Beziehungsgeschichte
Die behauptete Voraussetzung, dass Sex ein altes Thema der Philosophie wäre, trifft nicht zu. Sexualität war in der Antike begrifflich gar nicht vorhanden. "Geschlechterliebe" war später von beispielsweise Schopenhauer zwar kurz erwähnt worden, aber kann hier auch nur lediglich als anthroposophische Notiz im Zusammenhang mit der Fortpflanzung des Menschen gewertet werden. Seine Haltung in Bezug auf Frauen („Weiber“) war insgesamt eher kritisch.
Foucault tritt als Philosoph in der Neuzeit als erster deutlich mit seinem Werk „Sexualität und Wahrheit“ mit dem Untertitel „Gebrauch der Lüste“ zum Thema auf, nachdem ihm, dem Homosexuellen, von Rousseau einiges an sexueller Praxis der Fortpflanzung un Geschlechtsliebe, vorgelebt wurde (er hatte mehrere Kinder und einige Geliebte).
R.-D. Precht, der übrigens keine philosophische Ausbildung hat und in Literaturwissenschaften über Musil promoviert hat (hierbei über Musil, der allerdings seinerseits Philosoph war), sagt, gemessen an der Zahl seiner Publikationen, auch in der Gegenwart nicht viel über beide Begriffe in ihrer Beziehung. Er hat zwar ein Buch über die Liebe geschrieben, aber das ist etwas anderes, wenngleich es auch wiederum in Beziehung zur Sexualität steht.
Sexualität nimmt in der Philosophie, hier gesehen als Disziplin der Wissenschaft und somit in philosophischen Texten, einen verschwindend geringen Raum ein.
Es gibt in der Gegenwart insgesamt auch nur eine begrenzte akademische Unterhaltung zu diesen beiden Begriffen als Zusammenhang, vielleicht weil sie einen interessanten begrifflichen Gegensatz bilden und damit einen literarischen Unterhaltungswert versprechen. Sexualität und Philosophie findet zusammen heute als Thema zwar eine verstärkte, allerdings immer noch sehr begrenzte, Verbreitung in den Medien.
Wie Sexualität von Philosophen gelebt wurde, weiß man heute kaum. In der Antike wird der Homosexualität eine besondere Rolle zugeschrieben und kann durchaus auch von Philosophen praktiziert worden sein. Aristoteles galt jedoch beispielsweise als Familienvater.
Schopenhauer war selbst, ebenso wie Kant und viel andere Philosophen, Junggeselle und damit im Kontext des eigenen Lebenswandels eher ohne Erfahrung mit Geschlechtsverkehr (vom möglichen Umgang mit Prostituierten mal abgesehen). Somit gibt es hier auch ein entsprechend geringes Urteilsvermögen.
In welchem Umfang hier andere Formen der Sexualität wie Masturbation eine Rolle gespielt haben mögen, ist noch viel weniger bekannt (ein Thema was auch heute noch tabu ist - der Leser spürt sicher dabei eine gewisse Peinlichkeit - aber in einigen Jahren vielleicht ebenso öffentlich ist, wie heute Homosexualität).
Würde man philosophieren als reflektieren über die Dinge der Welt auffassen (abstrahieren / Abstraktion), wozu ich tendiere, so fällt bei der Verbindung von Sexualität und Philosophie zunächst die Verbindung von Körperlichkeit und Geistigkeit auf (Körper-Geist-Dualismus).
Geschlechtsorgane sind in ähnlicher Weise wie die Verdauungs- und Atmungsorgane mit Lust verknüpft. Wir genießen unsere Speisen und die frische Luft ebenso wie die Berührung der Geschlechtsorgane. Warum wohl haben wir hier jeweils auch einen eigenen Rhythmus? Inwiefern zeigt sich hier so ein eigens Prinzip auch bei der Sexualität?
Veränderung und Wandel gibt es in der Sexualität ebenso wie Kausalität. Wir könnten alle Kategorien der Philosophie auch in einen Zusammenhang mit Sexualität bringen.
Ein Reiz wird von uns umgesetzt in eine Vorstellung, die mit Erkenntnis eines Objekts und zudem mit Lust verknüpft ist. Wir erkennen Anzahl / Menge (Quantität) und unterscheiden Qualitäten. Wir treffen Urteile und ziehen aus bestimmten Wahrnehmungsinhalten Schlüsse (wenn mich diese Frau solange wahrnimmt, muß das eine Bedeutung haben...).
Unser Handeln hat hier auch ein Motiv, ein Ziel und ein Ergebnis. Vielleicht wäre die gesamte Handlungstheorie um den Aspekt der sexuellen Handlung und der erotischen Tätigkeit (Erotik) des Menschen zu ergänzen... (?)
Aber weit bedeutender ist sicher die Beziehung der Sexualität zur Ethik (Moral) und hier hat der TE sicher im Hinblick auf seine Frage und ihre Bedeutung Recht. Die Moral hatte in ihrem Verhältnis in Bezug auf die Sexualität in der Geschichte bisher sicher den größten Einfluß; sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht.