Lippenbekenntnisse
genau.
ich finde es verstörend, mal erschreckend, mal nur bizarr, mal abstoßend, wie bereitwillig sich so viele unter diesen manna-brunnen stellen, der uns allen die möglichkeit gibt, endlich stellung zu beziehen. jeder, der bislang, eben: noch nicht mal den namen der zeitschrift kannte, sich kaum die laune hat von den totenzahlen irgendwo in den abendnachrichten betrüben lassen, kaum sich noch rührte, wenn an entfernten staatsgrenzen kapitale verbrechen an der menschenwürde nagten ..., wie jene also sich nun mit der plötzlich infizierten zeigefingerwunde emporrecken. wie sie nun die werte des urmenschlichen, folgefranzösichen dreiklangs nachbeten, als hätten sie sie aus dem rosarium inwendig wegdigeriert ..., wie leicht es ist,
dort zu sein, wo man zur rechten stunde zu sein hat. zur falschen zeit befanden sich die in der redaktion befindlichen journalisten, die haben für uns stellvertretend die spruchbanner hochgehalten. ich finde es ok, dass wir ihnen nun im nachhinein respekt zollen, sie würdigen und uns bedanken.
dennoch, wie leicht es ist!
das zu den verhältnissen, von denen hier einige schreiben, zu recht: sie sind asymmetrisch, die balken dieser betroffenheitsbühne. es ist sehr viel raum für willige statisten, für die lichtmaschine entstanden. und dort sonnen sich nun alle, die bis eben noch keine stellungnahme abgegeben hatten und nun endlich die möglichkeit ergreifen.
ich bin nicht charlie.
ich habe mich bis vor ein paar tagen einen teufel um die nachrichten geschert und hatte am donnerstag plötzlich pippi in den augen (pippi darf ich doch sagen?) ... und dabei wurde mir selbst vor mir selbst bang, und ich dachte:
du blöde nuss, jetzt! raffst du es auch, dass es brennt.
ich bin nicht charlie. ich habe in den vergangenen Xx12 monaten nicht einen deut meine existenz wissend riskiert, indem ich meine meinung leuten gesagt habe, von denen ich annehmen musste, dass sie mich daraufhin töten.
ich habe nichts von dem getan, was diese menschen taten,
das heißt,
ich bin nur deshalb charlie, weil ich auch aaahne, dass die bleistifte der redaktion die symbole für unsere moderne sind
UND
zugleich für die dem erdboden gleichgemachten towers
und mir das nungaarnicht in den kram passt,
weil ich ja europäerin bin, in der schule mich für den revolutionsdreiklang begeisterte und ich mir einbilde, teil der moderne zu sein.
mir ist diese pandemische betroffenheit suspekt. mit uns kann man das spiel machen, wir eingebildeten, aufgeblasenen abendländer. uns kriegt man so leicht auf die palme und auf die dünnbretter zwielichtiger illuminatensalons, wir ließen uns noch in kriege hineinmanövrieren, vor lauter überlauter posthumer ergriffenheit und medialer gasblase!
mehr noch, mir macht sie angst, diese heilscheindende ick-war-ooch-dabei-bewappnung. ich wünschte mir, wir würden nachprüfen, wie manipulierbar und verzärtelt wir sind und wie leicht man uns einpferchen kann, so man weiß, wie es geht.
und das wissen immer mehr.