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ethischer Kapitalismus

*****eit:
Daran kausal anknüpfend, ... wäre das Prinzip des "single-Daseins" dann nicht auch Asket oder egozentriker?

Uns geht die Vorstellung abhanden, das es auch anders sein kann. als Gebundener weiß man noch wie es war ungebunden zu sein. Man hat eine Vorstellung davon. Und diese Erfahrung des gebunden seins ist umso intensiver, umso unumkehrbarer diese Bindung ist. Dies galt früher sowohl für Ehe als auch für Kinder.

In einer Single-Gesellschaft geht nach und nach die Vorstellung des für-immer-gebunden-seins verloren. Dies ist dann umso problematischer, um so mehr dieses ungebunden sein wollens in der Wirtschaft und auch in gesellschaftlichen Fragen wiederfindet.
Ich habe fast den Eindruck, das passiert gerade (unbewusst) beim Klimaschutz. Wir machen mit klimaschädigenden Prozessen weiter bis irgendwann mal richtig was passiert (Golfstrom hört auf zu fließen wegen Übersüßung des Wassers). Ich habe fast das Gefühl, der Mensch realisiert dann was wirklich abgeht und sucht dann nach einer Stelle, wo er zum Klima sagen kann: "Ups, sorry, war nicht so gemeint. Hab dich mal nicht so, ich gebe mir in Zukunft Mühe das es besser läuft... und jetzt alles auf Anfang, lass uns noch mal von vorne anfangen....."
Auch die Illusion, das man sich so mir nichts, dir nichts, einfach lösen kann wird gesellschaftlich ein Problem. Ist es ja auch schon, wenn man sich die Geburtenzahlen so anschaut.
Ich finde die Vorstellung absurd, das wir unsere Vorstellungen von nachhaltiger Wirtschaft mal so eben ohne Probleme etablieren können. Diese Illusion ist aber da, und sorgt dafür, das wir erstmal seelenruhig so weitermachen wie bisher. "Den Tross der Klimaschädigung aufzuhalten können wir ja immer noch wenn es akut werden sollte." Das dieser Tross wegen seiner tiefen Verwurzelung in unsere Psyche eine riesige Trägheit hat und gar nicht so leicht zum Stehen zu bringen ist, verkennt ein Großteil der Gesellschaft.
Wenn es akut wird können wir den Tross nicht spontan mal eben so zum Anhalten bringen ohne einen temporären Ausflug in die Steinzeit zu unternehmen.

Was aber das Schlimmste an dieser "Na dann nehme ich eben einen anderen Partner"-Mentalität ist: Die Vorstellung von Unwiederbringlichkeit geht uns verloren.
Das was wir mit dem Klima anstellen hat Auswirkungen- Die Verluste durch Schäden sind unwiederbringlich weg.
Ressourcen die verbraten sind - sind unwiederbringlich fort.
Ein verkorkstes Leben in Afrika voller Existenzängste und Hunger- Die Jahre sind fort- unwiederbringlich.
Lebewesen die Sterben sind unwiederbringlich tot - ohne Comeback nach 20 Jahren, auch beim Tod durch eine Tellermine.
Etwas, was wir zerstören wird nie wieder so sein wie früher- unwiederbringlich weg.

Es wird Zeit den Tross anzuhalten um nicht noch mehr unwiederbringlich zu vernichten.
Wir müssen umdenken, auch was unsere Art zu Leben anbelangt. Unser Selbstverständnis, und unser Verständnis eines erfüllten Lebens müssen sich grundlegend wandeln.

25% der Welbevölkerung verbraten 75% der Ressourcen auf der Erde. Mit welchem kapitalistischen Marktmodell soll das wieder ins Lot kommen? Und warum soll ein kapitalistisches Wirtschaftssystem Interesse an Gerechtigkeit (damit ist nicht das Recht gemeint....) haben? Wir kommen nicht umhin, wollen wir wirklich ethisch und gerecht handeln, uns selbst zu enteignen. So das 25% der Weltbevölkerung auch nur 25% der Ressourcen verbrauchen.
Aber wer will das schon.....

