Volkswagen AG
"... jeder muss im job permanently seine intangible assets mit high risk neu relaunchen und seine skills so posten, dass die benefits alle ratings sprengen, damit der cash-flow stimmt. Wichtig ist corporate- identity, die mit perfect customizing
und eye catchern jedes Jahr geupgedatet wird!"
Hilmar Kopper, vormaliger Vorstandsprecher der Deutschen Bank
Süddeutsche Zeitung März 2007
After Sales Service
Kulturverlust im Automobilbereich
Aus dem Redeprotokoll der Hauptversammlung der Volkswagen AG am 3. Mai 2006 in Hamburg:
Redebeitrag von Herrn Dr. Teunis:
Vors. Prof. Dr. Piëch: Ich bitte Herrn Dr. Teunis, Braunschweig, ans Pult.
Dr. Teunis: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vertrete eigene Aktien…..etc.
……Ich habe vor einigen Monaten einen Passat bestellt und dabei erfahren, dass man
fundierte Englischkenntnisse braucht, um alles zu verstehen, was angeboten wird.
Bei der Ausstattung kann man wählen zwischen Trendline, Highline, Sportline und
Comfortline.
Bei den Motoren gibt es u. a. TDI und FSI. Was "FSI" bedeutet, weiß der Berater nicht genau;
es heiße wohl "Full Selected Injection" oder so. In Wirklichkeit heißt es natürlich "Fuel
Stratified Injection".
Es gibt weiterhin den FSI 4MOTION. Meine Nachfrage nach der Bedeutung von
"4MOTION" lautet: "Das ist doch klar: unser Allradantrieb!" Der Berater weiß nicht, dass die
korrekte Übersetzung für Allradantrieb "Four wheel drive" ist. "4MOTION" ist eine
grammatikalische Unmöglichkeit und stellt eine böse Verstümmelung der englischen Sprache
dar. Denn "Motion" für Bewegung kann morphosyntaktisch nicht mit einer Zahl kombiniert
werden. Im Englischen ist das genau so unmöglich, wie es "4Bewegung" im Deutschen wäre.
Bei den Farben ist es so bunt, dass es mir wegen der vielen englischen Qualifizierungen
einfach zu bunt wird, bei denen man sich offenbar nicht die Mühe gemacht hat, nach
deutschen Äquivalenten zu suchen. Ich darf wählen aus Candy-Weiß, Granite Green, Arctic
Blue Silver, Wheat Beige, Shadow Blue, United Silver usw.
Gibt es wirklich keine treffenden deutschen Namen für unser deutsches Produkt? Wo bleibt
die Kreativität unserer Werbeabteilung?
(Beifall)
Darüber hinaus bietet die Volkswagen Individual GmbH ein individuelles Designpaket aus
Sensitive-Leder, in Snow Beige und Türinserts in zeitlosem Design.
Und dann zum Entertainment: Ich darf bestellen: Multimedia-Kit, PhatBox und Rear-Seat-
Entertainment-Geräte.
Bei all den englischen Vokabeln, die ich höre und lese, frage ich mich: Ist das eine Beratung
für einen deutschen Kunden oder einen englischen Kunden?
Nun fahre ich ihn, den Passat, und muss mich zurechtfinden mit Bezeichnungen wie TIM für
Traffic Information System, TMC für Traffic Message Channel, EPC für Electronic Power
Control, ACC für Adaptive Cruise Control, mit MUTE, DEST, NAV, MAP, Scan und
Autostore, mit Autohold, Reset, SPEED, CANCEL,
(Heiterkeit und Beifall)
mit KESSY für Keyless Entry Start Exit System. - Es ist ein Graus, meine Damen und
Herren!
(Beifall)
Es gibt nicht nur die unverständlichen Abkürzungen, sondern unter dem Navigationssystem
prangt ein Satz: PASSENGER AIR BAG OFF. - Zu Deutsch, frei übersetzt: Passagier Luft
Sack aus.
(Heiterkeit)
Ohne Englischkenntnisse und intensives Studium des Bordbuches kommt man nicht mehr
zurecht!
Warum steht auf dem Zündschloss der Schriftzug "ENGINE Start/Stop"? Es ging doch
Jahrzehnte ohne diesen völlig überflüssigen und unverständlichen Hinweis!
Nach der Übergabe des Fahrzeugs war früher der Kundendienst für mich zuständig. Nun ist er
umbenannt worden in After Sales Service.
(Heiterkeit)
Das ist absolut nicht einzusehen. Das ist nicht nur rücksichtslos, sondern es erscheint mir auch
verkaufsstrategisch gesehen als dumm, so mit deutscher Kundschaft umzugehen.
