hier zur Ausschüttung kommen. Und genau diese müssen, neben allen Entwicklungskosten (die dabei sicher den Großteil der Kosten verzehren) bis zur Zulassung eines neuen Medikaments dann nach eben dieser Zulassung wieder reingeholt werden.
Auf der ganz großen Rechnung machen die Kosten für diese Prüfarzttreffen sicherlich nur einen geringen Anteil aus. Doch hier stellt sich mir die Frage, wie die Pharmaindustrie dann
insgesamt haushaltet, wenn sich einem der Eindruck aufdrängt zwei Tage in Prag werden im Sinne von "was kostet die Welt" verbucht.....
Sind diese horrenden Kosten für ein, evtl. ein Leben rettendes. Medikament, wie es TKIs, small Molecules etc. sind, wirklich zu rechtfertigen und ethisch vertretbar????
Klar, daß jedes Pharmaunternehmen sehr großen Wert darauf legt ein Patent möglichst lange zu erhalten um dann wiederum, wenn dies nicht mehr möglich ist, mit einem "neueren" "innovativeren" "besseren" Medikament auf den Markt zu drängen um daraus neues Kapital (u.a. für viele weitere "zentrale" Meetings
) zu schlagen. (sehr schönes Beispiel übrigens @ windfooted ! TKIs sind da derzeit ja der Renner überhaupt...
)
Und das macht, wie gesagt u.a., die Behandlung, gerade in der Onkologie im Rahmen der neuen "target therapies", so absurd teuer. Da aus ethischer Sicht selbstverständlich immer das bestmögliche Regime für den Patienten zu wählen ist, muß sich die Pharmaindustrie somit keine Sorgen über ihre Zukunft und die immensen Entwicklungskosten von neuen Medikamenten machen. Und auch nicht darüber nachdenken, ob Dr. XY vom anderen Ende der Welt für 1,5 Stunden Vermittlung von neuem, aber nur vielleicht essentiellen, Wissen (und nicht immer gutem Essen) nach Prag geflogen werden kann ...