So ich bin jetzt höllisch müde und gehe schlafen.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Ehrlich gesagt...
... geht mir das ständige Gejammer darüber, was wir zur Zeit machen, anders machen sollten, wieder machen oder unterlassen müssten und auch das Diskutieren über ein Phänomen wie den "Kapitalismus", den wir als Boden des Übels längst ausgemacht haben und mit mehr- oder weniger großen Schattierungen im Grunde alle ähnlich sehen (und dem wir vor allem alle ähnlich sind, weil internalisiert!), gehörig auf den Senkel.

Was nützen die Tiraden, wenn sie nur dazu führen, dass wir, nachdem wir alles durchanalysiert haben, in schöner Einigkeit resigniert verstummen?

Wo wären denn die Hebel, die wir JETZT ansetzen müssten und auch könnten, um den Karren doch wieder in eine Spur zu lenken, dass es für alle erträglicher weiter gehen kann, auch wenn wir (noch) nicht in der Lage sind, das kapitalistische Weltbild zu kippen?
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Dank an Mazita für die klare Stellungnahme.
Wo wären denn die Hebel, die wir JETZT ansetzen müssten und auch könnten,

Ganz einfach, pragmatisch und allgemein :
BEI UNS SELBST UND DURCH VERZICHT!

Was die kapitalistische Spirale betrifft, wird man sich mit dieser Aussage der Lächerlichkeit preisgeben, weil der Aufruf schon an der nächsten Frage 'wer fängt damit an?' scheitert .

Deshalb gibt's aber noch ein metaphysisches Trostpflaster obendrauf:
'solange ich mit meiner individuellen Ethik beweise, daß es sinnlos ist die Ökologie und die Natur zu Personifizieren und in ein gegeneinander aufrechenbares Verhältnis bringe, brauche ich mich nicht gleich selbst umzubringen'
*grins*
****ta:
Wo wären denn die Hebel, die wir JETZT ansetzen müssten und auch könnten, um den Karren doch wieder in eine Spur zu lenken, dass es für alle erträglicher weiter gehen kann, auch wenn wir (noch) nicht in der Lage sind, das kapitalistische Weltbild zu kippen?
BGE z.Bsp.

****e_H:
Ganz einfach, pragmatisch und allgemein :
BEI UNS SELBST UND DURCH VERZICHT!

Was die kapitalistische Spirale betrifft, wird man sich mit dieser Aussage der Lächerlichkeit preisgeben, weil der Aufruf schon an der nächsten Frage 'wer fängt damit an?' scheitert .

Das sehe ich auch so. Das dauert Jahrzehnte. Und es fängt mit dem Geständnis an, etwas falsch gemacht, falsch gedacht zu haben. Schon allein da hängt es sich auf. Wie gesagt: der Tross ist träge.....
*******z_st Mann
785 Beiträge
****ta:
...auch das Diskutieren über ein Phänomen wie den "Kapitalismus", den wir als Boden des Übels längst ausgemacht haben und mit mehr- oder weniger großen Schattierungen im Grunde alle ähnlich sehen...

nicht alle.


****ta:
...und dem wir vor allem alle ähnlich sind, weil internalisiert!


nicht weil internalisiert, sondern weil es in der natur des menschen liegt. kapitalismus ist keine ideologie, kein aufgestülptes wertesystem. kapitalismus ist einfach nur marktwirtschaft. also das was automatisch entsteht, wenn man menschen in ruhe lässt, sie produktiv tätig sein können, ... auf das wesentliche reduziert ist es nichts weiter als freie vereinbarungen zwischen menschen.


****ta:
...auch wenn wir (noch) nicht in der Lage sind, das kapitalistische Weltbild zu kippen?

nun, erstens wollen das gar nicht alle. zeige mir irgendwo ein kapitalistisches land, und ich würde auf der stelle hinziehen. zweitens kannst du es gar nicht, da menschen immer zur markwirtschaft tendieren. selbst unter den stärksten zwängen, verboten und 24h kontrolle. ein gutes beispiel sind gefängnisse oder der schwarzmarkt in sozialistischen ländern.


