Bauchtanz ist ihr Leben
Tanz : Bauchtanz ist ihr Leben Essen, 19.05.2010, Sebastian Auer.
Essen. Die Weltmeisterin im Bauchtanz kommt nicht etwa aus dem Orient, sondern aus Rüttenscheid.
(Anmerkung: Rüttenscheid ist ein Stadtteil meiner Stadt Essen)
Sollte Mariam Ala-Rashi einmal aus ihrer Wohnung in Rüttenscheid ausziehen, wird sie ihre sieben Sachen in wenigen Minuten in Kartons verpackt haben. Im großen Wohnzimmer der 28-jährigen steht nichts außer einem Sofa, einem Schreibtisch und einem großen Spiegel.
„Mehr brauche ich nicht“, sagt die begeisterte Essener Tänzerin, die inzwischen Weltmeisterin in der Disziplin „Tribal Fusion“ ist. Das ist Bauchtanz, gepaart mit modernen Tanzelementen. Es mag verwundern, dass die Weltmeisterin dieser orientalischen Tanzart aus hiesigen Breitengraden kommt. Ala-Rashi wundert’s nicht. „Zwar bin ich hier geboren, und auch meine Mutter kommt aus Deutschland, aber mein Vater ist Araber“, sagt sie. „Da habe ich den Rhythmus einfach im Blut.“
Die erste Jobkrise kam mit sechs Jahren
Mit vier Jahren nahm Ala-Rashi ihren ersten Tanzunterricht, schnell war die Lust geweckt, und schon früh kamen die ersten öffentlichen Auftritte. Nur einmal hatte sie einen kleinen Hänger, das war mit sechs Jahren. „Da hatte ich meine erste Jobkrise“, erinnert sich Ala-Rashi schmunzelnd.
Die Lustlosigkeit ist natürlich längst passé, inzwischen hat sie Auftritte in der ganzen Welt, von Syrien bis nach Los Angeles. In Düsseldorf studiert Ala-Rashi Tanzpädagogik, damit sie später selbst einmal professionelle Tanzlehrerin werden kann. Denn mit Bauchtänzerinnen verhält es sich wie mit Fußballprofis der ersten Liga: Mit Mitte 30 ist meist Schluss, es ist eben ein Knochenjob, und mit dem Ende der aktiven Karriere geht’s meist in den Trainerstand. Ala-Rashis Motto lautet trotzdem: „Turne bis zur Urne.“
Sechs Stunden Training stehen bei ihr täglich auf dem Programm - zusätzlich zum Studium. Für andere Dinge bleibt da kaum Zeit. Ala-Rashi nimmt es gelassen. „Für mich ist der Körper wie eine Maschine, er gewöhnt sich an alles“, geht sie mit sich selbst hart ins Gericht. Viele Stunden Arbeit hin, Stress her, für Ala-Rashi ist Bauchtanz trotzdem ein Gefühl der Befreiung. „In der Bewegung kann ich meinen Emotionen freien Lauf lassen“, sagt sie mit einem Strahlen in den Augen. Ob Freude oder Trauer -- alles lässt sich im Tanz ausdrücken. Deswegen bewegt sie sich auch nie nach einem festen Schema, sondern spontan zur Musik. „Mir fallen immer Choreographien ein“, sagt Ala-Rashi und lacht.
Bewegung ist ihr Leben. Niemals könnte sie sich vorstellen, einen „normalen“ Job zu machen, obwohl sie eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten abgeschlossen hat. „Man kann ja nie wissen“, fügt sie hinzu.
Lampenfieber vor ihren Auftritten hat sie nach all den Jahren nicht mehr, trotzdem ist die Bühne für sie „ein heiliger Ort, vor dem sie einen gesunden Respekt“ hat.
Die Weltmeisterschaft im Bauchtanz war natürlich eine Ausnahme. „Hier ist der Druck schon besonders hoch und die Aufregung groß gewesen“, gibt Ala-Rashi zu. Über 400 Teilnehmer waren dazu im vergangenen Jahr zur Austragungshalle nach Duisburg gekommen, viele direkt aus dem arabischen Raum und mit einer Favoritenrolle im Gepäck. „Es ist schon ein komisches Gefühl“, sagt Ala-Rashi, „plötzlich saßen mir meine Tanzvorbilder in der Jury gegenüber und nahmen mich genau ins Visier.“ Der Moment, in dem sie zur Weltmeisterin ernannt wurde, ist in ihrem Gedächtnis nur noch verschwommen. Erst viel später habe sie alles begriffen.
Mit 28 Jahren schmieden die meisten noch Zukunftspläne. Doch mit dem Weltmeistertitel ist Ala-Rashi bereits ganz oben angekommen. Deshalb guckt sie nicht weit in die Zukunft, sondern lebt lieber im Hier und Jetzt. Was in fünf Jahren sein wird? Ala-Rashi überlegt und zuckt mit den Schultern. Nur eines steht fest: Mit Tanz wird es zu tun haben.
Quelle: NRZ-Online (derwesten)