@**e
Ich stimme dir zu, dass das eine Leid nicht mit dem anderen aufzuweisen ist. Doch der Aufschrei bei Attentaten der "westlichen" Welt und das Desinteresse an Ereignisse jenseits davon, trägt für mich den Keim des Übels, was die Welt derzeit zerreißt.
Sich mit jenen (uns genauso unbekannten) Menschen zu identizifieren, die zufällig (überwiegend) weiß sind und im Medienrampenlicht präsentiert werden, wiederholt für mich die Trennung in wir/sie. Sie erschafft ein "Wir" dem ich nicht zustimme. Die öffentlich inszenierte Trauer im einen und das Desinteresse im anderen Fall ist eine Anerkenunng im einen Fall, ein Mitfühlen, eine Wertschätzung der ein Desinteresse, eine Missachtung, eine Gleichgültigkeit im anderen Fall gegenübersteht.
Die erste Welt kreist um sich selbst.
Ja und nein. Das Reiseverhalten sehe ich kaum als ursächlich oder ich übersehe da was. Das Konsumverhalten auch nur indirekt.
Für mich ist die kapitalistische Ausbeutung und Zerstörung eines Großteils der Welt und die Akkumulierung des daraus resultierenden Wohlstands in einer Weltregion Treibstoff für viele Konflikte. Religiöser Radikalismus erhält, als einzige derzeit wirklich wirkungsvolle Opposition gegen dieses System, Nahrung aus Armuts-, Benachteiligungs- und Zerstörungserfahrungen.
Das kapitalistische System ist jedoch vollkommen auf Konsumentscheidungen angewiesen, d.h. die Akkumulation von Wohlstand und die Ausplünderung anderer Weltgegenden samt Armuts und Umweltzerstörung hängen ursächlich zusammen. Sie hängen auch direkt zusammen:
Wenn du ein T-Shirt mit "je suis Charlie" kaufst, dass 3 Wochen vorher von einer ausgebeuteten Näherin in Bangladesh genäht wurde, was hast du damit ausgesagt? Bist du nicht dafür mit verantwortlich, weil zwei Zwischenhändler existieren? (Das Beispiel ist in Anspielung auf eine Karikatur aus der akuellen Ausgabe von Chalire Hebdo.)
Ähnliches gilt für die Umweltzerstörungen und Reiseverhalten. Ich schreibe das jetzt immer mit rein, weil offenbar immer noch die meisten Leute nicht wissen, wie sehr Flugreisen die Umwelt verschmutzen. Ich kenne nicht wenige Leute, die sich für Umweltfreunde halten, aber ihre zwei Flugreisen im Jahr in den Urlaub fliegen und denken Müll trennen und Licht ausmachen würde dazu irgendwie im Verhältnis stehen.
Für mich wird zu oft übersehen, dass die radikal-islamische Opposition, als einzig "wirksame" Opposition gegen unsere Lebensweise mehr umfasst als nur Freiheit. Ich finde es auch ziemlich unpassend von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Solidarität zu reden.
Denn mit unserer Lebensweise lassen wir es gerade vermissen uns um die Freiheit, Gleichheit oder Solidarität von/mit Anderen zu kümmern. Wir profitieren von einer Form des Wirtschaftens, die darauf aufbaut, dass in anderen Weltgegenden keine Freiheit oder Gleichheit besteht. Der Verweis auf das Konsum- und Reiseverhalten hat auch hier seinen Platz, weil wir (vielfach unreflektiert) ein Leben leben, dass wir niemals allen Menschen gönnen könnten.
Da wären nicht nur die Ressourcen binnen 10 Jahren erschöpft, die gesamte Welt wäre bald verwüstet.
In diesem Sinne führt "je suis Charlie" (außerhalb von Frankreichs Laizisten) in die Irre, weil es auf ein "Wir" rekurriert, dass so besser nicht existieren sollte. Das Charlie Hebdo eine atheistische Zeitung war, geht dabei völlig unter. Sie werden zu einem Symbol, was sie selbst wohl nicht sein wollten. (Ich erinnere nur daran, dass beim Trauermarsch Leute in der ersten Politikerreihe standen, die selbst streng religiöse und der Meinungsfreiheit abgeneigte Menschen sind).
Ich bin bei jedem der "je suis Charlie" sagt und Laizismus und Religionskritik voranbringen will. Jenseits davon fängt für mich eine Instrumentalisierung an, die ich ablehne.