Die Bildhauerin
Sie schaute mich fragend an, als ich ihr erläutert hatte, dass ich gern einen Zimmerbrunnen wollte, unter den man ein Glas stellen konnte, um das Heilwasser, das ich dort anzuschließen gedachte, auch trinken zu können. „Ist Ihnen das zu banal?“, fragte ich. Ich wollte sie in ihrer Bildhauerinnenehre nicht verletzen. „Ich meine, ähh, ja, es soll auch einen praktischen Nutzen haben, aber eben auch Kunst sein“, stammelte ich.
„Und das Ganze soll aussehen, als wenn sich Mutter Natur …“, das letzt Wort spricht sie sehr langsam, „… ergießt?“ Ich nicke - schweigend kann ich mit nicht mit Worten verheddern.
Sie schaut mich an, als sei ich verrückt. „Legen Sie sich mal auf den Rücken,“ sagt sie mit geistesabwesender Stimme, „ich habe da eine Idee.“ Etwas zögerlich komme ich dem nach. „Hier,“ sagt sie und reicht mir eine Digitalkamera älteren Baujahres. „Skizzieren Sie das mal für mich …“. Sie tritt über mich, macht einen weiten Schritt. Ihre Hose spannt dabei leicht an den Oberschenkeln und liegt im Schritt so eng an, dass sich der berühmt-berüchtigte „camel toe“ zeigt. Ich bin verwirrt … und etwas erregt. Will sie sich jetzt ergießen? Sie lacht, als ahnte sie meine Gedanken: „Nein, nicht so. Ich habe Steine, die im bearbeiteten Endzustand so ähnlich aussehen könnten wie das was sie jetzt sehen, Es soll nicht zu gegenständlich sein, aber die Assoziation haben … von andächtig aufschauen, von gewaltigen Säulen ähnlichen Formen, die Erde und Himmel verbinden und wo es dann fließt und sich Sprühnebel verströmt mit herbem Duft und dann ein Rinnsal mal plätschert, mal kräftig strömt.“
Ich sehe was sie beschreibt vor meinem inneren Auge und knipse was das Zeug hält, dabei drehe und wende ich mich auf dem Boden zwischen ihren Füßen liegend, um verschiedene Perspektiven zu erkunden.
„Genug jetzt,“ sagt sie scharf. „Ich müsste jetzt mal nach oben zum Pinkeln gehen.“ Sie hat „müsste“ gesagt, denke ich und mein Herz schlägt schneller. „Müsste?“ frage ich und ergänze: „verehrte Dame“. Sie lacht. „Warte hier,“ sagt sie und ich frage mich, ob ich sie jetzt auch duzen soll oder bewusst weiter siezen. Sie kommt mir zuvor und fragt: „Wie heißt du eigentlich? Ich bin Marina.“ „Peter,“ murmele ich.
Als sie wiederkommt stellt Marina mir ein Glas von ihrem „Heilwasser“ hin, wie sie es nennt. Ungefiltert und bekömmlich lauwarm,“ sagt sie und reicht mir ein gut gefülltes Wasserglas mit einer blassgelben Flüssigkeit. „Zum Wohl,“ sagt sie und ich nehme den ersten Schluck. Intensiv ist der Geschmack und der Geruch der in meine Nase steigt: süß und salzig, wie ein Frühlingstag an der See. „Das weitere besprechen wir morgen,“ sagt sie. „Und ganz austrinken, nicht wahr?“ ergänzt sie noch, umarmt mich kurz zum Abschied und geht dann in ihr Atelier. Währenddessen sitze ich mit Blick auf das üppig bewachsene Gewächshaus in ihrem Wohnzimmer, wo sie mich empfangen hatte. Ich koste jeden Schluck und am Ende jeden Tropfen bis zum Schluss. Leicht beschwipst fühle ich mich, geerdet und schwer und zugleich leicht. Zum Glück bin ich mit der S-Bahn gekommen. So kann ich auf dem Weg zurück den Rausch langsam abklingen lassen. ich freue mich auf morgen.
• wird fortgesetzt (vielleicht)
(C) Ernesto_69 - 17.12.2023