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Kritik der Philosopie

****ta Frau
2.135 Beiträge
Philosophie als Wort bleibt kryptisch, so lange keine Suche in Gang kommt.
Um zu ergründen, ob sich eine Annahme der Realität (oder Wahrheit) nähert oder nicht, muss ich zumindest einige funktionale Fragen stelle wie:
Verhält sich die Sache unter der Prämisse meiner Beobachtung wirklich so wie ich annehme, oder ist das nur ein unter vielen möglichen Freiheitsgraden denkbarer Zustand?
Wenn ich der Meinung bin, es ist immer so, was ist dann der logische Schluss - wie wirkt sich das Ganze aus?
Wenn ich diese oder jene Auswirkung miteinbeziehe, wie kann dann das Ergebnis aussehen?
Gibt es auch andere Möglichkeiten der Betrachtung, die mit meiner These nichts zu tun haben?
Muss ich auf Grund dieser Möglichkeiten meine Annahme überdenken?
etc.pp…

Also ist philosophisches Denken für mich der Zwischenraum zwischen These und Ergebnis.
*********ke32 Mann
64 Beiträge
Dann muss sie halt in Gang kommen...
ich glaube heutzutage steht man oft vor dem Problem, dass Philosophie inzwischen Schulen angehört und der Akademie. Sie ist nicht unbedingt auf den Straßen und sie diskutiert meist nur herum, ohne Lebenserfahrung oder wirkliche Forschungsarbeit zu haben. Oftmals kreist die Philosophie nur um die Werke ihrer eigenen Geschichte herum, statt kreativ zu sein, neues zu schaffen, über sich hinaus zu gehen. Dies ist dann auch zwangsläufig der Unterschied zwischen Deleuze und Badiou.

Deleuze hat etwas geschaffen, was über sich selbst hinausgeht und andere Felder berührt. Badiou verschränkt sich auf ein Werk, das nach den üblichen Fächern sortiert ist. Nach [/Theorie des Subjektsi] was ein geniales Werk ist, folgte eine Ontologie [/Sein und Ereignisi] , eine Phänemenologie und ein Buch über Ethik. Und alles, was er schreibt ist seiner Ontologie angepasst. Es ist so verdammt formalistisch und auch eine Art Gehirnwäsche, die er betreibt, wenn er den Paulusbrief zum Beispiel so interpretiert wie ihn beliebt, ohne ihn tatsächlich zu analysieren. Aber dann wiederum tendieren inzwischen viele Philosophen, die sich links nennen, dazu zu Christus als Frühform des Sozialismus zurückzukehren. Zizek zum Beispiel aber auch die Künstlerin Brigitte Maria Mayer.

Wenn sich dieses Denken nur um dieses Denken dreht, ist es nach innen gekehrt ohne jemals in die Welt hinaus zu gehen. Wie Gilles Deleuze mal erzählte, waren die schmeichelhaftesten zwei Brief, die er zu [/Leibniz und die Faltei] bekommen hatte keine Briefe von Akademikern, sondern von einer Gruppe aus Buchbindern und einem Surferverein, die das Buch lasen und sagten: das ist ja genau das, was wir machen!

So etwas finde ich von daher absolut genial. Aber dieser verschränkte Elfenbeinturm, der meint, Denken allein kann Denken befreien. Dabei muss doch das Denken eine Richtung gehen! Es muss sich doch zwangsläufig infizieren lassen vom Leben!
@pue
Du hast mit diesem Nadelargument völlig Recht. Es zeigt, wie schwer es ist etwas genau zu bestimmen, wenn man nur aus einer 'engen' Perspektive denkt. Ich bin kein Biologe. Die könnten einen Baum so definieren:

"Als Baum wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine verholzte Pflanze verstanden, die aus einer Wurzel, einem daraus emporsteigenden, hochgewachsenen Stamm und einer belaubten Krone besteht..."

Quelle: wikipedia

(Anmerkung: Hier ist also das saftige Blatt einer Palme Laub...)

Die Grenzen sind zwischen ähnlichen Gebilden oft schwierig zu ziehen. Aber man verwechselt nicht Baum und Haus. Oder gibt es doch wenigstens einen Fall? Ein Holzhaus aus frisch gesägten Baumstämmen z.B., die senkrecht nach oben verbaut sind und – zumindest aus der Ferne - einen mehrstämmigen Baum assoziieren...? Man muß also an die Dinge nahe genug ran gehen und genau sein. Klar ist der Unterschied zwischen Baum und Wolke.

