Gewöhnungssache wäre vielleicht nicht ganz der richtige Begriff, wenigstens wäre es besser, es wäre kein daran gewöhnen, sondern ein neues Verständnis.
Ich hab in dem Kontext verstanden, dass es zwei Polpaare gibt in Beziehungen, Bindung vs. Autonomie und Sicherheit vs. Freiheit. Für gewöhnlich, den Konventionen unserer Kultur, der Gesellschaft und unserer Sozialisierung folgend, haben wir auf diesen Achsen zwischen diesen Polen Werte, die sich für uns gut anfühlen, „richtig“ anfühlen. Es erscheint uns richtig und gut, wenn sich unser Partner in seinem Freiheitsdrang einschränkt, seine Entscheidungen nicht mehr alleine und autonom für sich fällt, wenn wir mit ihm in einer Beziehung sind, umgekehrt machen wir es ja auch so. Das schafft dann Bindung zwischen ihm/ihr und uns, und sorgt für ein Gefühl von Sicherheit. Gerade letzteres Gefühl ist das, was wir im Leben anstreben, die Sicherheit, dass wir in einem beherrschbaren Kontext leben, die Sicherheit vom Partner nicht verlassen zu werden, die Sicherheit der Berechenbarkeit der Zukunft.
Die Beziehung zu öffnen stellt genau das zu Beginn massiv infrage, wir verschieben die Schwerpunkte auf den Achsen nach außen bei Autonomie und Freiheit, wählen Einzelpartner außerhalb der Beziehung nach unserem ganz eigenen Geschmack (Autonomie) und treffen diese ohne den Beziehungspartner und interagieren mit diesem so, wie das ansonsten nur innerhalb der Beziehung okay war bisher (Freiheit).
Reden, das wurde hier ja schon mehrfach erwähnt, hilft sehr. Durch Offenheit und Transparenz und dem Austausch darüber, was emotional passiert, ausdrücklich bei beiden Beziehungspartnern, entsteht und vertieft sich das Vertrauen. Durch das Erleben, sowohl der „Stresssituation“ durch und während Dates, als auch durch das „Aufarbeiten“ danach, kann man lernen, dass sich die Polpaare nicht ausschließen. Dann kann aus einem „entweder/oder“ (entweder Freiheit oder Sicherheit, entweder Autonomie oder Bindung) ein „sowohl/als-auch“ werden. Man kann erleben, dass die Freiheit, die sich der Partner bei seinem Date nimmt, nicht die eigene Sicherheit in der Beziehung reduziert, wenn er danach offen und transparent ohne Einschränkungen (außer es wurde explizit vereinbart) darüber redet, und dabei deine Emotionen erst nimmt. Dann wird auch aus seiner Autonomie (er entscheidet für sich, ob, wann, mit wem er Dates hat und was dabei geschieht) keine Infragestellung der Bindung in eurer Beziehung, denn er kommt zu dir zurück, redet mit dir, stellt die Beziehung nicht hint an.
Macht man sich diese Zusammenhänge bewusst, ab besten gemeinsam im Gespräch, dann hebt das die Beziehung auf ein neues Niveau. Es stellt sich das ein, wovon manche Paare berichten, dass die Öffnung nämlich die Beziehung und das Gefühl der Verbundenheit vertieft und nicht geschwächt hat. Offenheit und der Mut, sich selbst dem Beziehungspartner gegenüber transparent zu machen, womöglich mehr als vor der Öffnung, gehören nach meiner Einschätzung aber unbedingt dazu.