@*******werg: Nein, es ist nicht witzig gemeint und dein Fokus ist schon ziemlich verschoben. Du hast ein wichtiges Wort gesagt - Leidensdruck! Kein Mensch geht freiwillig und gerne zum Arzt; jeder von uns muss dafür einen Grund haben, sonst setzen wir uns lieber in ein Cafe, ins Kino oder blödeln im Park mit Freunden.
Wer wegen einer Erkältung zum Hausarzt geht, findet diesen Weg lästig. Darüber hinaus ist es jedoch nichts. Niemand wird einen Gang zum Hausarzt wegen einer Erkältung zu einer großen Sache machen. "Ach, dann wünsch ich dir gute Besserung."
Unsere Gesellschaft geht jedoch nicht mit allen Ärzten so um und die Leute sind beim Thema Psychologie oder Psychiatrie gespalten. Die eine Gruppe, und die ist größer als man denkt, reagiert beim Thema Depressionen völlig entspannt und hilfsbereit. Die andere Gruppe grenzt aus, da sie mit "Verrückten" nichts zu tun haben wollen. Sie können nicht unterscheiden zwischen Hannibal Lecter irre und einem Depressiv.
Hier schließt sich der Kreis um dein Wort "Leidensdruck", der nur existiert, da es diese Entwertung als mögliches Schreckgespenst im Hinterkopf gibt. Die Betroffenen machen sich riesige Gedanken was wäre, wenn sie einen Schritt nach vorne machen und offen zu ihrer Hürde stehen. Fast alle gehen erst zum Arzt, wenn der Leidensdruck hoch genug ist und damit oft sehr spät. Mit der Erkältung verglichen wäre das nicht der Moment, an dem man leicht erhöhte Temperatur hat, sondern 41 Fieber.
Warum sollte ich in dem Zusammenhang also so Sätze wie "man muss sich schon trauen sich umzubringen" stehen lassen? Sie sind Bullshit! Sie wären das gleiche wie "man muss sich schon trauen ein Fieber über 41 Grad hinaus steigen zu lassen"!!!
Trauen muss man sich zu leben. Dieser Schritt macht groß. Dieser Schritt bringt einem mehr, als alle "was wäre wenn" Überlegungen. Bei den meisten sind Depressionen erstmal chemisch gut in den Griff zu bringen, da sie bei allen chemisch entstehen. Nichts in unserem Körper funktioniert übersinnlich. Ab diesem Punkt beginnt dann der Weg nach vorne, statt weiter nach unten. Ein romantisieren von Depressionen oder ähnlichem bringt also nichts - sich zu trauen oder andere dazu zu bitten, dass diese sie beim Trauen unterstützen, ist der Beginn des Weges in ein glücklicheres Leben.
Mir ist also herzlich egal ob du meine Worte unpassend findest, denn ich romantisiere Depressionen nicht.
Ich packe niemanden in Watte der sich in Depressionen einigeln will.
Ich reiche jedem die Hand, der sagt "ich weiß nicht weiter. Hilf mir."
Nimm es mir also nicht übel, doch ich füttere diese Erhöhung des Leidensdrucklevels, welches Betroffene benötigen um Hilfe anzunehmen nicht auch noch, in dem ich künstlich noch Tragik um das Thema aufbaue. Es ist, wenn man es ganz trocken runter reduziert, eine Erkrankung eines Organs und kein Stigma. Für Erkrankungen haben wir Ärzte. Das zu verstehen, senkt den nötigen Leidensdruck um zum Arzt zu gehen. Manche werden immer noch erst bei 41 Grad gehen oder selbst dann noch denken, dass man ihnen nicht helfen kann. Dagegen müssen wir was tun, wenn wir diesen Menschen helfen wollen und nicht, indem wir uns auch noch einen Maulkorb verpassen!
Also bleibe ich bei der Aussage: Es ist Bullshit, dass man sich trauen muss sich umzubringen. Man muss sich trauen den Mund aufzumachen und um Hilfe zu bitten. Diese Traute wird belohnt. Diese Traute führt zum Glück. Diese Traute ist ein gutes Mittel gegen Depression.