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Otello....oder wie kommt eine Oper überhaupt auf die Bühne

*******onne Frau
5.897 Beiträge
Themenersteller 
Otello....oder wie kommt eine Oper überhaupt auf die Bühne
Otello oder besser wie kommt ein Stück auf die Bühne?
Unter diesem Thread werde ich die Produktion von WIlliam Shakespeares" Otello" begleiten.
Die musikalische Umsetzung liefert Giuseppe Verdi. *engel2*

Wie kommt so eine Produktion überhaupt auf die Bühne?
Was steckt da für Arbeit hinter, wieviel Leute sind involviert?
Fragen über Fragen aber auch interessante Einblicke hinter die Kulissen möchte ich hier bieten.

Ich kenne es selber von Freunden, Bekannten und Verwandten die immer ganz geschockt sind was für ein riesen Aufwand hinter sowas steckt.

Wer Fragen hat, einfach fragen.
Interessieren bestimmte Sachen...gerne.

Über den Daumen gepeilt werden neben Sängern/Sängerinnen, Orcherster, Chor und Statisten grob 20 andere Abteilungen ihren Teil zu dieser Produktion leisten.

Premiere von "Otello" ist am 30.10.2021
*******onne Frau
5.897 Beiträge
Themenersteller 
Otello

Worum geht es?

Ein Mann, beruflich in angesehener gesellschaftlicher Position, privat beneidete Gatte einer schönen Frau, in der Abwärtsspirale.
Im Irrglauben der Verteidigung zerstört er Schritt für Schritt sein persönliches Leben, seine berufliche Stellung und seine große Liebe.
Am Ende wird Otello zum eifersüchtigen Mörder seiner unschuldigen Ehefrau.

Aber warum?
*********si_59 Mann
1.282 Beiträge
Zum Einen kommt bei Otello noch ein Rassenkomplex hinzu und zum Anderen braucht man einen Jago, der solche Zweifel sät. Jeder Otello hat seinen Jago!
*********si_59 Mann
1.282 Beiträge
Otello ist klassisches Drama. Er ist erfolgreich, beneidet, verliebt und hat alles, was andere gern haben wollen. Es gibt also Menschen, die alles tun würden, um ihn in seiner Position abzulösen. Diese sind nach außen freundlich, integer, verlässlich und vertrauenswürdig. Otellos Schwächen prägen drei Probleme; ein für jeden sichtbarer Minderwertigkeitskomplex, seine Hautfarbe, Verlustangst und Abhängigkeit. Das begründet seine rasende Eifersucht. Jago bedient diese Gefühle und treibt ihn in den Abgrund. Die Handlung ist also eher innerlich, die Soloszenen keine Arien, in denen die Zeit steht, sondern Monologe, die diese Handlung vorantreiben.
Ein Regisseur tut gut daran, diese Handlung zu ornamentieren, nicht zu veräußerlichen. Der Otello ist nicht Aida! Verdis Musik zu Shakespeares Drama ist über jeden Zweifel erhaben. Sie verdichtet die Handlung auf ihren emotionalen Kern getreu nach Victor Hugos Worten, dass man mit Musik das ausdrücken kann, wozu Worte fehlen.
*******sher Frau
38.813 Beiträge
@*******onne ich finde es eine tolle Idee von dir
uns hier intensiv
in eine Produktion einzuführen
*********si_59 Mann
1.282 Beiträge
Otellos großer Monolog offenbart seine Stärke und Schwäche. Er zeigt aber auch seinen Untergang, der weniger komplexbehaftet als typisch männlich ist. Die mit Männlichkeit verbundenen Eigenschaften sind scheinbar gefährdet und zeigen einen inneren Konflikt, den er gar nicht haben will, aber aufgrund seiner gesellschaftlichen Position haben muss.
Niemand hat diesen Zwiespalt deutlicher in Szene gesetzt als Beniamino Gigli in den kurzen Ausschnitten des unsäglichen Mamma-Filmes 1941. Trotz des bescheidenen Schauspielvermögens zeigt er natürlich stimmdarstellerisch, worum es wirklich geht. Die innere Wandlung und Entwicklung wird deutlich. Dazu braucht man einen Sänger, der zu stimmlicher Dynamik fähig ist. Alle „Schreihälse“ sind für derartige Subtilität nicht geeignet. Jon Vickers war der Einzige im Lp-Zeitalter! Gigli hat als Lirico Spinto die Rolle nie auf der Bühne gesungen. Er wusste, dass ihm das Mimische, nicht das Vokale fehlte. Ansonsten wäre er neben Caruso der Größte überhaupt geworden.


