Ach, so ein schönes Frettchen!
... und ich entdecke es erst jetzt?
Ich, die ich auch altere, eh Leute!
Ich denke, das geht mit der Geburt los.
Jedenfalls, dass die Dinge einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss bekommen.
Das entdeckte ich mit fünf. Ich war dabei, unseren Weihnachtsbaum von Lametta zu befreien, der Pulli kratzte arg, es war Winter, und das Lametta ließ sich zwischen den Fingern durchziehen und es wurde davon wieder glatt. Bei der Tätigkeit bekam ich einen Denk-
flash. Mir war, als würde es einmal eine Zeit geben, in der meine Mutter für mich nicht mehr da wäre.
Darauf saß ich mehrere Stunden mit dem Lametta in den Händen da und heulte und heulte.
Ich fühlte mich hilflos und verlassen -- einfach zu früh für eine Fünfjährige!
Das ist jetzt 47 Jahre her und meine Mutter lebt Gott sei Dank immer noch, hurra!
Ein Schock war es trotzdem. Ich entdeckte, dass die Kulisse, die mich umgibt nicht meine Bühne ist und nicht zur Eigeninszenierung aufgebaut worden war. Diese Vorstellung war naiv. Naiv war auch, genau dies später im Sturm und Drang arrangieren zu wollen. Ich atmete vor dem Spiegel tief ein und fragte mich (ich war 20): Was muss ich tun, um ein Jemand zu werden. Oder sagen wir, ein prominentes Jemand, ein Pfauenjemand.
Das machten irgendwie alle und das -- ich war mir sicher -- das konnte ich toppen.
Als dann mein eigenes Kind aus mir herausgeboren kam, wow ... da hatte ich plötzlich ganz andere Pläne. Ich hatte mit 40 Jahren jemanden, der nicht nur mich vererbt, sondern auch einen, dem ich meine Weisheit ... na gut, das interessierte ihn nicht wirklich. Ich muss aber sagen, dass ich es versucht habe und noch immer versuche. Das empfinde ich als Pflicht. Warum eigentlich?
Jetzt hat der dicke Wal (wie Mazita auch, bei mir nur
roadrunner genannt) die ersten Zipperlein. Erschlaffungserscheinungen, wo man hinguckt. Die Augenbänder lassen nach, die Verdauungstraktbänder, die Fußbänder (gestern wieder umgeknickt, oh je!) und das Treppesteigen sorgt für Außer-Atem. Ich bin gelinde gesagt SAUER. Sauer. Gestern noch sagte ich frustriert zu meinem liebsten pue:
MEIN EIGENER KÖRPER RICHTET MICH VOR MEINEN AUGEN HIN.
Das empfinde ich so.
Als all die anderen Alten vor mir in die Zipperlein-Ära kamen (ich habe viele ältere Freunde), sagte ich immer: Was regst du dich denn auf, du bist schon Mitte Fuffzig, dein eigener Körper will in fünfundzwanzig Jahren unter die Erde. Also: passt schon.
Mich selbst macht Altern absolut alle. Ich habe noch Lebensentwürfe für mehr als drei Leben als Plan, und ich lebe jetzt schon jetzt alle für vier. Ich weiß, dass sich das rächt, aber daran bin ich nicht schuld, sondern das Körpersystem.
Heute Abend -- just heute Abend, kam ich von einem Besuch bei meiner Mutter (!) zurück. Ich saß im Auto und dachte wieder: Es ist so so
so unfair, dass wir nicht wie die Tiere leben können, dass wir wissen, dass wir ein Ende haben, dass
man uns das klar gemacht hat.
Andererseits dachte ich: Sterben tun immer nur
die anderen.
Das ist doch auch tröstlich, oder?
Dann dachte ich weiter, dass mich das doch eigentlich
alles nix angeht.
Ich habe nämlich keine Ahnung,
wo ich herkomme.
Ich weiß nicht, was
ich war, bevor ich war.
Es muss also
etwas geben, das eine Idee hat und gehabt hat,
mich zu schaffen.
Das übersteigt natürlich völlig meinen Horizont.
ABER: wenn ich mir ausmale, dass ich eben genau dahin zurück gehe, wo ich nicht weiß, wie ich von dorther gekommen bin, dann beruhigt mich das.
Was meint ihr?