CHRISTINE BRETZ - ZWISCHEN DEN ZEILEN HINDURCH
Suche
Ein weißes Blatt
und Bilder vor Augen
Fragen
Ein Suchen nach taugenden Worten
die singen und sagen von dem was ist und was bleibt
was fehlt und was geht
Ein findendes Wort das spicht und verkündet
das neue Räume ergründet
ein Wort das sieht
Und mit dem Leser weiterzieht
Worte manifestieren
Worte manifestieren
nicht wirklich
die Wirklichkeit.
Sie
suchen
nur
danach.
Zeit von gestern
Zeit von gestern heute aufgeschrieben
hervorgedreht ins Jetzt
vernetzt mit Zeit von morgen, die verplant ist
kalendarisch jetzt schon da ist
raumversetzt im Hier verschwindet
sich verbindet mit Papier und Text
lässt Vergangenes herein
und Zukunft schon vergangen sein
im Dialog mit fernen Blicken
die sich leise und in voller Fahrt verstricken
mit der Gegenwart
Das Lied
Mein Tag will Akkordeon spielen.
Er will tanzen im Jetzt,
mich mittags auf den Berg hinauf führen,
umarmen und singen,
unverletzt dort den Himmel berühren,
denn er bereitet ein Fest,
jenseits der Zeit,
denn die Zeit steht jetzt still,
sie wartet auf mich.
Ausgebremst lässt der Wettlauf mein Ego im Stich.
Auf dem Berg gibt der Tag den Tag frei.
Er liegt mir zu Füßen.
Er lenkt meinen Blick ein Stück weit ins Tal.
Ich rufe und lasse es grüßen,
schaue genauer, denn ich hab keine Wahl:
Die Welt liegt aus den Angeln
vor mir unten im Feld
und ich frage mich, was mich eigentlich hält.
Ohne Aussicht auf Gäste bin ich hier oben mit meinem Himmel allein.
Was wird wohl in den einsamen Häusern dort unten los sein?
Ich stelle mir Fragen und suche die Antwort in mir.
Mein Himmel ist fern,
denn gute Antworten finde ich nur zusammen mit dir.
Mein Blick schweift hinaus und bleibt im Innersten stehen.
Das, was ich ahne, will ich nicht sehen.
An den Enden der Welt liegen Welten in Fetzen
und diese Enden reichen überall hin.
Sie werden verletzen.
Macht mein Lied auf dem Berg da noch Sinn?
Oder läuft es Gefahr
seelenlos bloß im Nichts zu verschwinden
und meine Augen vor den Enden der Welt zu verbinden?
Ich warte und merke:
Mein Tag will das Lied und er singt es mir vor.
Vögel und Wind setzen ein
und ein drängender, flehender Chor
aus Träumen lenkt meinen Blick zurück auf die Wiesen im Tal
und zum zweiten mal zu blühenden Bäumen,
die vor Farben erschäumen, als wollten sie sagen:
Dein Lied muss es wagen.
Wir wollen nicht brennen.
Dein Lied will dir sagen:
Packt diese Enden, rollt sie auf.
Ihr dürft euch nicht länger verrennen.
Lasst den Egos nicht weiter frei ihren Lauf zu endloser Gier.
"Denn" - und das sagen die Bäume zu mir -
"Noch sind wir hier."
Mir gegenüber
Mir gegenüber die Antwort auf Fragen
die ich nicht stellen möchte.
Mir gegenüber Fragen
deren Antwort ich weiß.
In mir die Gewissheit:
Mein Gewissen steht Kopf.
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"Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit."
(Friedrich Schiller)