Aus aktuellem Anlass und weil es mir heute passiert ist:
Natürlich ist heute Sonntag, und es hat kein Werkzeugladen auf. Morgen ist Pfingstmontag, da also auch nicht. Danach kommt der Dienstag, um vier geht der Wecker und ich muss dann zur Arbeit. Jedoch hat der Tüv am 2.6. meinen Vectra durchfallen lassen, wegen "erheblicher Mängel". Von der rechten vorderen Feder ist das untere Stück abgebrochen, es fehlen also vom Windungsende etwa 8cm, und bevor ich versuche eine gebrauchte Feder aus einem 98er Vectra B Sport zu finden, habe ich kurzerhand einen Satz Eibach-Federn geordert und heute eingebaut. Das ging zügig von der Hand, in nur einer Stunde hatte ich ohne Bühne oder Grube die Vorderachse fertig. Die Hinterachse links hingegen war ein Sackgang. Rechts gings deutlich besser. Und ich wage zu behaupten, das mir selbst ein geöffneter Werkzeugladen nicht hätte helfen können, denn wer hat auch schon einen Feingewindeschneider M14x1.5 zur Hand? Ich nicht. Und die Läden hier in der Umgebung... sprechen wir besser nicht drüber.
Aber die Schraube, welche den hinteren Stoßdämpfer am Achsschenkel hält, musste nunmal wieder da rein. Wenn man nicht fürchterlich aufpasst, vermurkst man sich den Anfang vom Gewinde ganz schnell, und exakt das ist mir vorhin passiert. Nach drei Umdrehungen zog sie sich schief und hat blockiert. Etliche Stunden, Flüche und Zigaretten später kam mir die Idee, als ich einen Satz Maschinengewindeschneider in die Finger bekam, auf der Suche nach irgendwelchem Sonderwerkzeug, was ich natürlich nicht in der passenden Größe habe. Und bevor ich die Schraube mit Gewalt reinwürge und sie mir abreisst, habe ich aufgehört zu zerren, und sie wieder rausgedreht. Sie diente als Muster für eine Suche in meiner Schraubengrabbelkiste, in die ich sämtliche bei irgendwelchen Ausschlachtungen anfallenden Schrauben werfe. Diese Kiste hat mir schon oft den Arsch gerettet, so auch heute. Nach etwas Wühlen fand ich tatsächlich zwischen den wirrsten Größen wie M7 und solche Späße eine M14x1.5 mit ausreichender Länge und 10.9er Festigkeit. Sie stammt von irgendeinem Opel und steckte vermutlich irgendwo am Fahrwerk. Die habe ich in den Schraubstock gespannt und mit der Drahtbürste sauber gemacht. Und jetzt kommt das eigentlich interessante:
Ich betrachtete mir den 12er Maschinengewindeschneider und habe mir im Kopf dessen Wirkungsweise vorgestellt. Drehung + Schnittkante = Schnitt. Mit Anschnitt. Etwas gegrübelt und überlegt, wie diese Dinger hergestellt werden. Dann habe ich von der soeben gefundenen Schraube die Spitze abgeschnitten, und mittels Flex und Fächerscheibe den Anschnitt an die Schraube gebracht. Der Anschnitt ist der Konus an der Spitze, aus dem so langsam das Gewinde wird, wenn man am Schaft weiter runterguckt. Dann fehlten noch die Schnittkanten. Diese werden bei einem Gewindeschneider wohl eingefräst. Mit Flex und dünner Trennscheibe, freihändig, geht das auch, wenn auch nicht so exakt und genau. Da die Schraube einen Sechskantkopf hat, kann ich sie in sechs Positionen in den Schraubstock spannen, so konnte ich die Flex immer gleich halten. Dann nicht einfach ins Gewinde hacken, sondern seitlich versetzt, das bei einer Rechtsdrehung auch wirklich geschnitten und nicht nur geschabt wird. Mit diesem Improvisierten Gewindeschneider habe ich es tatsächlich geschafft, das Gewinde im Achsschenkel so weit auszuräumen und von zerdrückten Gewindegängen zu befreien, das ich die Originalschraube von Hand fast bis zum Ende drehen konnte, danach brauchte ich sie nur noch festziehen. Insgesamt trägt diese Schraube auf ca. 25-30mm Länge im Achsschenkel, und die ersten knapp 4 Gewindegänge, also etwa 5 mm waren zerdrückt, allerdings noch nicht ganz weg. Ich behaupte, die Schraube wird weiterhin den Stoßdämpfer an seinem Platz halten. Im ungünstigsten Fall hält die Schraube jetzt noch auf 20mm Länge, mehr als ihr Durchmesser. Im besten Fall tragen auch die wieder gradegezogenen Gewindegänge, jedenfalls habe ich sie auf das vorgeschriebene Drehmoment von 150Nm + 30° + 15° festgezogen und hatte nicht das Gefühl, das sie durchdreht.