(Beifall)
Ich empfehle, sich ein Beispiel an McDonald's zu nehmen. McDonald's hat in Deutschland bis
vor gut einem Jahr mit "Every time a good time" geworben. Eine Marktanalyse ergab, dass
dieser Werbespruch von der Bevölkerung nicht verstanden wurde. McDonald's hat seinen
Werbespruch geändert in "Ich liebe es!".
(Heiterkeit und Beifall)
Aus demselben Grund hat auch unsere Konzerntochter Audi umgeschwenkt von "Driven by
Instinct" auf "Pur und faszinierend".
Herr Dr. Bernhard, auch Ihre Mitarbeiter in der Produktion verstehen nur unzulänglich
Englisch. Sie haben trotzdem vier "Product Units" ? abgekürzt PUs ? für vier selbständig
wirtschaftende Einheiten eingeführt. Es sind dies die PU A-Klasse, die PU Presswerk, die PU
Trim und die PU Fahrsysteme - ein schönes Mischmasch aus Deutsch und Englisch!
Gemeint sind aber offensichtlich gar nicht "Product Units", sondern "Production Units".
Abgesehen von diesem Fehler empfehle ich, die jetzt von Ihnen eingeführte Bezeichnung
"Product Unit" wieder zurückzunehmen. Die bisher gebräuchliche "Fertigung" kann genau so
wirtschaftlich arbeiten wie eine "Product Unit".
(Beifall)
Meine Damen und Herren, wenn der Kunde nachhaltig an Volkswagen gebunden werden soll,
muss die Sprache stimmen. Die ist für deutsch Sprechende nun mal Deutsch und kein
deutsch-englisches Mischmasch.
(Beifall)
Außerdem hat jeder das Recht, nicht Englisch zu können.
(Beifall)
Herr Dr. Pischetsrieder, ich habe abschließend zwei Fragen und einen Vorschlag. Meine erste
Frage: Beabsichtigen Sie, im deutschen Volkswagen Konzern, der bereits seit Jahrzehnten
global agiert, jetzt zunehmend englische Bezeichnungen einzuführen, insbesondere auch
dann, wenn es gute deutsche Wörter gibt? Meine zweite Frage: Ist schon einmal geprüft
worden, welche Haftungsrisiken bestehen, falls ein des Englischen nicht mächtiger Kunde den
im Zweifel lebenswichtigen Warnhinweis "PASSENGER AIR BAG OFF" nicht
berücksichtigen konnte?
Und nun mein Vorschlag: Herr Dr. Pischetsrieder, Sie haben vor gut einem Jahr einen neuen
Namen für unseren deutschen Volkswagen Konzern gesucht, um eine Abgrenzung zu
Volkswagen Aktiengesellschaft zu erreichen. Ich habe auf der letzten Hauptversammlung
"People's Wagon Group" vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
(Beifall)
Dr. Pischetsrieder, Vorsitzender des Vorstands: Das müsste doch ganz in Ihrem Sinn
gewesen sein, Herr Teunis!
(Heiterkeit)
Dr. Teunis: Ich versuche es heute mit einem anderen Vorschlag. Falls Sie eine englische
Bezeichnung für unseren Betriebsrat suchen sollten, ich habe ein Angebot: "Work Council"
mit der Abkürzung "WC".
(Große Heiterkeit und Beifall)
• Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Ihnen mein Vorschlag so gut gefällt. Dann
dürfen wir zusammen auf die Antwort von Herrn Dr. Pischetsrieder gespannt sein.
Falls der Vorschlag angenommen wird, kann der Worker an der Finishline künftig während
oder nach seiner Shift zu seinem vertrauten WC gehen.
(Heiterkeit)
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche allen
Volkswagen-Fahrern eine gute Zusammenarbeit mit ihrem After Sales Service.
(Heiterkeit und Beifall)
Dr. Pischetsrieder, Vorsitzender des Vorstands: Herr Teunis, Ihre Anregungen zur
Verwendung der deutschen Sprache finde ich so unterhaltsam, wie auch Sie, verehrte
Aktionäre, sie fanden. Es ist so, dass manche der Bezeichnungen, die Sie im Fahrzeug finden,
tatsächlich international genormt sind. Ihre spezielle Frage: Was passiert denn mit dem
Hinweis "Airbag off" für den Fall, dass jemand nicht englisch lesen kann? - In der
Betriebsanleitung ist genau beschrieben, was das auf Deutsch heißt. Ich glaube trotzdem ? das
sage ich durchaus aus Überzeugung ?, dass die allzu intensive Verwendung der englischen
Sprache im Deutschen nicht nur im Automobilbereich ein gewisser Kulturverlust ist.
(Beifall)
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Geert Teunis
Die Sprache ist der Spiegel einer Nation. Wenn wir in diesen Spiegel schauen,
so kommt uns ein großes treffliches Bild von uns selbst daraus entgegen.
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Wie menschlich Menschen sind, zeigt ihr Umgang mit der Muttersprache.
Friedrich Schiller