Aus dem TA-Magzin: Mama, ich lebe nicht monogam
Im Magazin vom 14.10.2023 (Samstags-Beilege beim Tages-Anzeiger, eine Tageszeitung von Zürich) ist im ersten Teil, welcher durch kuze Beträge von verschiedenen Authoren präsentiert wird, ein kurzer Text mit dem Titel Mama, ich lebe nicht monogam erschienen.Eine schöne Umschreibung von einer jungen Frau, welche sich mit dem Thema beschäftigt.
https://www.tagesanzeiger.ch/fankhausers-brief-an-die-mutter-mama-ich-lebe-nicht-monogam-242323461489
Da der Artikel freu zugänglich ist, kopiere ich auch den Text hier hinein. Sollte das für den JC nicht OK sein, bitte den Text einfach wieder entfernen, dann kann jeder selbst über den Link auf die Tages-Anzeiger-Seite gehen.
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Mama, ich lebe nicht monogam
Ich will nicht das Ein und Alles eines anderen Menschen sein. Und umgekehrt will ich meine Partner:innen auch nicht besitzen.
Ronja Fankhauser(Das Magazin)
Publiziert: 12.10.2023, 06:00
Hey Mama, sei mir nicht böse, aber ich habe keine Ahnung, wie lange du und Papa schon verheiratet seid. Ehe ist ein seltsames Konzept. Als letztes Jahr die Wahlberechtigten der Schweiz darüber abstimmten, ob es Menschen wie mir erlaubt sein soll zu heiraten, konnte ich mich nicht richtig über das Ja-Ergebnis freuen, denn Ehe ist in der Schweiz nur mit einer Person erlaubt, und ich habe mehrere Partner:innen. Habe ich dir je erzählt, wie es dazu gekommen ist?
Das mit der Monogamie habe ich etwa drei Monate lang ausprobiert. Ich war sechzehn, zum ersten Mal frisch verliebt in einen Menschen namens E. Wir hatten nicht darüber gesprochen, wie wir unser Verhältnis gestalten wollten – mit einem Kuss war das vage Abkommen der Monogamie getroffen worden. Wir kannten nichts anderes und dachten, Liebe muss exklusiv sein.
Nach ein paar Wochen sagte E.: Ich mag dich, aber ich fühle mich gefangen, ich will auf Partys mit Fremden rummachen. Ich antwortete, ohne gross darüber nachzudenken: Das stört mich nicht, wir können trotzdem zusammen sein. Wieso sollte ich einem Menschen, den ich liebe, verbieten, auch andere zu lieben?
Ich sage nicht, dass du die Monogamie aufgeben sollst, ich will dir nur erklären, wieso ich einen anderen Weg gewählt habe.
Monogamie klingt verlockend: ein Mensch als Schlüssel, als Puzzleteil, das Ende einer langen Suche. Wer träumt schon nicht davon? Meist bleibt es aber genau das: ein Traum. Im Gegensatz zu dir war ich nie romantisch veranlagt, schon als Kind interessierte ich mich nicht für Liebesmärchen. Du hast dein ganzes Leben nach der Liebe gerichtet.
Jetzt, sieben Jahre später, bin ich immer noch mit E. in einer Beziehung – aber auch mit anderen Menschen. Polyamorie bedeutet für mich Sicherheit und Freiheit. Ich habe nicht den Druck, das Ein und Alles eines anderen Menschen zu sein, all seine Bedürfnisse erfüllen zu müssen. Umgekehrt will ich meine Partner:innen nicht einsperren, ich will sie befreien.
Hoffentlich fühlst du dich nicht angegriffen. Ich sage nicht, dass du die Monogamie aufgeben sollst, ich will dir nur erklären, wieso ich einen anderen Weg gewählt habe. Jeder Mensch sollte die eigenen Beziehungen selbst gestalten können, aber um diese Freiheit zu ermöglichen, müssen wir uns von der Zweierbeziehung wegbewegen. Monogamie sollte nicht der Standard sein, sondern eine Option.
Vor langer Zeit hast du mir einmal gesagt, Liebe könne einen retten – und du hattest recht. Ich glaube, Liebe kann uns alle retten. Aber nur, wenn wir nicht versuchen, sie einzusperren.
Alles Liebe,
Ronja