****ta:
..Wo wären denn die Hebel, die wir JETZT ansetzen müssten und auch könnten, um den Karren doch wieder in eine Spur zu lenken...

das hatten wir schon in einem andern thread. ...die lösung liegt m.e. immer nur im kopf jedes einzelnen individuums. lebe dein leben nach deinen werten. du hast nur eins.
****ta Frau
2.135 Beiträge
schön, @emergenz...
... dass Du zum Thema jetzt Deine Interpretation des Begriffs beigetragen hast.

kapitalismus ist einfach nur marktwirtschaft


Im Gegensatz zu Dir glaube ich aber, dass wir durchsetzt sind von kapitalistischem Denken Du lieferst doch selbst das Argument dafür: Selbst Menschen, die man weg sperrt, wirtschaften auch noch unter widrigen Bedingungen.

Ich glaube nicht, dass das Handeln in der Natur des Menschen liegt. Eher das Tauschen. Und im Grunde bevorzugt der Mensch leicht Zugängliches, das er mit wenig Mühe finden kann. Das Initial zum Handeln ist doch eher das Produkt eines Mangels, den er beheben möchte, weil er manches, das er begehrt, anders nicht bekommen kann.

Hier genau ist der Punkt, wo die Sache anfängt, sich zu verselbstständigen und eine Eigendynamik zu entwickeln.
Das Handeln gepaart mit der Gier (-von der ich glaube, dass sie viel eher in der Natur des Menschen liegt) gebiert die pervertierte Maske, die wir mit dem Wort 'Kapitalismus`negativ belegen.

Meine Frage nach den Hebeln, die angesetzt werden könnten, um einen Umschwung einzuleiten war eher rethorischer Natur.
Deine Antwort
...die lösung liegt m.e. immer nur im kopf jedes einzelnen individuums. lebe dein leben nach deinen werten. du hast nur eins.
ist eines Gurus würdig.
Dennoch hast Du recht.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Logik der Sekte(n):
Wenn man jemanden für einen Guru hält,(im positiven Sinne), dann ist es wohl so, daß dieser im Moment die richtigsten Antworten auf die eigenen Fragen gibt.
*g*

Die Antwort:
...die lösung liegt m.e. immer nur im kopf jedes einzelnen individuums. lebe dein leben nach deinen werten. du hast nur eins.

gilt übrigens auch als Definition von Ethik.
*******z_st Mann
785 Beiträge
****ta:
Im Gegensatz zu Dir glaube ich aber, dass wir durchsetzt sind von kapitalistischem Denken...

das glaube ich auch.


****ta:
Ich glaube nicht, dass das Handeln in der Natur des Menschen liegt. Eher das Tauschen.

handel und tauschen sind für mich das selbe.


****ta:
Und im Grunde bevorzugt der Mensch leicht Zugängliches, das er mit wenig Mühe finden kann. Das Initial zum Handeln ist doch eher das Produkt eines Mangels, den er beheben möchte, weil er manches, das er begehrt, anders nicht bekommen kann.

korrekt. es liegt in der natur des menschen, seine bedürfnisse zu befriedigen und dafür wählt er in der regel den leichtesten und effektivsten weg. statt meine kleidung selbst zu weben und zu nähen, was mir wenig freude bereiten würde, kaufe ich sie halt bei jemandem, der sie besser herstellen kann als ich und habe somit zeit gewonnen für andere dinge.
hier kann es eventuell lohnenswert sein sich einmal mit der praxeologie (theorie des menschlichen handelns) zu beschäftigen. nahezu alle grossen geister die ich schätze haben sich damit auseinandergesetzt und ihre arbeiten darauf aufgebaut. ich persönlich bin mit ihr noch nicht ganz warm geworden, da ich die grundthese der praxeologie, nämlich das der mensch immer zielgerichtet handelt, nicht ganz nachvollziehen kann. spätestens wenn ich frauen beim schuhe kaufen beobachte *zwinker*


****ta:
Das Handeln gepaart mit der Gier (-von der ich glaube, dass sie viel eher in der Natur des Menschen liegt) gebiert die pervertierte Maske, die wir mit dem Wort 'Kapitalismus`negativ belegen.

nun, ich weiss nicht wer "wir" ist. ich gehöre nicht dazu (für mich ist kapitalismus ein neutrum) und kenne auch eine menge leute die dies ebenfalls nicht tun. aber es gibt einige gute bücher die aufzeigen wann, warum und von wem kapitalismus als negativ-begriff installiert wurde und aus welchen gründen ...bis hin zur bewussten umkehrung des begriffs à la orwellschen neusprechs. was ja auch super funktioniert hat.
und was die gier betrifft, die gehört m.e. (mit unterschiedlichen ausprägungen) ebenfalls zur natur des menschen. man wird sie nicht ausmerzen können.


