Geld, schon wieder ...
Der Ingo wird es nicht gerne hören, aber auch zu diesem Thema muss der LoZhio das leidige Thema anschneiden: es geht schon wieder um Geld.
Spätestens wer die Geschichte des Wegberger Zitronensaftskandals verfolgt hat, der kennt auch das Krankenhaus. Ich kenne es schon länger, denn ich hatte bereits, Gott sei Dank nur einmal, konsiliarisch dort zu tun.
Wir erinnern uns: die bewusste Klinik in Wegberg, die seit 1905 in kirchlicher Trägerschaft bestand, geriet bereits 1978 erstmals in wirtschaftliche Schieflage, die Schließung drohte. Mit dieser Schließung waren allerdings die örtlichen Bürger und Vereine nicht einverstanden. Eine Initiative sammelte - nicht etwa Geld - sondern Unterschriften gegen die Schließung des Hauses, die kleine Klinik mit unter 100 Betten und nur zwei Fachabteilungen wurde erhalten, letztlich wohl aus Gründen der Bequemlichkeit für die Bevölkerung, aus Renommegründen für die Stadt und nicht zuletzt auch zur Rettung der Beschäftigten.
An der wirtschaftlichen Situation des Krankenhauses konnte auch die Übernahme von 70% der Anteile des Krankenhauses in kommunale Trägerschaft nichts ändern. Im Gegenteil: durch notwendige Modernisierungen, zusätzliche Kosten eines Erweiterungsbaus und gescheiterte Fusionsverhandlungen mit dem Krankenhaus Erkelenz stand das Haus 2006 erneut vor dem Ruin. Die Finanzlage der Kommunen in NRW ist allseits bekannt, Unterstützung von dieser Seite war also nicht mehr zu erwarten, es erfolgte - wieder nicht die wirtschaftlich gebotene und allen Verantwortlichen, den Bürgern, der Kommune, den Aufsichtsbehörden und den Angestellten des Hauses eigentlich klare Schließung des Hauses sondern der Verkauf (!) an einen privaten Besitzer in Form des chirurgischen Chefarztes des Hauses.
Schon an diesem Punkt mag man sich fragen, was in den Köpfen der Beteiligten vorgegangen sein mag, die die Situation des Krankenhauses doch wohl alle kannten:
1. in den Köpfen der Bürger und Patienten, die meinten, allein mit den Behandlungserlösen aus dem Betrieb einer winzigen Inneren und Chirurgischen Abteilung sei heute noch der Unterhalt eines Zwergkrankenhauses zu finanzieren und ihre Unterschriftenliste sei eine menschliche Großtat gewesen und kein purer Egoismus !?
2. in den Köpfen aller Angestellten (und auch des neuen Investors), die doch sehr wohl die massiv eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Kapazität ihres Krankenhauses gekannt haben müssen, insbesondere weil in Medizinberufen eine gewisse Fluktuation der Angestellten den direkten Vergleich mit anderen Krankenhäusern erlaubt, die es sich andererseits aber offensichtlich sehr kommod an ihren Arbeitsplätzen eingerichtet hatten !?
3. in den Köpfen der Stadtväter, die Jahr für Jahr die betriebswirtschaftlichen Unterlagen des Krankenhauses zu prüfen hatten, und die jetzt warum auch immer annahmen, dass ein einzelner, unerfahrener privater Investor mit sehr begrenzten Finanzen das Krankenhaus über Nacht zu medizinischem Licht und Glanz und wirtschaftlicher Blüte führen würde !?
4. in den Köpfen der kranken Kassen, die sich in der Rolle des omnipotenten Wunscherfüllers gefallen und "den Wegbergern natürlich die wohnortnahe Krankenhausversorgung garantieren", in Wirklichkeit aber um jeden Cent feilschen und genau wissen, dass das, was für die Behandlung bezahlt wird die Betriebskosten dieses wie auch der meisten anderen Krankenhäuser nicht decken kann und die Besitzer, die eigentlich nur die Strukturverantwortung für die Krankenhausversorgung in Deutschland haben (die finanziell schon schwer genug zu stemmen ist) zwingen, Gelder für die Versorgung zuzuschießen, Gelder, die laut SGB V einzig und allein von den Krankenkassen kommen müssten !?
5. und nicht zuletzt auch in den Köpfen der Gesundheitsbehörden, die dieses und andere Krankenhäuser regelmäßig prüfen, dabei aber eine der wichtigsten Prüfungen, nämlich die des wirtschaftlichen Hintergrundes einer Klinik völlig ignorieren und wohl meinen, qualitativ hochwertige Gesundheitsfürsorge sei mit Hosenknöpfen zu finanzieren !?
JEDE dieser Herrschaften trug zumindest moralische Mitverantwortung für das, was jetzt kommen musste !!!
Die Klinik wurde fortan unter privater Trägerschaft wohl sehr hierarchisch geführt und es kam zum Einsatz skurriler Einsparmethoden, die mittlerweile berüchtigtste davon wohl der Einsatz von Zitronensaft zur "Desinfektion" infizierter Wunden. Wir haben es in der Presse verfolgen können: der chirurgische Chefarzt wurde für die Anwendung dieser nicht mehr verständlichen Praktiken in mehreren Fallen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Pflegekräfte übrigens, die den dazu nötigen Zitronensaft wohl, wenn auch auf Anweisung, in der Stationsküche mittels einer einfachen Presse gewannen blieben juristisch unbehelligt (so viel zur viel beschriebenen juristischen Verantwortlichkeit der Pflegeberufe, die es damit ja wohl de facto nicht gibt).
Die Klinik wurde in Folge zwar in ein Kooperationsmodell mit dem KH Viersen (einem ebenfalls am Existenzminimum betriebenen Klinikum) überführt, aber die grundsätzliche finanzielle Basis des Betriebs weiterhin VON NIEMANDEM in Frage gestellt.
Ich frage also: Wen, meine Damen und Herren Moralisten, trifft jetzt die Verantwortung für die neuen aufgedeckten Unregelmäßigkeiten im Hygienebereich (ich wage es dabei, von der Spitze eines Eisberges zu reden) ? Juristisch sind wir uns einig und danach agiert die Staatsanwaltschaft. Aber moralisch: wer darf sich an die Nase fassen lassen für diese Missstände ? Die Bürger, die ihren Hintern nicht hochbekommen, sich nicht informieren, sich vorgaukeln lassen, man täte schon von staatlicher Seite alles für die richtige Gesundheitsvorsorge und finanziere die auch ausreichend, die nur fordern aber ihren "Gesundheitsbanken", den kranken Kassen, gar nicht auf die Finger gucken ? Die Angestellten, die sich ihr Schweigen und Wegsehen abkaufen lassen ? Die Politiker, die sich die Hände nicht schmutzig machen wollen und sich nicht kümmern, ihre Probleme und ihre Verantwortung am liebsten an Andere verkaufen oder bestenfalls Shows um Nebenschauplätze initiieren ? Die kranken Kassen, die für ihre bloße Verwaltungstätigkeit überbordende Geldsummen aus dem Versorgungstopf abzweigen, aber dafür keinen Hauch von Verantwortung übernehmen ? Oder die Behörden, die immer erst wach werden, wenn es zu spät ist, wegsehen wenn sie zum Denken und Helfen aufgefordert wären ?
Alle sind sie Schuld an dieser Misere !