*********si_59 Mann
1.282 Beiträge
Und hier das kurze Schlussbild. Der kurze Moment, der ihm Klarheit über das Schicksal verschafft, ist schon vokal erschütternd, aber was dann folgt, gehört zu den zartesten Liebesbezeugungen, die man hören und von denen man sich berühren lassen kann. Nun ist ist alles hoffnungslos und Gigli singt und gestaltet es klanglich und emotional nachvollziehbar. Der letzte Kuss erstirbt ihm nicht auf den Lippen, sondern "Bacio" verhaucht nach der ersten Silbe mit dem letzten Atemzug wie Verdi es geschrieben und komponiert hat!


*******onne Frau
5.897 Beiträge
Themenersteller 
Konzeptionsgespräch Nr.1

Obwohl, man könnte noch früher anfangen das Ganze auseinander zu nehmen. Nämlich den August 2020, wo sich der Spielplan für 2021/2022 zusammenfügt.
Die Auswahl die sowohl von der Intendanz, als auch dem Verwaltungschefs, dem Land Niedersachsen ( liegt daran das wir staatlich sind) und den Stiftungsmitgliedern getroffen wird. Wir reden hier lediglich von der Auswahl der Opern , die ein Jahr vorher getroffen wird.
Für einige Stücke hat man dann Wunschkandidaten, für andere beginnt man gezielt zu suchen.

Im Fall von " Otello" ist der Regisseur diesmal bewusst gewählt, ein absoluter Wunschkandidat.
Er hat in der Saison 2020/2021 schon "The Turn of the Screw " für Hannover ins Leben gerufen ( megamässig, was für eine geniale Inszenierung)

Immo Karamann heisst der Gute, unterwegs in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mehrfach nominiert für diverse Preise und aktuell sehr gefragt.
Aber, was für ein toller und lockerer Mensch. Null Starallüren, kein durchdrehen bei Proben, immer gut drauf, immer pünktlich ( da kenn ich andere)
Wichtigster Assistent: Grobi...sein Deutsch Drahthaar Rüde. ( grober Fehler meinerseits: Montag waren die beiden da und ich hab die Hundekekse vergessen 🙈)

So , August 2020 stand fest: der Opener für uns im Oktober 2021 wird "Otello"...es folgten im August 2020 gleich die Verhandlungen mit Immo, seine Vorstellung wie er es umsetzen möchte, paar Ideen unsererseits.
Dann ging der Kelch der Arbeit erstmal komplett in die Hand des Regisseurs. Er sucht sich Bühnenbildassistenten, Kostümdesigner, Dramaturgen selber.

Nächste Zusammentreffen Konzeptionsgespräch 1
Dabei....eigentlich nicht viele Leute: Regisseur, Dramaturg, Bühnenbildner, Köstümdesigner, unsere Intendanz und Verwaltungsebene, technischer Direktor, Chef von Ton, Chef vom Licht.

Im Gepäck von Immo Karaman: das Bühnenbild, Vorstellung über Licht und Toneffekte, Kostüme, Art der Inszenierung.

