zukunft...
Das Leben ist voller Leid, Krankheit, Schmerz – und zu kurz ist es übrigens auch ...
Woody Allen
ich steige ein, ohne die ganzen diskussionsbeiträge vorher gelesen zu haben...sollten gedanken, die ich hier beisteuere, in früheren posts bereits beschrieben worden sein, bitte ich meine bequemlichkeit mit nachsicht zu beurteilen...für einen kurzen hinweis wäre ich dennoch dankbar...
ein wunsch des threadverfassers ist es, sich auf einen bestimmten wahrnehmungsbereich zu konzentrieren...ich komme dem nach und möchte mich dem zugegebenermaßen sehr schwammigen begriff der "bildenden kunst" widmen.
mein eingangszitat soll augenzwinkernd auf die EINE seite menschlicher wahrnehmung aufmerksam machen, auffällig ist auf der anderen seite die (menschentypische?) ignoranz dieser fatalistischen erkenntnis...
im gegensatz zur philosophie, hat die kunst den großen vorteil, dass sie sich der exakten definition durch "optische täuschungen" entziehen kann, lies, das auge ergänzt das "nicht-dargestellte". in der literaturwissenschaft spricht man von "leerstellen", die der leser, er-gänzend, zum verständnis füllen muss, um einer hypothetischen autorenintention oder symbolentschlüsselung auf die spur zu kommen. so verhält es sich auch bei der darstellung von zukunft. sie ist erahnbar, aber metaphorisch abge-bildet.
in der kunst (was immer das auch ist) wurde, ausgehend von den ältesten dokumentierten funden, zukunftsfragen, da sie sich der menschlichen beantwortung entziehen, kultisch gebunden besetzt: abbilder von gottheiten, die für vergangenheit, gegenwart und zukunft verantwortlich sind, geben dem auge "nahrung", was der erlebbarkeit verwehrt ist.
diese abbildungen zeigen ursprünglich KONKRETE wirklichkeitsprojektionen einer göttlichen dimension in form von tier-, fruchtbarkeits-, erd- und kosmossymbolen, also produkte einer sinnlich-wahrnehmbaren erfahrung.
zukunftsfragen wurden also bis zur aufklärung fast ausnahmlos in ein kultisches szenario eingebunden: das hat auch deshalb funktioniert, weil es ein gesellschaftseinigendes konstrukt, eine funktionierende konvention eines religiös-besetzten "hoffens"auf ein jenseits gab...in der bildenden kunst zumindest. in der römisch-griechisch-geprägten antike (ich beschränke mich auf den vor-europäischen kulturkreis) begann zwar die abwendung von ausschließlich kult-geprägten themen, aber zukunftsfragen wurden ausnahmlos weiterhin kult-immanent besetzt.
in christlicher konnotation: die christus-hoffnung, das himmlische jerusalem und der garten eden - ein garten, der nur friedliche tiere zeigt (symbol der versöhnten natur), wasser und fruchttragende bäume (symbole der körperlichen versorgung), adam und adama nackt (symbole der un-schuld und unbesorgtheit gegenüber klimatischen extremen) und über allem wachend-schützend die behütung unserer seelischen bedürfnisse in form der gottheit waren gegenstand des zukunftsbildes, lies, die zukunft als wiederherstellung einer (ursprünglichen) einheit aus natur, mensch, gott: gegenstand unzähliger künstlerischer variationen.
vergangenheit ist zukunft.
noch in der byzantinischen malerei des 11. jahrhunderts n.chr. wird das idealbild menschlicher zukunft ikonographisch gesehen: maria und christuskind sind (stellvertretend) in eine umhüllende, arkantusumrankte natureinheit motivisch integriert und verschmelzen gleichsam mit dem (welt-natur-) hintergrund.
die unumkehrbare befreiung aus dieser umrankung (dornröschen erwacht...:-)) war dann der parallelität der entdeckung des individuums und der daraus resultierenden selbst- und welterkenntnis (legitimation wissenschaftlicher erkenntnisse und einer gottgelösten vernunft) zur zeit der renaissance geschuldet.
die thematische koppelung von zukunft und religiöser erlösung blieb jedoch zunächst unangetastet und wurde nur vereinzelt angezweifelt und entsprechend verfolgt, lies, die bildende kunst "beantwortete" zukunftsfragen nach wie vor religionsadäquat.
doch der anfang war getan: das individuum erweiterte seinen herrschaftsanspruch. philosophisch-wissenschaftlich begründet, stürzte das religiöse zukunftsszenario in sich zusammen und musste einem bis dato andauerndem skeptizismus weichen, angesichts der auch bildnerisch dokumentierten abgründe menschlichen handelns, welches die hoffnung auf eine erlösende / erlöste zukunft anzweifeln ließ. diese abgründe sind natürlich auch in früheren zeiten sichtbar gewesen, wurden auch in früheren zeiten bildhaft übersetzt, aber immer vor dem konventionsgeprägten hintergrund religionsimmanenter sinnhaftigkeit mit aussicht auf das paradies. diese konvention trägt nicht mehr.
die entlarvung gottes als projektion, nicht zuletzt durch die erkenntnisse der wissenschaftlichen psychologie, rückte damit auch die "beantwortung" von zukunftsfragen in den fokus individueller wahrnehmung. so auch in der kunst.
die anfangs erwähnten "leerstellen" sind heute programm in bezug auf den begriff "zukunft": antworten gibt es nicht, aber jede menge fragen, andeutungen, symbolisch-metaphorische annäherungen. optische täuschungen und leerstellen. die virtualität macht's möglich...aber antworten?
wenn etwas "einigend" in der kunstszene ist, dann der skeptizismus, was wiederum in geradezu groteskem widerspruch zur überflutenden aktivität zeitgenössisch-künstlerischen schaffens steht. der untergang verkauft sich ganz gut...;-))
allerorten werden entweder der rückzug ins privatuniversum individueller wahrnehmung oder apokalyptische horroszenarien be-bildert.
abschließend MEINE zukunftsvision:
treffen sich zwei planeten. sagt der eine: "du...ich hab' menschen." sagt der andere: "keine sorge...das geht vorüber."