Kunst ist Leben
@**e
Volle Zustimmung. Mein Beitrag zielte auf Wertentwicklung, da die Zahlen der Grund für das Thema zu sein schienen und nicht der Verkauf an sich.
Eine andere Wertebene könnte aber die Frage nach dem Besitz von Kunst sein. Es gibt Länder, die bestimmte, historisch wichtige, Werke unter ein Ausfuhrverbot stellen. Es gibt öffentliche Museen für Kunst, in denen es zwar Eigentümer und Besitzer gibt, aber auch das Gefühl, dass diese Gegenstände sichtbar sein müssen, weil sonst ihr "Seinszweck" nicht mehr gegeben ist.
Meiner Ansicht nach gibt es zwei Modelle, die sich nicht ausschließen müssen, aber sich zumindest reiben. Einerseits "Auftragskunst", sei es Architektur, von Mäzen gestiftete Bilder oder Musikstücke der letzten Jahrhundert oder Musikalben auf die ein Label ein vertragliches Anrecht hat.
Hierbei ist Kunst ursprünglich mit Besitz verbunden. Der Übergang des Kunstobjekts nach Fertigstellung an den Finanzier ist Teil der Entstehungsbedingungen dieser Kunst. Die Finanzierung ist ein notwendiger Bestandteil des Kunstobjekts.
Die Gegenbewegung empfindet diese Kunst als "verunreinigt". Da sind ganz klar Werturteile im Spiel. Kunst, die sich einem Finanzier unterwirft kann doch gar nicht rein sein. Die Freiheit wird von der Unfreiheit des Künstlers korrumpiert. Es entsteht zwangsweise eine Gefallsucht der Künstlerin gegenüber den Finanziererin.
In diesem Sinn sollte Kunst frei sein, aber noch in einem anderen:
Kunst soll sich nicht rechtfertigen müssen. Kunst muss keine Botschaft haben und Frieden, Freiheit oder Fortschritt in sich bergen. Es muss keine versteckten Ebenen geben. Von den Radikaleren wird auch an anderen Grundfesten gerüttelt. Kunst für den Augenblick zum Beispiel bricht mit dem Gedanken der Verweildauer von Kunst. Kunst wird zur Performance und existiert nur im Moment.
In der Philosophie von Derrida könnte darin ein Ursprung liegen. Denn er hat herausgearbeitet, dass es nicht einen Schöpfer (eines Textes bei ihm) und ein Geschöpftes gibt. Für uns würde es heißen: Das Kunstwerk ist immer mehr als die Schöpferin beabsichtigt hat. Die Intention geht nicht 1:1 in das Kunstwerk über, es ist vielmehr so, dass die Intention im Diskurs "liegt" und wenn der Diskurs sich ändert, verändert (wahrscheinlich) sich die Wahrnehmung und Aussage des Kunstwerks.
Damit erlangt das Kunstwerk, wie bei Frankenstein, im Moment seiner Fertigstellung seine Freiheit. Es ist nicht, was die Künstlerin wollte, es ist auch nicht, was ein Auftraggeber wollte, es ist nicht mal nur eines.
Was wäre dann der Wert der Kunst? Für mich ist der Wert von Kunst, dass wir der Kunst diese Mehrdeutigkeit zugestehen, während wir es an anderer Stelle oft nicht tun. Rilke hat diese Intution folgendermaßen beschrieben:
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Kunst darf schillern, vibrieren, mehrdeutig und undeutbar sein. Sie darf Grenzen überschreiten, sich ökonomischen oder kulturellen Grenzen entziehen und diese damit verdeutlichen. In eine durchrationalisierten und durchorganisierten Welt
kann Kunst damit für Leben und Freiheit stehen.
Vielleicht ist es daher seltsam und unpassend, wenn die Gewinner der Kapitalakkumulation Kunst einen Wertestempel ihrer Welt aufdrücken?