Damit erfolgt ein Startschuss: die Bühnenbauer erhalten Baupläne, die Bühnenmaler, Schneiderei, Make-up Artist, Perücknmacher, Requisite erhalten ihre Liste was alles wie benötigt wird und gefertigt werden muss.
Die Beleuchtung fängt an ein Lichtkonzept zu erstellen, der Ton erwägt verschiedene Möglichkeiten den Raum mit wundervollen Stimmen zu erfüllen.
Der Maschinen-Meister der Bühne fängt an zu Programmieren ( Drehbühne, hochfahrbar und auch zum kippen)...jede Menge Arbeit, aber zum Glück auch jede Menge Zeit.

Denn dieses 1.Konzeptionsgespräch hat im Dezember 2020 stattgefunden.

Dieses Gespräch bzw der Tag danach: Startschuss für unsere Werkstätten....viele Werkstätten.
*******onne Frau
5.897 Beiträge
Themenersteller 
Startschuss für die Werkstätten

....und wenn man nicht grad eine Inszenierung kauft oder etwas im Archiv gelagert hat treten nun die Werkstätten ihren Dienst an.
Bereits im Januar fiel der Startschuss für die Kulissenbauer, Maler und Bühnenmaler.
Ebenso Tischler, Rüstmeister......und da das ja alles sonst in der Oper direkt blockiert passiert das alles in einer riesigen Werkstatt in einem anderen Stadteil von Hannover.
Das Produktionszentrum in Hannover-Bornum.
Hierbei handelt es sich um das ehemalige Zentrallager von Tengelmann (okay, momentan nur noch die Hälfte, es entsteht grad ein riesiger Neubau für uns)

Um eine Idee zu haben über die Grösse: dort befinden sich 3 Probebühnen (eine 1:1 zur Bühne in der Oper) Kulissen der vergangenen Jahre lagern dort, eine grosse Malwerkstatt ( Bühnenbilder a 5mx10 m kein Problem)
Ja und wir haben dort einen Elefanten samt Baby (beide in Originalgrösse)🤗

Es wird geschraubt, geschweißt, gesägt, gemalt ..ja, und manchmal geflucht.
Zwischenstände werden per Videocall mit dem Regisseur begutachtet und man höre und staune: es würde alles durchgezogen wie in der Planung (hat Seltenheitswert, da viele Regisseure das Bühnenbild bei Fertigstellung als nicht mehr passend zu ihrer Inszenierung empfinden)
Dafür ist die " Probebühne in Originalgrösse" halt optimal.

Und wer jetzt glaubt das Ding bleibt da nonstop stehen der irrt..schließlich möchte das Schauspielhaus auch Neues auf die Beine stellen.
Auf-und Abbau ist Gang und Gebe.

Die komplette Abnahme der Kulisse erfolgte im März und dann wurde das ganze doch erstmal liebevoll verpackt und gelagert.
Jetzt hängen schon 8 Wochen Arbeit in dem Stück...und es hat nich keiner einen Ton gelernt, gesungen.


Was ist das älteste Bühnenbild was wir lagern?
Hänsel und Gretel🤗 .. der hannoversche Weihnachtsklassiker der seit 63 Jahren immer im Dezember aufgeführt wird. Win muss für jede Schulklasse des 3. Jahrgangs aus der Region. Teilweise fahren wir 2 Aufführungen am Tag.
Diese Inszenierung wurde auch nie geändert.
Aktuell haben wir 5 Dauerfans die seit der ersten Aufführung vor über 60 Jahren jedes Jahr im Publikum sitzen.
*******sher Frau
38.813 Beiträge
Zitat von *******onne:
Aktuell haben wir 5 Dauerfans die seit der ersten Aufführung vor über 60 Jahren jedes Jahr im Publikum sitzen.

das finde ich klasse
ich habe in Hamburg bei dem 20 mal Zauberflöte aufgehört zu zählen
*schaem* wobei es war auch immer die Inzenierung von Achim Freyer war.
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