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Die Inszenierung einer Oper

****na Frau
24.572 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Die Inszenierung einer Oper
Furchtbar viele Opern habe ich noch nicht gesehen. Aber ich stelle für mich immer wieder fest, dass der Genuss auch etwas mit der Inszenierung zu tun hat.

Wenn für mich das Bühnenbild und die Kostüme nicht halbwegs zum Stück passen, fesselt mich die Musik meist viel weniger.

Am besten gefallen mir tatsächlich Aufführungen, die da spielen, wo sie spielen sollten und die Darsteller entsprechend gekleidet sind.

Ist das bei euch auch so, oder könnt ihr unpassendes Beiwerk ausblenden, bzw. stört es euch nicht?
*****lnd Mann
27.765 Beiträge
Viele Opern müsste ich verachten, wenn ich so empfinden würde, da die Kunst der Regie gerade auch darin besteht, Opern zu interpretieren. Daher fand ich den Rigoletto von Bregenz im Sommer besonders toll im Vergleich zu der Mantua-Verfilmung in alten Kostümen.
Rigoletto in Bregenz
*******ack4 Mann
2.573 Beiträge
@****na
Das ist ein wirklich SEHR komplexes Thema, über das sich stundenlang diskutieren ließe.
Das moderne Regietheater hat sich im Laufe der Jahre permanent weiterentwickelt, was auch gut und richtig ist.
Oper - und Theater überhaupt - soll und muss provozieren und ggf. auch mal den Finger auf die Wunde legen dürfen.
Wotan im Bärenfell möchte sicher niemand mehr sehen: dies entspräche dann so in etwa der originalen Handlung, bzw. Wagners Regieanweisung, um mal ein Beispiel zu nennen.

Inszenierungen überzeugen (vermutlich nicht nur mich) immer dann, wenn man spürt, dass der Regisseur etwas zu erzählen hat, dies konsequent tut und es nicht g e g e n die Musik geschieht! Dies ist natürlich nicht leicht und kann folglich auch nicht immer gelingen, aber wenn es geschieht, kann es ein großartiger Abend werden!
Oftmals bleibt das Regiekonzept allerdings im Ansatz stecken oder driftet ab, und manchmal lässt sich auch keines erkennen, weil es nie eines gab. *gruebel*
Unzufriedenheit kann sich aber auch einstellen, wenn die Qualität der Ausführung nicht überzeugt, also wenn z. B. ungenügend gesungen wird oder Partien (aus welchen Gründen auch immer) falsch besetzt sind.

Ansonsten würde ich Dir zum besseren Verständnis etwas "Hintergrundstudium" in Form von guten (!) Opernführern bzw. auch der einen oder anderen Biographie empfehlen; sich vorher (und auch sonst) mit der Musik zu beschäftigen, kann ebenfalls hilfreich sein.
Man hört mehr, wenn man mehr weiß, bzw. kann sich besser auf das Geschehen auf der Bühne konzentrieren, wenn man die Musik vorher schon kennt.
*****lnd Mann
27.765 Beiträge
Es gibt Opern, an denen sich Regisseure so richtig austoben können. La cenerentola und den Barbier von Sevilla habe ich in kunterbunten Inszenierungen gesehen, aber sogar den Faust (Margarete). Und gerade, wenn man die gleichen Opern sieht, ist es spannend, wie sie jeweils geboten wird. In Frankfurt dämmerte Faust im Pflegeheim vor dem Fernseher dem Tod entgegen und Gretchen wohnte im Plattenbau.
********Herz Frau
37.433 Beiträge
Gruppen-Mod 
@****na, da haben wir etwas verpasst. Unwiderbringlich. *snief*

@*****lnd: Marena und ich hatten 2020 Karten für den Rigoletto in Bregenz, zusammen mit einer Bekannten von mir. Als die Aufführung abgesagt wurde und wir die Wahl zwischen verschieben und erstatten hatten, haben wir aus verschiedenen Gründen die Erstattung gewählt.


Ich habe bisher immer die Musik genossen - unabhängig von der Inszenierung.

Etwas anders sieht es bei mir mit Schauspielen aus. Da habe ich bei zu modernen Inszenierungen schon in der Pause das Theater verlassen. *augenzu*
**********ser69 Mann
149 Beiträge
Vorab: es gibt grottenschlechte Inszenierungen, wo Regisseure keine Ahnung von der Partitur haben. Es gibt aber auch Aufführungen, wo die gesangliche bzw. Orchester/Dirigent-Leistung mehr als fraglich ist.
Aber es gibt auch Inszenierungen, wo wir es einfach nicht gewohnt sind, einmal neu den Blick auf das Werk zu werfen, geschweige eines erzkonservativen Publikums, das alles andere und neue ablehnt.

