@yokowakare
Der so geartete Ismus ermöglicht es den Isten so wie sie sind zu sein.
Die kapitalistische Vergesellschaftung hat die Subjekte konstituiert, die sich als Individuen ausgeben wollen, und die sich selber kaum Rechenschaft darüber abzulegen vermögen, dass selbst dieser ihr Glaube, Individuen zu sein, dem bürgerlichen Konkurrenzprinzip entspringt. Sie sind aber prinzipiell kein Sein, sondern immer schon ein (krisenhaftes) Werden.
Denn er ermöglicht Wohlstand und Freiheit für die Mehrheit.
Das aber ist auch exakt die Crux. Es ist mittels der kapitalgetriebenen industriellen Revolution technisch-wissenschaftlich möglich geworden, die Mehrheit aller Menschen ausreichend zu versorgen, wenn nicht sogar allen Menschen "Wohlstand und Freiheit" zu geben. Vom Stand der Produktivität, von den logistischen Kapazitäten her wäre die weitgehende Abschaffung des Hungers und der größeren Epidemien kein utopischer Traum, sondern nachweislich leistbar. Dass es nicht geschieht, liegt nicht etwa an einer höheren, sondern an der menschengemachten, unmenschlichen Gewalt, die der jetzigen Eigentumsordnung zugrunde liegt. Eigentum ist immer noch Diebstahl, erfordert Sicherheitszäune, Gefängnisse, Grenzregimes und sogenannte Flüchtlingsdramen. Die herrschende Ordnung ermöglicht nicht zuletzt ständige Versorgungskrisen, Austeritätsprogramme, Bankrotte, Zwangsversteigerungen, Hungersnöte, Massenverarmung, unzählige Gewaltverbrechen und Ausbeutungsverhältnisse.
Erst wenn sie einem anderen Ismus folgen, müssen sie sich scheinbar verbünden, den hier herrscht Mangel und Armut, um dann wieder in der (neuen) Ismus zu verfallen.
Die Scheinbündnisse, autoritären Parteien, Zwangskollektive, Endzeitsekten etc. sind keineswegs etwas der kapitalistischen Vergesellschaftung wesenhaft Fremdes, sondern ihr notwendig wahnhafter Widerhall im Bewusstsein der zugerichteten Subjekte. Aus den verunglückten bürgerlichen Individuen werden
folgerichtig, aber nicht zwangsläufig vereinzelte Ich-AGs im
bellum omnia contra omnes oder, schlimmer noch, organisierte NGOs der Vernichtung. Im schlimmsten Fall erobern sie quasi-staatliche Macht wie derzeit ISIS, ersetzen die noch irgendwie vermittelten und noch halbwegs verrechtlichten Gewaltverhältnisse durch schiere, willkürliche, unmittelbare und amoklaufende Gewalt.
Dies hat insoweit mit der Eingangsfrage des Threads zu tun, als dass auch sympathischere "ethische" Impulse, die innerhalb des Ausbeutungszusammenhanges formuliert werden, große Gefahr laufen, wahnhaft falsche Aufhebungen zu werden. Die Schaffung flacher Hierarchien und informeller Teams in Unternehmen etwa enthält immer auch das Potential zum noch totaleren Zugriff des Kollektivs auf den Einzelnen. Die Forderung nach ökologischer Nachhaltigkeit transportiert regelmäßig naturalistische, nicht selten auch dezidiert lustfeindliche Ressentiments gegen das "Künstliche" und "Unnatürliche" der Zivilisation. Selbst die Propagierung gemeinschaftlicher Produktionsweisen und Gewinnweitergabe an die Hersteller lügt tendenziell, wo sie die Verbindung von (Selbst-)Ausbeutung und schierem Überleben blind affirmiert und verleugnet, dass die technische Entwicklung zwangsläufig nicht auf
mehr, sondern auf
weniger körperliche Arbeit hinausläuft. Kapitalismus erzeugt mit dem Luxus sogleich den Mangel, kassiert selber die Freiheit ein, die er erst ermöglichte, schreibt heute einen großen Scheck und lässt ihn morgen wieder platzen.