****ta:
Meine Frage nach den Hebeln, die angesetzt werden könnten, um einen Umschwung einzuleiten war eher rethorischer Natur.

achso. das war für mich nicht ersichtlich *g*
*****enz:
lebe dein leben nach deinen werten. du hast nur eins.

Das ist nett gedacht, klingt für ein Individuum auch ganz nett... Nur in der Gruppe mit breit gestreuten Werten und Ansichten, die sich dazu noch oft genug in die Quere kommen (Stichwort Ruhestörung....) kann ich mein Leben nicht nur nach meinen Werten ausrichten.
Wenn es friedlich bleiben soll muss es einen Kontext zwischen meinem Werten und den Werten der Menschen in meinem Umfeld geben.

Letztenendes führt es auf eine Frage hin. Was ist richtig?

Die Gruppe ist eine Ansammlung von Individuen.

oder

Das Individuum ist ein Teil der Gruppe.



Wo liegt das Primat, auf Individualität oder auf der Identität der Gruppe?
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Wo liegt das Primat, auf Individualität oder auf der Identität der Gruppe?

Das ist beim Menschen wegen seiner relativ kurzen Anwesenheit auf der Weltbühne noch nicht eindeutig geklärt.
Wenn man aber nur die einfachen Bedingungen für das Leben zu Grunde legt, tendiere ich eindeutig zum Primat des Individuums.
*******z_st Mann
785 Beiträge
********8209:
Wenn es friedlich bleiben soll muss es einen Kontext zwischen meinem Werten und den Werten der Menschen in meinem Umfeld geben.

absolut korrekt.


********8209:
Letztenendes führt es auf eine Frage hin. Was ist richtig?

nein. m.e. läuft es letzten endes darauf hinaus wie mit konflikten umgegangen wird ...denn diese wird es immer geben da werte und interessen nie identisch sind.
und genau an dieser stelle setzt die einzig mögliche lösung auf die immer wiederkehrende frage "was können wir den tun um etwas zu verändern" an. an dieser stelle kann jeder hervorragend sehr viel tun. jeden tag in der praxis, in seinem persönlichen umfeld.
****e_H:
Wenn man aber nur die einfachen Bedingungen für das Leben zu Grunde legt, tendiere ich eindeutig zum Primat des Individuums.

Dann stellt sich die Frage: welchen Individuums? Wer hat "Vorfahrt"? In welchem Fall?



Das Problem mit der Gier ist, das sie in einem reinen Kapitalismus eine perfekte Plattform bekommt. Der Mensch erhält eine Freiheit nie gekannten Ausmaßes, seine Gier allerdings auch. Ich gebe dabei zu bedenken, das die Gesellschaft nicht aus lauter Kopien von emergenz, uncle, mazita oder auch mir bestehen. Es wird auch jene geben, die immernoch nicht genug haben, obwohl sie bereits genug haben. Es wird diejenige geben, die Kapital dazu nutzen werden Machtpositionen aufzubauen, wer will sie daran hindern? Wenn man sie daran hindern würde (müssen), wäre das System dann noch das, welches man ursprünglich wollte?Würden wir dann nicht um das System vor der Gier weniger zu retten letztendlich da landen, wo wir jetzt auch schon sind (regulierter Markt)?
Eine große Kritik an den Theorien der Marktwirtschaft ist, das sie davon ausgehen, das jeder am Markt ein gleichberechtigter Teilnehmer ist, mit gleichen Möglichkeiten. Aber das ist nicht real. Wenn jemand 65 Millarden Euro besitzt, hat er auf dem Markt eine ganz andere Position. Nutzt er diese erbarmungslos aus (mit Knebelverträgen z.Bsp), findet er noch weitere ebenso betuchte "Mitspieler" und macht mit ihnen gemeinsame Sache sind sie in der Lage, diese Marktwirtschaft Stück für Stück in Richtung Neolehnsherrenschaft zu verändern. Wenn diese Entwicklung einsetzt, was willst du tun? Vor dem Werktor demonstrieren?