Die Dinge sind bestimmt und haben Grenzen. Dabei spielen die Worte (Zeichenfolgen) keine Rolle, denn ein Baum heißt in jeder Sprache anders (wirklich in jeder... ? … ich weiß es nicht genau, ich bin kein Linguist).

Die von uns geschaffenen Dinge sind besonders leicht zu unterscheiden. Autos unterscheiden sich deutlich von den Bäumen. Hier entstand der Gegenstand, nachdem der Begriff (schon) da war... Alles war erst getrennt. Kotflügel, Tür und wurde danach zum Auto gefügt.

Der Begriff Erfindung wird von dir privat für eine Tätigkeit des Begriffsbildens verwendet. Nichts dagegen... Bei mir sind die Begriffe im Bilde, sie werden gebildet... Sie sind teile von Gedanken. Diese sind begrenzt und bilden eine Einheit von Inhalten. Das Auto wurde dagegen ERFUNDEN - als Gegenstand. Hier stimme ich zu.

Das ist aber nicht das zentrale Problem der Philosophie, wie ich es sehe. Hier ist das Problem vor allem die Begriffsbestimmung für allgemeine (abstrakte) Begriffe wie Freiheit, Sein, Wahrheit, Glück usw. usf.

Dennoch gibt es hier viele Versuche und allein dieses Versuchen ist ein Prozess innerhalb der Philosophie. Ich sehe hier auch Ergebnisse (siehe auch Wittgenstein: „Über Gewissheit“).

Aristoteles, als erster der großen Philosophen, hatte beim philosophieren versucht etwas sprachlich fest zu bestimmen und kam so auf die Logik. Sie ist heute nicht nur Grundlage unserer Computertechnik, sondern auch die anderer Bereiche, wie Politik („ausspionieren“...), Militär (“Drohnen“) oder Globalisierung (Wirtschaft).

Logik, Mathematik und Physik sind Bereiche mit scharfen begrifflichen Bestimmungen (absteigend).
**e Mann
2.564 Beiträge
Oftmals kreist die Philosophie nur um die Werke ihrer eigenen Geschichte herum, statt kreativ zu sein, neues zu schaffen, über sich hinaus zu gehen.

Dagegen kommen wir hier eher von der Straße. Und das gefällt mir ganz gut. Oft diskutieren wir einen Begriff und fangen ganz unbeholfen an, suchen Beispiele aus der Praxis, versuchen zu sortieren, zu analysieren und zu definieren und stellen später fest, dass das alles schon irgend ein Philosoph mal gesagt hat. So jedenfalls geht es mir.

Und mir gefällt es besser, als erst die "große" Literatur zu bemühen, um dann die verschiedenen Sichtweisen gegenüber zu stellen. Das darf ruhig später kommen.

So gehen wir sicher oft naiv und jungfräulich in unsere Diskussionen. Es sichert uns aber eine Unvoreingenommenheit, derer wir anders verloren gingen.

Im Wahrheitsthread habe ich gerade einen Link zu einem Beitrag gepostet, der sich mit Heinz von Förster befasst. Bestimmt keiner aus dem Elfenbeinturm. Sehr erfrischend.

Logik, Mathematik und Physik sind Bereiche mit scharfen begrifflichen Bestimmungen (absteigend).

Genau. es sind die Wissenschaften, wo wir Wahrheit ausmachen können (auch absteigend). Der oben genannte Heinz von Förster hat auf den Sprachunterschied von "Wahrheit" in Deutsch und Englisch hin gewiesen. Wahrheit kommt von Veritas (Wahrheit, Wirklichkeit), Truth dagegen hat seine gemeinsamen Wurzeln in Treue. Ihm gefiel der englische Begriff sehr viel besser, denn die Wahrheit sei das, worauf er sich verlassen könne, das, was miteinander vereinbart wurde.
Selbstbeschäftigung der Philosophie
Genau. Die Philosophie beschäftigt sich zu einem großen Teil mit sich selbst und mit von ihr selbst formulierten Problemen. Diese entstammen nicht den Problemen der Welt (gemeint sind allgemeine Probleme und keine Tagesprobleme).

Von Russel gibt es ein Buch mit dem Titel "Probleme der Philosophie" (welches aber zugleich eine gute Einführung in die Philosophie ist). Carnap schreibt ein Buch "Scheinprobleme der Philosophie...".