Wer also mal ein Feingewinde zermurkst hat, und keine Chance hat, schnell einen passenden Gewindeschneider aufzutreiben, sollte sich einen normalen zum ansehen hernehmen, eine Schraube mit exakt demselben Gewinde, und es versuchen. Wenn man mit einer 10.9er Schraube ein Gewinde kaputtbekommt, wenn man sie nicht hundertprozentig grade ansetzt, warum sollte man nicht auch das Gewinde wieder fit bekommen damit?
Für die Zweifler unter uns: Ja, ich weiss, am Fahrwerk solch wilde Aktionen zu machen, ist nicht ganz ungefährlich. Der Achsschenkel wird übrigens bei nächster Gelegenheit gegen einen intakten getauscht, und da in kürze ein Schlachtvectra angeschafft wird, weil ich großes vor habe mit meinem, wird der sein Teil natürlich spenden. Allerdings war das heute die einzige Möglichkeit, das Auto wieder auf seine Räder zu bekommen. Hätte ich das Gewinde komplett blankgezogen, wäre das Auto auch stehen geblieben, ich hätte da keine M12 mit Mutter reingedreht. Ganz sicher nicht. Die Probefahrt über so eine mit Schlaglöchern übersähte Holperstrecke verlief absolut ohne Probleme, die Schraube war danach immer noch fest (Drehmomentschlüssel auf 200Nm und direkt "knackknack"). Dann wird das wohl auch brauchbar asphaltierte Strassen ne Weile aushalten, das werde ich dennoch beobachten. Mit dem Drehmomentschlüssel komme ich ohne Probleme von unten dran um das nachzusehen. Mir persönlich geht es mit diesem Beitrag nicht darum, die Leute hier zum Pfuschen zu animieren, sondern eine Hilfestellung zu geben, wenn mal in den unmöglichsten Situationen ein Gewinde seine ersten paar Gänge verliert, und man keine passenden Gewindeschneider hat, grade wenn es um solche Sondergrößen wie meine M14x1.5 geht. Die meisten haben nunmal nur bis M12, und ein M14-Regelgewinde hat eine Steigung von 2mm, diese Gewindeschneider hat jeder bessere Werkzeugladen. M14x1.25 übrigens auch, ein Standardgewinde für Zündkerzen. Aber bei dieser Zwischengröße siehts meist mau aus.
Wenn also irgendwann mal dieser Tipp jemandem nützt, sein Auto womöglich überhaupt erst von der Hebebühne der Mietwerkstatt zu bekommen, hat er sich schon bezahlt gemacht. Denn ausser einer Schraube mit gleichem Gewinde und einer Flex mit Fächer- sowie feiner Trennscheibe braucht man nichts weiter, um sich zu behelfen. Dennoch: Das sollte besser nur ein Notbehelf sein, das Gewinde sollte dann zügigst "normal" instandgesetzt werden, zur Not mit einem Heli-Coil. Da ich diesen Einfall spontan hatte und immer noch von der Genialität und Einfachheit dieser Idee überrascht bin, wollte ich euch einfach mal dran teil haben lassen.