nicht alles so schlimm
Hallo zusammen,
zu diesem Thema möchte ich auch gerne meinen Senf geben
Als es mit der Digitalisierung der Musikszene losging, hab ich noch in die Windeln gesch*****. Zudem kann ich den 80ern wenig abgewinnen, auch wenn dieses Jahrzehnt seine berechtigten Helden hat. Über die Jahre auf der Bühne - als Musiker und Techniker - im Studio und etlichen Proberäumen, habe ich Möglichkeiten der digitalen Aufzeichnung und Bearbeitung absolut schätzen gelernt. Selbst in den 90ern hätte ich mir die Aufnahmemöglichkeiten in der Form wie heute nicht leisten können.
Und hier muss ich mal einschieben, dass ich absoluter Hammondfan bin. Ich liebe den analogen, verrauschten Sound, der so schön dreckig britzelt, schleift und leiert. Dieses Instrument lebt, wenn man es zu bedienen weiss. Bei den letzten Studioaufnahmen haben wir verschiedene Plug-Ins ausprobiert und sind dann doch auf die vorhandene A100 mit Transistor-Lesley zurückgekommen. Allein das Spielgefühl war der Hammer, obwohl mir eine B3 wesentlich lieber gewesen wäre.
Auch ich gehöre mittlerweile zu den Computermusikern und nutze Software-Instrumente, um Demos zu Hause vorzuproduzieren. Für finale Aufnahmen würde ich aber immer auf echte analoge Musiker zurückgreifen. Diese Schlagzeugprogrammierung frisst Unmengen an Zeit und hält einen vom eigentlichen musizieren ab.
Unterm Strich muss ich aber sagen, dass die Erfahrung im Umgang mit dem Equipment - analog oder digital - der ausschlaggebende Punkt ist. Zu leicht lassen sich auch Musiker von den Versprechungen der Industrie verleiten, dass Du mit jenem und welchem neuen Tool den nächsten Welthit schreiben kannst. Du musst nur diesen roten Knopf drücken. Das halte ich für absoluten Quatsch. Auch ich erlag diesen Verlockungen, habe meinen Kram aber mittlerweile auf das für mich notwendige reduziert. Live nur analog - Korg CX-3 Bj. 1983 und ein Stagepiano, welches nur Piano kann. Im Heimstudio gibts brauchbare Abhören, wenige Plugins, ein gutes Interface und ein paar Mikros.
Die Veranstalter schauen auch eher auf das Geld und so musst Du Dir als Musiker einfach überlegen, ob Du Dir von Deinem Budget eine Bigband auf die Bühne stellen kannst, oder ob die Bläser vielleicht besser aus dem Synthie kommen. Ich gehöre zu den Live-Verfechtern, die am liebsten gar nicht auf Sequenzer und Playbacks zurückgreifen. Aber auch dahingehend habe ich meine Erfahrungen gemacht. Und diese besagen, so traurig es klingt:
Der Veranstalter honoriert einen hohen Aufwand fast nie, schon gar nicht, wenn es ihn mehr kostet und das Publikum wurde in seinen Hörgewohnheiten dahingehend manipuliert, dass sie der Kunst selten die Beachtung schenken, die sie verdient. Und so hört man in den meisten Formatradios hierzulande standardisierte Popmusik, der es gehörig an Kreativität und Originalität mangelt.
Das lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
Deutschland war schon seit den 40ern ein Musikimportland. Das wurde weiter durch die damaligen Besatzungsmächte gefördert und hat sich in den Denkstrukturen der Menschen und der Musikindustrie festgesetzt. Wie oft musste ich hören, dass meine Musik gut wäre, aber nie an das Original ranreichen wird! Die Denke scheint mir: gute Rock-, Jazz-, Pop- oder Soulmusik kommt nicht von Deutschen. Die sind dazu nicht fähig. Und mit diesem Ansatz sind dann Radios, Fernsehen und Labels soweit vorbelastet, dass sie heimischen Musikern kaum reelle Chancen einräumen, außer sie lassen sich in ein Format pressen, dass ein internationales Vorbild vorgibt.
Dazu passt auch sehr gut das Beispiel, was uns SillLey liefert - seine Aufnahmen laufen in den USA hoch und runter, hierzulande hat man Bedenken seitens der Live-Charakters.
Was mich zum nächsten Faktor bringt, den Hörer. Zwar machen Radios und Labels Umfragen unter ihren Hörern. Es gibt Charts, Studien, Verkaufszahlen und Statistiken. Doch welche Aussagekraft haben diese, wenn ich mit 5000 verkauften Scheiben bereits eine goldene Schallplatte erhalte!?
Was der Hörer hören will, obliegt in den Massenmedien nicht seiner Wahl, sondern den Ergüssen von Marketing-"Fachleuten". Erfindungen wie Heavyrotations, Maxi-Singles oder Castingshows sind keine Antworten auf die Bedürfnisse der Menschen. Durch eine gewisse Gleichschaltung ist die Wahl auch eher eingeschränkt. Sie sind der Versuch aus wenig Substanz den maximalen Profit zu generieren. Das kann mittelfristig nur funktionieren, wenn ich den Kunden so mit meinen Produkten penetriere, bis er glaubt, dass es genau das ist, was er hören/haben will und braucht.
Das sind die Geister, die sie riefen! Und die werden sie so schnell nicht wieder los.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Menschen von einer solchen Wucht an Sinneseindrücken erschlagen werden, dass die Informationen sehr großzügig gefiltert werden. In meiner Kindheit gab es wenig Reklame, selbst Leuchtschilder waren eine Seltenheit. Autos gab es nicht so viele. Das Fernsehen hatte drei Programme und nahm seinen Erziehungsauftrag sehr ernst. Telefon hatten nur die drei wichtigsten Menschen im Dorf und Konsum war ein nebulöser Begriff. Ich brauchte meine Sinne nicht verschliessen, denn die Flut der Reize war absolut beherrschbar.
Heute ist es anders. Absolute Stille nervt, abschalten tun wir vor dem Fernseher mit Castingshows und scripted Reallife-Formaten, mit dem MP3-Player in der U-Bahn etc. Auf jedem Schritt schreit uns die Werbung zu: "neu", "schneller", "einfacher", "besser" oder "Trend". Biologisch gesehen gehen wir aber nicht mit der von uns geschaffenen Zeit - wir werden depressiv, neurotisch, ängstlich, haben Burnouts, verzweifeln am täglichen Leben, bekommen Herzinfarkte und werden debil.
Um mal wieder zu uns Konsumenten zu kommen: Wir nehmen, was uns vorgesetzt wird, können uns ob der Auswahl nicht mehr entscheiden und vertrauen auf den netten Onkel aus dem Radio, der schon wissen wird, was für uns gut ist.
Ausnahmen gibt es zum Glück viele, aber sie haben nicht die Breitenwirkung, die sie bräuchten, um das Gesamtbild nachhaltig zu beeinflussen. Revolution ist nicht des Deutschen Ding.
Nach den Ausschweifungen der letzten hundert Seiten meinerseits, möchte ich noch sagen, dass ich den Versuch unternehme, mich dessen zu entziehen und mir meine eigene Meinung zu bilden
Der Versuch läuft jetzt schon ein paar Jahre, funktioniert teilweise gut und teilweise gar nicht.
Ich bin großer Fan von dem geworden, was SillKey beschreibt - wenig Effekte, kaum Bearbeitung und Mastering nach dem K-12-System von Bob Katz.
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie sehr die totkomprimierte Werbung/Teaser/Trailer selbst bei geringer Lautstärke nervt?