Occhio Apertos Alben Top Ten

Meine Nummer 10, The Allman Brothers Band At Fillmore East.


Die Mutter aller Live-Doppelalben neben Live Dead der Grateful Dead. 1971 erschienen ist es die dritte Platte der Band, die sich damit etablierte. Ich habe sie erst zwei Jahre später gekauft. Das ist die Musik, die für mich körperlich spürbar machte, wie intensiv Gruppendynamik sein kann. Was hier als Band live entwickelt bzw. improvisiert wird, ist von glühender Intensität und die Band macht nur spärliche Ansagen, lässt aber keinen Zweifel daran, was die Basis dieser Musik bildet. Es sind ausschließlich schwarze Bluesmusiker, die sie grenzenlos bewunderten! Und das hört man! Erster unter Gleichen Duane Allman an der Slidegitarre. Was er zusammen mit Dickey Betts an der zweiten Leadgitarre spielt und wie die Band sich organisch dazu bewegt, ist auch heute noch atemberaubend. Danach möchte man umgehend die Originalvorlagen von T-Bone Walker etc. hören, die solche Exkursionen ermöglichen, was ich dann auch getan habe. Dickey Betts‘ Originalkomposition In Memory Of Elizabeth Reed bildet eventuell den besten Öffner für diese Platte, deren Gitarrensoli nie selbstbezogen, sondern immer emotionale Hochspannung zeitigen.
Heute bekommt man alle Fillmore East Konzerte in einer sechs-Cd-Box. Fantastisch natürlich, aber hier ist die Essenz, die auch aufnahmetechnisch nicht nur den Raum zwischen zwei Boxen füllt. Einschließen, Handy aus, aufdrehen!

Hier ein fundamentaler Ausschnitt: In Memory Of Elizabeth Reed

Meine Nummer 9, The Jimi Hendrix Experience - Are You Experienced:

Ich habe diese Platte sieben Jahre nach Veröffentlichung gekauft, weil ich endlich mal hören wollte, was an dem längst schon verstorbenen Wundermann so fantastisch sei. Ich war fünfzehn und habe sie nach einmaligem Hören für die folgenden Monate auf Eis gelegt, wie ich das mit Exile... von den Stones auch tat. Nichts für mich, übertrieben, laut, verzerrt und meine Eltern regten sich furchtbar über diesen „Schund“ auf. Es war für mein psychisches Wohl nicht so ganz ungefährlich, diese Platte aufzulegen. Mit meinem ersten Universum Kopfhörer (Quelle-Versand) änderten sich die Sichtweisen!
Was man hier hört, ist Musik in Farben, wie Hendrix seine Musik mal beschrieb. Hendrix tut etwas, was man sonst nur bei Enrico Caruso und Maria Callas hören kann. Seine Töne gehen scheinbar ohne Umweg über das Großhirn direkt in die Saiten seiner Gitarre. Er setzt unmittelbar um, was er sieht, fühlt und hört! Außerdem geht er dabei keinerlei Kompromisse ein. Die Energie ist so gewaltig, um nicht zu sagen gewalttätig, und gleichzeitig von einer liebevollen Zärtlichkeit, die erschütternd ist. Ich habe mehrere Durchläufe gebraucht, um zu begreifen, wie emotional umfassend dieser Mann ist. Diese Platte ist ein Albumdebüt als Songschreiber, Gitarrist, Musiker und Bandleader. Eines der größten Debütalbum überhaupt! Hendrix ist nicht nur musikalisch, sondern auch physisch ob seiner Herkunft der Kulminationspunkt amerikanischer Ideale. Charles Shaar Murray hat in einem fundamental analytischen Buch all das herausragend beschrieben.
Wenn man das alles auch sehen möchte, muss man sich Hendrix‘ Woodstock-Auftritt in voller Länge ansehen. Nicht sein bester Auftritt, aber der aufschlussreichste. Er hatte sechsunddreissig Stunden nicht geschlafen, als er am Montag (!) Morgen mit deutlicher Verspätung vor den spärlichen Ausharrenden auf die Bühne kam. Zum Einen sah er immer noch großartig aus und war konzentriert bei der Sache, zum Anderen spielte er sich über die naturgemäßen Mängel seiner Band, die ja nur wenig Zeit zum Proben hatte, hinweg. Und es ist berührend, wenn man ihn nach dem sagenhaften Voodoo Chile (Slight Return), die längste und beste Version(!!!), sieht, wie er auf das spärliche Publikum reagiert, als es das Star Spangled Banner hört. Einer der größten Musiker, die jemals gelebt haben!❤️

Ein kurzes Porträt:

Ein Ausschnitt: Third Stone From The Sun

Meine Nummer 8, Joni Mitchell - Blue:


Erschienen im Juni 1971 ist das Jonis vierte Platte. Ich zog sie im Schüleraustausch 1972 aus dem Regal von Patrick, dem Bruder meines Freundes Richard, in Derby, England. Das Cover und der Titel sagen alles, worum es geht! Eine tief nachdenkliche Stimmung mit in sich gekehrter Trauer und einer Sensibilität, die mich, ohne einen Ton gehört zu haben, zutiefst beeindruckt hat. Dann legt man die Platte auf und hört die ersten Worte von All I Want: „ I am on a lonely road and I am traveling...“ Ich habe das Textblatt nicht mehr fallenlassen, weil sie hier nicht nur Lyrik und Musik in Einklang bringt, sondern eine Sensibilität offenbart, für die man Musik braucht, um den emotionalen Reichtum der Worte überhaupt deutlich werden zu lassen, um jetzt mal Victor Hugo zu paraphrasieren. Damals war es für mich ein diffuses Gefühl, dass sie nicht nur eine Fiktion schildert. Heute wissen wir, dass sie etwas zu verarbeiten hatte, was man nur als persönliche Katastrophe bezeichnen kann. Zuhause habe ich mir natürlich nach und nach Jonis andere Platten zugelegt. Ich habe mich darüber gefreut, dass Nazareth aus This Flight Tonight (siebter Track hier) einen Welthit gemacht haben, denn die Melodie und Worte sind unglaublich, und ich habe jedem, der es garantiert nicht wissen wollte, erzählt, dass Joni Mitchell diesen Song geschrieben hatte. Alle Songs und Tracks dieser Platte bergen ein Versprechen, dass sie mit allen stilistischen Wandlungen später eingelöst hat. Ich besitze alle Platten von ihr! Eventuell erinnert sich jemand an Almost Famous, Cameron Crowes großartiger Film über die Rockmusik der Siebziger Jahre. Es gibt eine kleine Passage, in der The River ertönt. Als ich diese Sequenz sah, war ich froh, dass es dunkel war und niemand mich sehen konnte.❤️