Weibliche Genitalverstümmelung (Teil 3)
Rache der Beschneiderinnen-> Fortsetzung von Orient: Weibliche Genitalverstümmelung (Teil 2)
(Bitte zuerst Orient: Weibliche Genitalverstümmelung (Teil 1) lesen !)
"Menschenrechtler müssen äußerst vorsichtig vorgehen"
Ann-Marie Caulker sagt, sie werde bis zum Ende ihres Lebens gegen Genitalverstümmelung kämpfen. Die 39-Jährige leitet eine lokale Frauenrechtsorganisation in Freetown, die Katanya Women's Development Association. Sie hat die Qualen selbst durchlitten, als kleines Mädchen wurde sie von ihrer Stiefmutter gewaltsam beschnitten. Seit Tagen verhandelt sie mit den Paramount Chiefs über Konsequenzen aus den Übergriffen auf die Journalistinnen. "Ich hoffe, wir können etwas erreichen", sagt Caulker, die selbst schon beinahe einmal Opfer von Racheaktionen der Beschneiderinnen wurde.
Doch über Nacht werden sich die Beschneidungspraktiken in Sierra Leone kaum ändern lassen. Christiane Braun arbeitet an einer Studie über Genitalverstümmelungen in dem westafrikanischen Land und sagt, die Beschneidung sei nicht nur ein Teil afrikanischer Kultur, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: "Menschenrechtler müssen äußerst vorsichtig vorgehen", sagt Braun, die an der Universität Erlangen studiert und derzeit ihre Magisterarbeit in Freetown schreibt - Thema: "Die Ökonomie der Beschneidung". Die Geheimbünde seien eine Möglichkeit für Frauen, der Herrschaft der Männer zu entfliehen. Beschneiderinnen verdienen recht gut, während Frauen im traditionellen Familienbild Sierra Leones nur die Rolle der Hausfrau zukommt.
"Es nutzt nichts, nur mit den Frauen zu sprechen"
Die Hilfsorganisationen reden daher bei ihrer Arbeit in den Dörfern und Provinzen nicht von Genitalverstümmelung, sondern versuchen, mit den Frauen über die katastrophalen Folgen der Beschneidung zu reden, erklärt Braun. "Vor allem wird über die Gefahr von HIV-Infektionen und die Rolle der Frau in der Gesellschaft gesprochen."
"In der Aufklärungsarbeit ist es wichtig, alle Gruppen mit einzubeziehen. Es nutzt nichts, nur mit den Frauen zu sprechen und sie über die gesundheitlichen Folgen aufzuklären", ergänzt Terre-des-Femmes-Aktivistin Gruber. Ihre Organisation führt gemeinsam mit Unicef und der WHO Aufklärungsprojekte in Afrika durch. Was nützt die Aufklärung der Frauen, wenn eine Mutter befürchten muss, ihre Tochter nicht verheiraten zu können, weil sie nicht beschnitten ist - und als Hure beschimpft wird?
Aus traditioneller Sicht gelten beschnittene Frauen als besonders rein, besonders gesund und besonders anständig. Gruber: "Ein Dorf muss kollektiv beschließen, die Genitalverstümmelung aufzugeben."
In Ländern, die Genitalverstümmelungen unter Strafe gestellt haben - wie Burkina Faso und Ägypten - lässt sich eine andere, nicht weniger beunruhigende Entwicklung feststellen: Eltern, die es sich leisten können, lassen ihre Töchter in Arztpraxen beschneiden - unter Narkose und hygienischen Bedingungen. Die Praxis der Beschneidung wird medikalisiert - nicht selten stellen Ärzte die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs fest. Die es laut WHO nicht gibt.
Mehrere Mädchen sind in den vergangenen Monaten nach dem Eingriff in einer Arztpraxis gestorben.
Außerdem gibt es beispielsweise in Sierra Leone die Tendenz, Mädchen unmittelbar nach der Geburt oder aber in den ersten Lebensjahren beschneiden zu lassen - um die nicht selten tödlichen Folgen besser verschleiern zu können.