Er ist es auch, der sich hier in besonders deutlicher Weise mit dem Problem sinnloser Sätze in der Philosophie befasst. Dazu hat er sich auf Heidegger bezogen. Dieser hat in seinem Buch (Hauptwerk) "Sein und Zeit" reichlich viele davon produziert (geschaffen).

Das Problem wird durch die Sprache erzeugt. Heidegger treibt es soweit, eine eigene künstliche (private) Sprache zu entwickeln. Dabei entstehen dann unverständlichen Neologismen und rätselhaften Ausdrücke wie die vom Nichten des Nichts u.a.
**e Mann
2.564 Beiträge
Die Philosophie beschäftigt sich zu einem großen Teil mit sich selbst und mit von ihr selbst formulierten Problemen. Diese entstammen nicht den Problemen der Welt

Das sehe ich anders. Selbst zu tagespolitischen Themen gibt es immer auch die Stimme des einen oder anderen Philosophen. Das ist sicher nicht die vordringlichste Sache der Philosophie, dennoch wünschte ich mir auch heute noch mehr der aktiven Einmischung durch sie.
Die Philosophie muss, um ihrer Sache gerecht zu werden, in sehr viel größeren Rahmen denken, den Überblick behalten. So ist es ihre Aufgabe, fachbereichsübergreifend Lösungen unserer Probleme anzubieten, die eben aus einer gewissen Übersicht heraus entstanden sind.

Nehmen wir die Menschenwürde, die wir gerade diskutierten. Wenn ich mich nicht falsch erinnere, ist die Objektformel indirekt der Kant'schen Philosophie entsprungen ist und wird heute vor dem Bundesverfassungsgericht benutzt, um Menschenwürde zu definieren. Kant wurde 1804 geboren!

Ohne einen philosophischen Unterbau ständen wir z.B. in den verschiedenen Ethikdiskussionen dumm da. Ist die Philosophie auf der Höhe der Zeit, dann steuert sie immer früher oder später entscheidende Hinweise zu Problemlösungen bei. Das geschieht nur nicht so laut, wie es in tagespolitischen Diskussionen geschieht.

Schauen wir die Kybernetik an, sie ist ganz entscheidend und von praktischer Bedeutung bei der Einsicht in komplexe Systeme. Die Idee der Wurzelgeflechte von Deleuze und Guattari ist ein philosophischer Ansatz, Systeme zu verstehen, in denen wir uns heute, kurz nach deren Tod in den 90ern, wie selbstverständlich bewegen.

Ich glaube, dass viele der zeitgenössischen philosophischen Gedanken noch gar nicht in der Alltagswelt angekommen sind. Sie sind ihrer Zeit noch voraus. Wir erarbeiten uns ja gerade erst die Errungenschaften des Konstruktivismus und lernen, mit dessen Erkenntnissen die Welt zu sehen.

Hätte sich die Philosophie in ihrem vermeintlichen Elfenbeinturm von den Problemen der Menschheit weg entwickelt, lebte sie in ihren Theorien ein einsames selbstbefriedigendes Dasein, dann könnte ich die Kritik verstehen. Ich meine, Philosophie ist hautnah bei unseren Problemen und mitunter schon zwei Schritte weiter.

Was fehlt, ist die Schnittstelle, sind Räte und Gremien, die der Politik angegliedert sind und deren Vorschläge in die Politik einfließen. Politik reagiert kurzfristig und natürlich muss sie das auch. Aber gerade deshalb braucht sie den Rat der Weisen. Wenn man sich die Räte der Politiker, die schon ein paar Jahre in Rente sind, anhört, dann strömen diese oft eine wohltuende Weisheit aus. Und das, gleich welcher Couleur sie sind. Sie haben Abstand und sind dennoch hoch motiviert, das politische Geschäft weiter zu verfolgen. Eine solche Rolle können auch Philosophen übernehmen.

Die Philosophie ist von der Tagespolitik weit weniger entfernt als die Tagespolitik von der Philosophie.
*****one Frau
13.323 Beiträge
@pue
Nachträglich meine Zustimmung zu diesem tollen Beitrag! Hätte ich doch fast etwas gutes übersehen...

Das Gute. Schon bei Platon formuliert und später ausgeformt... ; ausgebacken - verzehrt, verspeist, wieder ausgeschieden...?

Anmerkung:

Der Themensteller teilt dabei nicht in allem die Ansichten des Autors.
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