Erst mal - fühl dich gedrückt!
Betrogen werden ist nicht wirklich ne gute Startvorausetzung für den Beginn einer offenen Beziehung. Du schreibst, dass das im Rahmen eurer Paartherapie erfolgte, da fehlt mir aber ein wenig der gesamte zeitliche Rahmen, wie lange (und in die Tiefe gehend das war, welche Aufarbeitungen und Vereinbarungen stattgefunden haben). Insofern kann ich den aktuellen Zustand Undine Vereinbarungen in eurer Beziehung nicht so ganz erfassen.
Du hast ihm vor 6 Jahren seine Bi-Seite zugestanden, bzw., mit meinen Worten, als Teil eurer Beziehung akzeptiert, den er mitbringt. Dann hat er sich hier angemeldet, hat sich mit Männern getroffen. Auch das hast Du als Teil eurer Beziehung akzeptiert, den er mitbringt. Dann hast Du herausgefunden (das interpretiere ich im Kontext deiner Formulierung „Zufall“), dass er sich auch mit wenigstens einer Frau getroffen hat, was eben nicht mehr Teil dessen war, was Du in eurer Beziehung explizit akzeptiert hast. Im Rahmen eurer Paartherapie hast Du dann die Öffnung eurer Beziehung, quasi zusätzlich zu seinen Männerkontakten auch für seine Frauenkontakte, vorgeschlagen. Das geknüpft an eine Bitte deinerseits, wissen zu wollen, mit wem (konkret oder Mann/Frau?) er sich trifft und dass das ganze safe sein soll.
(Wenn ich was falsch oder unvollständig verstanden hab, dann bitte korrigier mich)
Als erstes fällt mir auf, wenigstens in meinen Augen, dass die sexuellen Aussenbezüge einseitig deinen Partner und dann Mann betreffen, von Wünschen, Phantasien, Intensionen, Motivationen deinerseits bezogen auf dich lese ich hier nichts. Als zweites hab ich den Eindruck, dass dich diese Entwicklung bei ihm mehr oder weniger überrollt, dass Du mit Fakten konfrontiert bist, deren Entstehen und deren Entwicklung ausserhalb deinerseits Einflusses stattfinden. Und drittens scheinst Du, immer wenn Fakten bereits auf dem Tisch liegen, ihm eine Legitimation für die Fortsetzung seines Tuns zu geben.
Du hast zwar nicht explizit danach gefragt, aber ich sehe einen deutlichen Zusammenhang zwischen deinem Vorgehen (eher deinem Reaktionsmuster) und deinem heutigen Unwohlsein bei seiner Aussenaktivität. An deiner Stelle hätte ich bei der letztlichen Öffnung nicht eine Bitte gestellt, zu wissen wann er mit wem unterwegs ist, sondern die glasklare Bedingung. Ich möchte dir auch sagen, warum ich das so und nicht anders formuliert hätte.
Für mich besteht eine Beziehung zwischen zwei Lebens- und Liebespartnern im Spannungsfeld zwischen Sicherheit als Paar einerseits und der individuellen Freiheit der jeweiligen Partner andererseits, zwischen der Bindung, die beide Partner brauchen für ein Paargefühl einerseits und dr individuellen Autonomie der jeweiligen Partner andererseits. Was ich hier in deinen Beschreibungen sehe, ist, dass sich dein Mann die Freiheiten nimmt, die er meint für sich beanspruchen zu können, das geht dann im Zweifel auch so weit, dass er autonom für sich entscheidet, seine Freiheit soweit auszudehnen, dass er eben ausserhalb der Vereinbarungen (die dir Sicherheit und Bindung geben würden) anstatt mit Männern mit Frauen ins Bett geht, kurz gesagt, fremdgeht. Ich lese nichts davon, dass er dir gegenüber für dein Sicherheitsgefühl sorgt, dass er sich in die Gestaltung der Offenen Beziehung dergestalt eingebracht hätte, als dass Du daraus seinen Bindungswunsch an dich hättest lesen können.
Du hast nach Regeln für eine Offene Beziehung gefragt. Die sind so individuell wie die Paare, die versuchen in einer solchen Beziehung zu leben. Eines halte ich aber für unabdingbar, und das ist eine Vereinbarung, die bei beiden dafür sorgt, dass das Gefühl von Sicherheit und Bindung nicht auf ein Mass reduziert wird, das wenigstens für einen der beiden Partner nicht mehr erträglich ist. Dieses Mass ist bei dir nach meiner Einschätzung nun unterschritten, es geht dir offensichtlich nicht gut mit eurer derzeitigen Situation, Du hättest den Faden hier nicht gestartet.
Dir Bindung zu zeigen ist nicht Resultat einer Beziehungsregel, sondern des Verhaltens deines Mannes dir gegenüber. Das kann sich zum Beispiel darin zeigen, dass er dir gegenüber die Grenzen akzeptiert, die Du brauchst (und um die Du nicht „bittest“, sondern klar machst, dass sie unabdingbar für dich sind, wenigstens derzeit), um wieder ein Gefühl von Sicherheit in eurer Partnerschaft zu haben.
Hart gesagt, es liegt an dir ihm das transparent und verständlich zu machen, es liegt an ihm, dir zu zeigen, dass er das verstanden hat und zu dir und eurer Beziehung ohne Abstriche durch sein Verhalten sichtbar steht. Derzeit ist es wohl so, dass Du ihm Freiheit und Autonomie gibst, er dir dagegen aber nicht die Sicherheit und Bindung, die Du brauchst, um dich insgesamt wohl zu fühlen.
Wenn Du mehr wissen willst, dann schreib mich gerne an, in Details mag ich öffentlich hier nicht gehen (ich kann dich leider nicht anschreiben als Basismitglied).
Ich drück dir die Daumen
Mick