@**is way up
Martha Nussbaum spricht in einem Essay vom Phänomen der "Verdinglichung". Die Würde eines Menschen wird in dem Fall missachtet, wenn wir diesen Menschen mit zuvielen Aspekten behandeln, die normalerweise nur Dingen zukommen.
Ihre Kriterien:
1) Instrumentalisierung. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz als Werkzeug behandelt, das ihren Zwecken dienen soll.
2) Leugnung der Autonomie. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz so behandelt, als fehle ihm jegliche Autonomie und Selbstbestimmung.
3) Trägheit. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz so behandelt, als fehle es ihm an Handlungsfähigkeit und vielleicht auch an Aktivität.
4) Austauschbarkeit. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz so behandelt, als sei es (a) mit anderen Dingen desselben Typs und/oder (b) mit Dingen eines anderen Typs austauschbar.
5) Verletzbarkeit. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz so behandelt, als brauchten seine Grenzen nicht respektiert zu werden, so als handele es sich um etwas, das zerbrochen, zerschlagen oder aufgebrochen werden darf.
6) Besitzverhältnis. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz als etwas behandelt, das einem anderen gehört, das gekauft oder verkauft werden kann, usw.
7) Leugnung der Subjektivität. Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz als etwas behandelt, dessen Erleben und Fühlen (sofern vorhanden) nicht berücksichtigt zu werden braucht.
Für sie reichen 1-2 Aspekte schon aus, damit Gefahr im Verzug ist. Anders herum bist du schon mal auf einem guten Weg, wenn du all diese Verhaltensweisen bei einem Menschen nicht anwendest.
@**o3
Danke für deine Antwort. Leider habe ich nicht verstanden, was du mir mit deinem Beitrag sagen willst. Der Kern meines Beitrages war, dass es kein Problem für Kant ist, wenn jemand ein Mittel zu einem Zweck ist. Es ist erst dann ein Problem, wenn jemand AUSSCHLIEßLICH als Mittel benutzt wird und er als zwecksetzendes Lebewesen negiert wird.
Wenn ich nur meine Brötchen bekomme, wenn der Bäcker meine Frau befummeln darf und ich verlange das von ihr, dann ist sie ein Mittel zum Zweck. Das Problem ist aber nur vorhanden, wenn ich meine Frau darauf reduziere, ihre eigenen Bedürfnisse negiere und sie auf die Rolle als Brotlieferantin reduziere. Wenn wir eine offene Beziehung führen, der Bäcker für sie sexy ist und wir alle mit dem Arrangement leben können, dann ist sie immer noch ein Mittel zum Zweck Brötchen zu kriegen. Doch durch die Einbeziehung ihrer Wünsche habe ich sie nicht verdinglicht (s.o.).
Deshalb ist die Unterscheidung bei Kant wichtig. Denn wenn ich niemanden als Mittel betrachten dürfte, hätte ich ein großes Problem, gerade in der von Dir beschriebenen arbeitsteiligen Gesellschaft.
@*******are
Keine Ahnung wo du deine Deutung her hast, aber sie meiner Meinung nach diametral entgegen dem was Kant sagen will (oder ich habe dich total missverstanden).
Also soll niemand Mittel zum Zweck sein.
Das steht nicht bei Kant. Du kannst sehr wohl Mittel zum Zweck sein, wenn dies nicht mit deiner Verfasstheit als ein Zwecksetzer kollidiert.
Das aber lässt die Selbstbestimmung außer acht.
Die Selbstbestimmung (die Fähigkeit eigene Zwecke zu setzen) steht im Zentrum der kantischen Überlegungen und lässt sie nicht außer acht.
Es geht um das Grundgefühl als gleich zu gelten und frei zu sein.
Es geht gar nicht um Gefühle. Die kantische Ethik als Gesamtes geht eben nicht um Gefühle, sondern um Vernunft. Gleichheit ist nichts was du fühlen sollst, es ist eine Folge einer logischen Überlegung, also eine Erkenntnis. Menschen sind insofern gleich, dass sie vernünftige, zwecksetzende Individuen sind.
Abseits von Kant halte ich es für sehr gefährlich "Würde" mit (verletzten) Gefühlen zu verknüpfen. Menschen sind nun mal unterschiedlich empfindlich und unterschiedlich erzogen. Sollte das die Würde beeinflussen?
Zumindest wenn wir unter "Würde" etwas eher Basales verstehen, was nicht unterschritten werden sollte, dann wäre es meiner Meinung nach besser es universell, als eine allgemeine Untergrenze zu verstehen. Sonst kommen wir schnell wieder zurück zu einer lange vorherrschenden Meinung, dass gar nicht alle Menschen Ehre und Würde besitzen.
Wollen wir das nicht, dann ist Würde etwas, dass alle besitzen, weshalb dann jedoch persönliche Gefühle (sozusagen individuelle Schwankungen) keine Rolle spielen dürfen.
In meiner Ansicht führt das wiederum schnell dazu, dass Würde allein nicht ausreicht. Sie bezeichnet nur so etwas wie das soziale Existenzminimum und für ein gutes Leben brauchst du Menschen, die mehr in dir sehen als ein Lebewesen mit einer basalen Würde.
gruß
Brynjar