Anlass dieser Diskussion war ja die Einführung von EDV zur Pflegedukumentation. Ich will mich über Sinn und Unsinn von Pflegedokumentation jetzt gar nicht so sehr auslassen. Aber ich befasse mich lange genug mit EDV, um zu wissen, dass eine PC-gestützte Dokumentation das Potential hätte, Zeit zu gewinnen.
Umso tragischer, wenn diese Chance durch dilettantisches Vorgehen bei der Einführung vertan wird.
Wenn man in einem Bereich EDV einführen möchte, und das gilt erst recht für Bereiche, die damit bisher noch nie zu tun hatten bzw. die man bisher nie damit in Verbindung gebracht hätte, dann muss man, um es richtig zu machen, richtig Geld in die Hand nehmen.
Mitarbeiter, die mitunter noch nie eine Maus in der Hand gehalten haben, müssen von Grund auf überhaupt erst einmal in den Umgang mit Computern eingewiesen werden. Das darf unter keinen Umständen von didaktischen Laien durchgeführt werden.
Danach gilt es, die nun möglicherweise auf einen einheitlichen Stand gehobenen Mitarbeiter in eine Dokumentationssoftware einzuweisen, die in ihrer Komplexität nicht weit hinter Photoshop steht. Wer damit jetzt nichts anfangen kann: Das ist ein ziemlich teures, höchst komplexes Photobearbeitungsprogramm. Solche Schulungen brauchen Tage, bei manchen Wochen.
Dann muss natürlich die bisher auf Papier vorliegende Dokumentation von Fachkräften erstmal übertragen werden. Selbstverständlich müssen sie für diese Tätigkeit freigestellt werden.Ein Vertreter der Firma, die diese Dokumentationssoftware vertreibt, sprach von ein bis zwei Tagen, die es braucht, um die Dokumentation eines Bewohners zu übertragen. Außerdem schätzte er, dass man in der Zeit der Umstellung zwei Mitarbeiter pro Bereich mehr einplanen müsste. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand konnte man beim Anblick dieses sehr komplexen Stückes Software darauf kommen, dass er natürlich recht hatte.
So etwas ist zunächst mal also richtig teuer, aber wer solche Investitionen nicht scheut, der wird die Früchte eines Tages ernten können, davon bin ich überzeugt, selbst bei der in meinen Augen nicht sonderlich gut programmierten Software, die bei uns in Gebrauch sein soll. Hat man die Mittel nicht, muss das aufgeschoben werden, bis die Mittel dazu da sind.
Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass so nicht vorgegangen wird.
Die Vorbereitungen für PC-Neulinge wurden bei uns durch die Pflegeleitung vorgenommen, eine Person, die ich nun nicht gerade als didaktische Fachkraft wahrnehme. Manche dieser Mitarbeiter müssen heute, da die Umstellung auf die EDV endgültig vollzogen wird, immer noch mühsam mit der Maus zielen, mal davon abgesehen, dass sie kaum eine Ahnung davon haben, wie denn ein PC denn nun wirklich bedient wird.
Die Fortbildungen für die Fachkräfte dauerten je fünf tage. Bedauerlicherweise sind dort gewisse Vorgaben nicht genannt worden. Als die Fachkräfte davon erfuhren, hatten sie bereits einige Dokumentationen bereits übertragen und mussten die mühsam ändern.
Die Pflege- und Pflegefachkräfte müssen mit der höchst komplexen Software umzugehen lernen NEBEN ihrer normalen Tätigkeit, die schon zeitraubend genug für eine ganze Schicht ist. Das tun sie, während sie ohne wirklich ausreichende Zeit die gesamten Dokumentationen in die EDV übertragen. Grob geschätzt gab es vielleicht ein Viertel der Freistellungstage, die eigentlich notwendig gewesen wären.
Die Bereichsleitungen sind überlastet, schaffen z.B. ihre Arbeit als Dienstplanschreiber nicht, weil sie denen, die der Prozess verständlicherweise hinterherhinken, hinterherarbeiten müssen und dabei als Vollzeitkräfte Überstunden kloppen.
Begleitet wird das alles weniger durch Motivation, sondern durch das Ausüben von Druck.
Tja, was soll ich sagen? Zunächst mal: Chance vertan.
Es wird am Ende allerdings so sein wie immer: Es wird die geben, die sich damit arrangieren können, und jene, die durch's Raster fallen. Und irgendwann wird's laufen.
Aber wieviele Scherben es dabei gegeben hat, wird die Verantwortlichen wohl eher nicht interessieren.
Die 4%-Gewerkschaftsmitgliedschaft ist schon geradezu grotesk, gerade angesichts der Zustände, die in der Pflege gerade vorherrschen. Gibt es denn wirklich so viele Sozialjunkies? Schnallt man nicht, dass zum vielgescholtenen Lobbyismus auch die Tätigkeit von Gewerkschaften gehört? Sind Menschen, die sich eher selbst zerstören, als anderen etwas weh zu tun, wirklich so häufig?
Liebe Grüße,
Ezeqiel