Mit einer Marktwirtschaft, in der alle über die gleichen Möglichkeiten verfügen hätte ich keine Probleme. Auch Kapital ist was feines, wenn es nicht zum Machtmittel pervertiert wird. Doch genau das wird nicht verhindert werden können. Wir können es ja nicht mal heute.....
*******z_st Mann
785 Beiträge
********8209:
Würden wir dann nicht um das System vor der Gier weniger zu retten letztendlich da landen, wo wir jetzt auch schon sind (regulierter Markt)?

nein. regulierte märkte fördern exakt das was du befürchtest, nämlich dass monopole entstehen. um märkte zu regulieren, bedarf es immer einer "übergeordneten instanz" mit gewaltmonopol, beispielsweise des staates. sobald es solch eine instanz gibt, werden diejenigen, die monopole anstreben immer versuchen einfluss auf diese instanz zu nehmen bzw. diese unter ihre kontrolle zu bekommen. nahezu alle monopole die wir heute vorfinden sind aufgrund staatlicher intervention entstanden und nur selten aus freiem wettbewerb. kein unternehmen kann menschen zwingen seine produkte oder dienstleistungen zu kaufen. das kann nur der staat per gesetz und verordnungen. und das tut er auch.


********8209:
Eine große Kritik an den Theorien der Marktwirtschaft ist, das sie davon ausgehen, das jeder am Markt ein gleichberechtigter Teilnehmer ist, mit gleichen Möglichkeiten.

exakt das ist nicht der fall. mir ist kein ökonom von den vertretern der freien marktwirtschaft bekannt (menger, böhm, mieses, hayek, rothbard, hoppe, baader, hülsmann, polleit, taghizadegan, usw. ), der das so postuliert. gerade die unterschiedlichen möglichkeiten, ausgangsbedingungen, fähigkeiten, usw. sind die treibenden kräfte.
*******z_st Mann
785 Beiträge
haha... wie auf bestellung ist in dieser minute ein absolut passender podcast von reschke zum thema erschienen:


******yev Mann
392 Beiträge
Zwischenruf
Ich bin so ziemlich davon überzeugt, dass die scheinbar gegensätzlichen Fraktionen für mehr Staat bzw. mehr Markt nur prozessierende Widersprüche einer gleichbleibenden, "sich sowohl anerkennenden wie verkennenden" (K.M.) Totalität von Herrschaft und Verwertung sind. Die von Adam Smith propagierte "unsichtbare Hand" des Stoffwechsels zwischen Angebot und Nachfrage gerät in ihrer ewigen Konkurrenz und letztlichen Anarchie der Produktion notwendig in so schwere Krisen, dass die "sichtbare Hand" der staatlichen Marktregulierung auf den Plan treten und das Personal schön marktgerecht formatieren muss. Diese Formatierung erfolgt gerne auch mal in Gestalt einer zügigen Löschung überflüssiger Bevölkerung, wogegen nur mit sehr viel Glück das Erschrecken der anderen Marktteilnehmer schützt. Das Mitleid für einen prospektiven (weil billigeren) Konkurrenten aus Nord- oder Schwarzafrika, der verzweifelt gegen die geschlossenen Tore des europäischen Großsupermarktes anbrandet, hält sich selbst noch beim prekären, tendenziell nutzlosen Proleten in Grenzen, der innerhalb dieser Festung von der "sichtbaren Hand" auf Stütze, Lebensmittelkarten oder Sparpaket gesetzt worden ist. Ebenso geräuschlos sieht es aus bei all den selbstverständlichen Nutznießern der mit schierer Militärgewalt durchgesetzten kapitalistischen Bedingungen an den asiatischen Standorten von Textil- und Kleingeräteproduktion. Der westliche Kapitalismus besticht seine untere Menschenschicht und droht ihr zugleich mit den konsumierbaren Ergebnissen der rabiaten, menschenverheizenden Ausbeutung, die er seltsamerweise trotz jeglicher industrieller Entwicklung irgendwie doch nicht abzulegen vermag.

