Pflichtlos
Es gibt keine Idee des Sollens. Somit auch nicht die eines verpflichtenden Sollens. Damit gibt es auch keine Pflicht, denn es gibt dafür keine Instanz. Ich habe kein Pflicht, weil sie mir von nichts zugeschrieben wird. Pflicht ist eine Spekulation.
Ich kann aber wollen und die Instanz bin ich. Kant hat sich hier widersprochen, indem er (selbst) der Regel des Sollens als Gesetz (Kategorischer Imperativ) keine Realität in der Welt zuschreibt, sondern sie als etwas, einer der (reinen) theoretischen Vernunft entsprungen, der Welt unterstellt. Somit lässt sie sich auch in keiner Erfahrung finden. Erfahrung aber ist die Grundlage der Erkenntnis und des Handelns. Er sagt es auch einmal etwas zaghaft selbst „Dagegen gibt das moralische Gesetz, wenngleich keine Aussicht ..“ (. auf Realität / Wirklichkeit) und später hier „...Umfang unseres theoretischen Vernunftgebrauchs unerklärliches Faktum...“ (Kant: Kritik der praktischen Vernunft. Meiner 2003; S. 58). Er kann es danach also (selbst) nicht erklären.
Alles was es in der Erfahrung gibt ist ein Wollen. Der Mensch will. Ich will und die anderen Menschen wollen.
Anderen Menschen wollen, dass ich etwas soll. Andere reden von Pflicht. Eine Pflicht, die aber nur ihrem Wollen entspringt und nicht mir. Somit ist sie subjektiv und willkürlich.
Es gibt eine Freiheit beim Wollen (Ich will... Ich will nicht...), eine Bedingung (Ich kann..., Ich kann nicht...) und eine Kausalität (Wenn ich ...dann folgt daraus..., Wenn ich ...dann folgt nicht daraus...).
So kann ich sagen - und auch so handeln - „Ich will a töten und ich kann die Strafe, die durch b gesetzt ist, erkennen. Wenn ich die Strafe auch will, kann ich a töten“. In der Realität kann man es auch verkürzt so sagen: Der Mensch kann tun, was er will, er muß aber auch die Folgen wollen. Das ist das einzige Gesetz, was es gibt. Es ist das Gesetz der Kausalität (aus einer Ursache folgt immer eine Wirkung). Tut der Mensch was er will und will aber die Folgen nicht, befindet er sich in einem (logischen) Widerspruch.
Wir sehen in der Welt das Töten (Morden). Gäbe es eine theoretisch gegebene und praktisch begründete Pflicht, gäbe es das Töten gar nicht. Die Pflicht würde es unmöglich machen. Denn die Menschen würden selbst nach dieser Pflicht handeln und nicht töten.
Die Regeln der Gesellschaft beziehen sich auf keine Pflicht. Sie beziehen sich immer nur auf das Wollen und nur das gibt das praktische Gesetz. Es sagt im Beispiel aus, dass wer mordet bestraft wird.
Der Mensch handelt also nach keiner Pflicht. Er tut was er will. Von Pflicht wird immer nur geredet (Gesellschaft, Moralität, Autorität). Es gibt nur Bedingungen (Grenzen) der Möglichkeiten in seiner Freiheit. Diese werden von den anderen, also von der Gesellschaft, als Regel bestimmt. Die anderen setzen die Regel für eine Strafe. Das tun sie, weil sie es wollen.
So ist die Welt in sich nur durch das Wollen geregelt. Das System der Regeln der Gesellschaft bildet für den Menschen dabei ein System der praktischen Kausalität (praktische Gesetze wie z.B. Rechtsvorschriften. Rechtssprechung).
In diesem System gilt also beispielsweise die Regel: Wenn du tötest, wirst du bestraft. Ich weis, wenn ich töte, werde ich bestraft. Zugleich weis ich auch, wenn die anderen nicht wissen, dass ich getötet habe, werde ich nicht bestraft. Also will ich, dass andere es nicht weis, dass ich getötet habe. Die anderen aber wollen, dass sie wissen wer getötet hat. So finden sie es heraus oder nicht...Und einer wird bestraft oder nicht... (Dabei wissen die anderen auch, dass ich weis, dass sie es wissen könnten und ich bestraft werden könnte, wobei sie wissen, das ich das nicht wollen kann - Abschreckung)
Damit berühren wir die Grenze der Bedingungen der Möglichkeit des Handelns (beides eigene Themen und es ist die Frage, ob diese nicht selbst wieder Kausalität sind).