Bestes Beispiel sind zwei Ring-Inszenierungen.

Der Jahrhundert-Ring in Bayreuth 1976. Welcher Eklat, welcher Aufstand unter den erzkonservativen Besuchern. Und zum Ende mit der Götterdämmerung 1980, ca. 90 Minuten Applaus, über 100 Vorhänge.
Was war geschehen? Patrice Chéreau hat den Ring neu interpretiert, im zur Seite stand Pierre Boulez als Dirigent. Heute kommt kein neuer Ring in Bayreuth an dieser Interpretation mehr vorbei.

Der Tunnel-Ring an der Deutschen Oper Berlin.
1984 interpretierte Götz Friedrich den Ring neu, sein berühmter Zeit-Tunnel. Wieder mal, welcher Aufschrei, welcher Eklat. Und 33 Jahre später Ostern 2017, ich mußte mir schon 2016 den letzten Zyklus vor dem Abspielen sichern, alle Aufführungen waren ein Jahr vorher ausverkauft.
*******1972 Mann
548 Beiträge
Der Grad der Empfindlichkeit ist natürlich unterschiedlich ausgeprägt, aber es gibt Dinge, die kann ich nicht mehr sehen. Beim ersten Mal mag es im Einzelfall noch eine Idee gewesen sein, aber wie oft habe ich schon Unterhosen auf der Bühne angeschaut, Krankenhausbetten, Rollstühle, in den letzten Jahren zunehmend auch epileptische Zuckungen und Klavierauszüge, mit denen dann besonders gern geworfen wird.

Eine Inszenierung, die neue Perspektiven auf ein Werk eröffnet, kann sehr spannend sein. Chéreaus Bayreuther Ring ist mit den Jahren gewachsen (1976 sah er noch längst nicht so aus wie bei der 1981 gefilmten Version) und wurde dann medial sehr bejubelt; er passte in die Zeit, war auch ein Kind seiner Zeit, denn Chéreau nahm Ansätze auf, die es bereits in Kassel und in Leipzig auf der Bühne gegeben hatte. Die Folgeinszenierung von Peter Hall aus dem Jahr 1983 wurde hingegen von der Kritik niedergemacht, auf den Mitschnitten hingegen hört man viel Jubel, und am Ende gab es wohl sogar 100 Minuten Applaus (anders gesagt: Die Länge allein ist noch kein Argument, wie auch in anderen Zusammenhängen ;-)).

Spannend finde ich, dass man bei der musikalischen Umsetzung oft betont, es müsse "historische Aufführungspraxis" sein. Im Ballett werden die Petipa-Choreographien immer noch aufgeführt. In der Oper und bei ihrer szenischen Umsetzung hingegen scheint das undenkbar. Aber auch hier gibt es Abstufungen: Werke, die oft gezeigt werden, werden auch oft gedeutet und umgedeutet, wobei die Regie wohl mitunter zwanghaft originell sein will; die Folge sind dann ein Rheingold an der Tankstelle oder ein Don Giovanni mit längeren Verdauungsvideos. Weniger bekannte Stücke des Repertoires muss man dem Publikum überhaupt erst einmal präsentieren, und die Regie geht da oft behutsamer vor.
****na Frau
24.572 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Don Giovanni habe ich in einer Inszenierung gesehen, die auf einer Autobahn spielte. So schön die Musik war, wirklich erfreut hat das Stück mich nicht. Und natürlich habe ich mich vorher damit vertraut gemacht.

Nabucco hingegen in absoluten Phantasiekostümen und sonderbarem Bühnenbild, mit Anlehnung an das NS Regime, war ein tolles Erlebnis.
*****lnd Mann
27.765 Beiträge
Experimentiertheater meide auch ich. Irgendwie muss die Inszenierung nachvollziehbar bleiben. Ichabe schon erlebt, dass die Musik sich der Regie unterordnen musste und wichtige Passagen fehlten, aber das ist lange her und wurde in der Folge boykottiert.

Manchmal fordert die Bühne eine besondere Gestaltung. Beispiel Der Barbier im Innenhof des Heidelberger Schlosses: Graf Almaviva entsteigt im Dandy-Anzug einem roten italienischen Cabrio, Dialoge werden über eine Telefonzelle geführt, usw.
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