Früher gab es in jeder noch so glänzenden Stadt des Frühkapitalismus ganze Viertel, in denen unerbittlich das Elend aufrechterhalten wurde, das zur Herstellung des Reichtums der Wenigen im Licht nötig war. Heute dienen diese Viertel als Szenelocations. Die grauen Fabriken, die Blut, Schweiß und Tränen ganzer Arbeitergenerationen soffen, stehen nunmehr als Tanzflächen und Konzertsäle zur Verfügung. Denn nunmehr sind ganze Länder zur Gesamtfabrik des globalen Kapitalismus geworden. Wieviele Millionen oder Milliarden 14-Stunden-Tage beginnen morgen in China, Indonesien, Thailand, Indien, usw.? Wieviele Gewalttaten, Katastrophen, Gräuel stecken hinter jeder Kaffeetasse, jeder Schokoladentafel, jedem Pack Billigsocken, jedem iPhone? Macht es einen Unterschied, dass man in Indonesien um des schieren "kapitalistischen" Gewinns, in China unter der Knute der "sozialistischen" Regierung zwecks des ebengleichen Gewinns ausgebeutet wird? Wird China auch irgendwann einmal zur Tanzfläche? Ich frag' ja nur.
**e Mann
2.564 Beiträge
Ja, warum nicht?
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Wenn alle tanzen wollen, bleibt die Frage :
Wer bezahlt die Musik ?
******yev Mann
392 Beiträge
@uncle_H
Oscar Wilde hat es einmal so ausgedrückt, dass in allen Zivilisationen eine Menschenschicht versklavt oder ausgebeutet werden "musste", um die öden und unerfreulichen Arbeiten zu erledigen, so dass die Oberschicht freigestellt war, sich der Kunst, Literatur, Philosophie usw. zu widmen. Es sei nunmehr aber ein technisch so fortgeschrittenes Zeitalter eingetreten, dass sich die bewusste Versklavung der Maschinen anbiete, welche den allergrößten Teil der lästigen Pflichten übernehmen könnten. Den von Maschinen nicht zu leistenden Rest könne man relativ bequem aufteilen.

Dass dies nicht geschieht und ungezählte Millionen von Menschen vielmehr an Maschinen gekettet sind, die offenkundig nicht dazu da sind, ihr Leben zu verbessern, führt die Verrücktheit des Ganzen umso drastischer vor, als es rein technisch gesehen zumeist unnötig wäre. Doch da die unmittelbare Ausbeutung in bestimmten Segmenten der kapitalistischen Warenproduktion sich immer noch mehr auszahlt als die Automatisierung, werden weiterhin Massen unterbezahlter und unmündig gehaltener Menschen an primitiven, arbeitsintensiven und gefährlichen Geräten verheizt. Ihre Lage als quasi naturgegeben, als um des globalen volkswirtschaftlichen Gesamtwohls willen "leider" notwendig anzusehen, halte ich beim jetzigen Stand der Produktivität für absurd und sogar sehr verräterisch, was die Deformation unseres Bewusstseins unter diesen Bedingungen angeht. Das ist der eigentliche Skandal: Unsere fatalististische Unterwürfigkeit gegen Verhältnisse, die wir selbst geschaffen haben und weiterhin reproduzieren, als wären es unüberwindliche Naturgewalten.
******yev:
Dass dies nicht geschieht und ungezählte Millionen von Menschen vielmehr an Maschinen gekettet sind, die offenkundig nicht dazu da sind, ihr Leben zu verbessern, führt die Verrücktheit des Ganzen umso drastischer vor, als es rein technisch gesehen zumeist unnötig wäre.

Was damit zu tun hat, das der Arbeitslohn der Maschine der bekommt, dem die Maschine gehört, und nicht dem, der mit der Maschine ersetzt wurde....
Sicherlich kommt schnell der Einwurf: Jaaa, die Maschine muss doch aber auch gebaut werden und auch gewartet werden, das schafft doch aber auch Arbeitsplätze.
Das ist natürlich richtig, dennoch werden durch den Einsatz von Maschinen mehr Arbeitsplätze gestrichen als geschaffen. Wäre das nicht so, wäre der Bau und Unterhalt von Maschinen so teuer, das sie nicht kosteneffizienter ist als ein Mitarbeiter. Schließlich kenne ich keine Maschine die einen (!) Arbeitsplatz ersetzt und einen eigenen Wartungsmitarbeiter bekommt. Eine Maschine ist nur dann rentabel, wenn mehr Arbeitslohn eingespart wird, als an Materialkosten+Wartungskosten für Anschaffung und Erhalt der Maschine ausgegeben werden muss.
Insofern haben Maschinen uns keine Arbeit abgenommen sondern nur dafür gesorgt, das der Mensch sich neue Arbeit suchen musste.
**e Mann
2.564 Beiträge
Unsere fatalististische Unterwürfigkeit gegen Verhältnisse, die wir selbst geschaffen haben und weiterhin reproduzieren, als wären es unüberwindliche Naturgewalten.

Ich bin mir da nicht so ganz sicher, ob wir die Bedingungen selbst geschaffen haben. Die Frage wird wohl nie geklärt werden, ob wir bei anderer Vorgehensweise zu erheblich anderen Ergebnissen gekommen wären.

Wir wären wahrscheinlich genau so irgendwo zwischen Anarchismus, Sozialismus und Kapitalismus gelandet.

Die Frage bleibt auch, in welcher Form wir gegen die bestehenden Zustände überhaupt angehen können. Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten ist umgekehrt proportional zu den Erfolgsaussichten, die sie haben.

Ich sehe eine Lösung in der weiteren Globalisierung der Welt. Über kurz oder lang machen alle Völker und Staaten dieser Welt ihren Schritt in die Industrialisierung und meist mit ihr gekoppelt, die ersten Gehversuche in so genannten demokratischen Systemen.

Es ist die einzige Chance, globale Ungewichte abzubauen. Der Kapitalismus schafft das von ganz alleine, warten wir's ab.
Wenn die Globalisierung erreicht ist, wenn überall die Industrialisierung Eingang gefunden hat, was soll sich da ändern?

Ich habe gerade mehrere varianten durchgespielt, aber keine ändert das grundlegende Problem wirklich.

Je mehr Automatisierung wir haben umso höher wird die Arbeitslosigkeit. Einziger Ausweg: Es werden neue Produkte und Dienstleistungen geschaffen. Nur, je höher die Arbeitslosigkeit, umso niedriger fällt die Kaufkraft der Gesellschaft aus, und damit verbunden die Möglichkeit diese neuen Produkte und Dienstleistungen zu kaufen.

>>Neue Produkte/Dienstleistungen bringen nur dann etwas, wenn Andere diese Produkte durch vorhandene Kaufkraft kaufen können. Nun gibt es die Möglichkeiten, das die neuen Produkte so günstig im Preis sind, das diese von erschwinglich sind und gekauft werden. Das geht entweder über:
A) wieder über Automatisierung wo wir wieder am Anfang des Absatzes (ab: >>) wären und ein perpetuum mobile erschaffen.
B) indem die, die diese neuen Dienstleistungen/produkte herstellen für einen Dumpinglohn arbeiten damit die Kosten und damit der Preis für die Dienstleistungen/Produkte sinkt. Dadurch sinkt aber auch die Kaufkraft der Gesellschaft und wir erschaffen damit ein weiteres perpetuum mobile.-> >>
C) indem wir andere von "auswärts" diese Produkte für einen noch niedrigeren Lohn machen lassen. Nicht umsonst zieht gerade die Bekleidungsindustrie von Bangladesh nach z.Bsp. Kamerun um, weil die Löhne da noch niedriger sind. Doch das bedeutet für uns auf der Arbeitslosigkeit sitzen zu bleiben-> Wir haben uns etwas Zeit erkauft, fällt die Dritte Welt weg, ist das perpetuum mobile nach Variante A oder B unausweichlich.

Für unsere Wirtschaft ist eine dritte Welt alternativlos. Ohne sie wäre unser Wirtschaftssystem unmittelbar vom Kollaps betroffen. Wir könnten es uns schlichtweg nicht leisten alles selbst herzustellen. Ohne "made in China etc" würde die Inflation durch Steigen der Verbraucherpreise explodieren.. und damit der Rückgang von Kaufgeschäften....und damit die Anzahl an Insolvenzen steigen....und damit die Anzahl der Arbeitslosen explodieren.....noch mehr Kaufkraftverlust... noch weniger Käufe....noch mehr Insolvenzen.................

Und wie kommen wir da raus? Wenn wir den Kapitalismus behalten wollen, dann nur durch Wegfall von Automation.
ODER
Wir automatisieren alles was irgendwie geht und der entstehende Gewinn wird in einen Topf gesteckt, durch den alle Arbeitnehmer entlohnt werden - bzw. BGE - bzw. ganz weg vom Geld. Hat aber alles was von Sozialismus....

Aber solange wir beides nicht wollen läuft das perpetuum mobile immer so weiter.....egal welches...
**e Mann
2.564 Beiträge
Es ist nicht schlimm, wenn alle etwas ärmer werden hier. Zu Vergleichen, was hier passierte, wenn im Kongo ein Sack Sandalen umfällt, ist wenig hilfreich.

Mit solchen Vergleichen kann man alle Zustände herbei rechnen und schreiben. Wenn sich die Löhne weltweit angleichen, dann ist das Gefälle weg und das alleine macht Sinn. Wie viel Luxus und Arbeit dann noch übrig bleibt, wird keiner im voraus sagen können. Dass die gleiche Verteilung aber gerechter ist als alles andere, dem wirst du zustimmen.

Nicht umsonst zieht gerade die Bekleidungsindustrie von Bangladesh nach z.Bsp. Kamerun um, weil die Löhne da noch niedriger sind.

Schön, zu hören, dass endlich auch Afrika dran kommt. Warum geht Bangladesh nicht mehr? Vielleicht, weil die Arbeitsbedingungen dort besser geworden sind, die Fabriken stabiler? Wäre ja ein weiterer Erfolg. Erinnerst du dich an Berichte aus Bagladesh vor dreißig Jahren?

Der Kostendruck (und natürlich die ach so böse Gier) zwingen den Kapitalismus, seine Produktionsmittel zu verteilen. Besser, als wenn wir alle nur bei Hess Natur einkauften.
**********henke Mann
9.667 Beiträge
Wenn dann ...
... die Welt voll von "doppelt freien Lohnarbeitern" ist, die sich gewerkschaftlich organisieren (einer der Gründe, warum Afrika nicht früher auf der Agenda internationaler Konzerne stand, war das Vorhandensein von Gewerkschaften *zwinker* ) werden bei uns die Preise steigen und wir müssen für einen neuen Fernseher nicht mehr zwei Tage, sondern einen Monat schuften - so what.
Unsere regional erzeugten Lebensmittel bekommen wir weiterhin zu erträglichen Preisen, allerdings werden wir nicht mehr soviel wegschmeißen und vielleicht wieder ein bis fünf Karnickel in einer Buchte auf dem Balkon haben (S*ens-Manager haben 25 Karnickel *g* )

Ich sehe das alles relativ entspannt. Sicher wird es keine Yachten mehr geben und keine Yachtbesitzer und schnelle rote Autos auch nicht - aber wer braucht denn auch sowas.
**e:
Mit solchen Vergleichen kann man alle Zustände herbei rechnen und schreiben. Wenn sich die Löhne weltweit angleichen, dann ist das Gefälle weg und das alleine macht Sinn. Wie viel Luxus und Arbeit dann noch übrig bleibt, wird keiner im voraus sagen können. Dass die gleiche Verteilung aber gerechter ist als alles andere, dem wirst du zustimmen.

Das Angleichen der Lebensstandards und der Löhne wäre in der Tat super. Nur, wer will das schon? Im Moment sehe ich das nicht, das dies von der Wirtschaft gewollt wird. Aber nur diese wäre in der Lage das herbeizuführen, so denn die Politik nichts alternatives auf das Tablett schmeißt, was eh nicht durchkommt aufgrund der Lobbyarbeit.
Deinen Anatz zu ende gedacht wäre hier es von Nöten, das die Staaten ihre Autonomie aufgeben, zugunsten einer globalen Regierung. Auch ich sähe darin eine Chance für die Welt.
Und das alles hat seinen Preis. Wir werden von einigen Annehmlichkeiten des Lebens verabschieden müssen....
**********henke Mann
9.667 Beiträge
Übrigens ...
... steigen die Benzinpreise seit einiger Zeit wieder...
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