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Das Netz-Freiheit Paradoxon

hab zum tertium ne frage: wie stelle ich formallogisch dar:

stimmt nicht (ganz), ist aber auch nicht (ganz) falsch

?
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
"Stimmen" ist hier auch ein gutes Beispiel für die Unschärfe der Universalsprachen. So wie du es verwendest, als Gegenstück zu "falsch" würde man fast meinen, dass es synonym mit "wahr" gebraucht ist. Wir assoziieren mit "stimmen" aber auch "Stimmung", "Zustimmung", vielleicht sogar "Verstimmung" oder das Stimmen eines Musikinstruments. Insofern wäre der Bezug also extrem kontextabhängig, zumal du ja offenläßt, WAS halbwegs stimmt bzw falsch ist.

Wenn es "nur" darum geht, dass Wahrheitswerte auch Zwischenformen annehmen können (weder total wahr noch total falsch), so würde man das im Rahmen einer fuzzy Logik behandeln. Die leistet heute schon bei Sensorik und Robotersteuerung gute Dienste.

Ganz ähnlich kann man auch mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, die ja auch Zwischenwerte annehmen. (Deswegen verwies ich ja auf Lem's Unterscheidung zwischen voll deteministischen und probabilistischen Beschreibungen/Modellen). Dies hat Bayes für die Aussagenlogik etwas formalisiert:

Der Bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff definiert Wahrscheinlichkeiten als „Grad vernünftiger Erwartung“ [2], also als Maß für die Glaubwürdigkeit einer Aussage, der von 0 (falsch, unglaubwürdig) bis 1 (glaubwürdig, wahr) reicht. Diese Interpretation von Wahrscheinlichkeiten und Statistik unterscheidet sich fundamental von der Betrachtung in der konventionellen Statistik in der unendlich oft wiederholbare Zufallsexperimente unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob eine Hypothese wahr oder falsch ist.

Bayessche Wahrscheinlichkeiten P(A) beziehen sich auf eine Aussage A. In der klassischen Logik können Aussagen entweder wahr (oft mit Wert 1 wiedergegeben) oder falsch (Wert 0) sein. Der Bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff erlaubt nun Zwischenstufen zwischen den Extremen, eine Wahrscheinlichkeit von 0,25 gibt beispielsweise wieder, dass eine Tendenz besteht, dass die Aussage falsch sein könnte, aber keine Gewissheit besteht. Zudem ist es möglich, ähnlich der klassischen Aussagenlogik, aus elementaren Wahrscheinlichkeiten und Aussagen komplexere Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen. Damit ermöglicht die Bayessche Statistik Schlussfolgerungen und die Behandlung von komplexen Fragestellungen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bayessche_Statistik

Hausaufgabe: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass von 22 Fußballspielern plus Schiedsrichter zwei Personen am selben Tag Geburtstag haben?

a) <5% b) ca 15% c) >50%
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
Zumindest wäre noch eine 4.Option=> d) wünschenswert, dann könnte man nämlich mit einem Tetraeder 'würfeln'.
Oder muss man dabei 'tetraedern' sagen ?
*g*
das ist jetzt gemein. erst mit spitzen logikpfeilen beschießen, und nun mit fuuuußball auch noch mein zu 0,75 wahrscheinlich weiblich hirn traktieren.
okay, die wahrscheinlichkeit mit dem geburtstag ist größer als 50%. keine ahnung, wie man das berechnet, aber in meinem letzten arbeitsteam waren wir 30 leute, und zwei haben am selben tag geburtstag.

ich freue mich aber darauf zu erfahren, wie ich das ohne die erfahrung berechnen könnte. und superspannend, an meine vergessenen, blassen zwei logiksemester erinnert zu werden, wie an gepresste blumen in einem alten tagebuch. die aufblitzenden gedanken sind sauber, pfeilspitz und von dieser erhabenen ordnung, die ich von bach-fugen kenne, reine info, aufsteigend in spiralen und baumeisterlich
folgenhaft. obschon quasi (!) der lyrik entgegengesetzt, ergeben diese logischen mikadostäbchen ihre eigene poesie. für mich. ich sehe diese ausführungen in bunt, als federstriche oder sandspuren oder feuerwerke und sie sind sinnlich. anschaulich, stimmig, und diese wahrnehmung ist der reinen logiksprache einerseits hinderlich, andererseits förderlich, durch gefallen, zustimmung.

ok, es sind wohl mehr als 75%.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
Aber welcher konkreten Anzahl der Optionen diffundiert die Wahrscheinlichkeitsvorhersage in ein Stadium, da sie eher als Unwahrscheinlichkeitsbegriff bestimmt wird ?
Bitte keine Angaben in %Werten !
*******use Mann
3.197 Beiträge
Das Verhältnis Optionen/ Ereignisse
ist entscheidend.

So ist es für den Einzelnen eher eine Unwahrscheinlichkeitsrechnung und somit wertlos,
für eine Versicherung dagegen (mit Millionen Einzelfällen) dagegen exakte Wissenschaft
und somit unverzichtbar.

Ideal ist ein Spielzeugroulette für Versuche, da eine Chance von 1: 37 bei einer einzelnen
Zahl noch überschaubar ist.
Das erklärt dann auch den scheinbaren Widerspruch, warum die Bank "gesprengt" werden
kann, die Bank aber langfristig immer gewinnt. *smile*
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
Bei 1 vorhersagbarem und als wahr bestimmtem Ereignis ist schon bei 3 Vorhersageoptionen hierzu die Wahrscheinlichkeit im Hintertreffen gegen die Unwahrscheinlichkeit. Und wir befinden uns bei 3 noch ganz am Anfang des Spektrums der reellen Zahlen.*g*
Wenn man in der Mathe Klausurarbeit vom Tischnachbarn abgeschrieben hat, lag es um die Wahrscheinlichkeit des richtigen Lösungsfaktors auch nicht viel besser.
Am wahrscheinlichsten war, daß man vom Lehrer, bei zwei exact gleich falschen Lösungsantworten, des Schummelns überführt werden konnte.
eine paradoxie am netz ist, dass je mehr info zur verfügung steht, ich desto weniger info aufnehmen kann.
allein schon das beabsichtigte nachflussern des ursprungsthreads, plus günther-monolith, plus wahrscheinlichkeitshieroglyphie, plus eure eingaben, rechtfertigten eine prometheische ankettung an diesen elektronischen felsen. mit einem datenadler, der meine leberzeit pickt.

hab erst jetzt den lem-artikel im eingang gelesen und dachte mir, hm, ok, wieder einer der großen, die bewusst auf das netz verzichten. ich selbst kenne eine menge, die das tun und so einen konservativen widerwillen gegen den datenfluß entwickelten, dass sie schon staunen, wenn bei mir zuhause der rechner immer an ist. dass das summen stört, gebe ich zu, und ich merke, der raum ändert seine weite, sobald das elektronische rauschen aufhört. wenn es dann aber heißt, oh, ich wüsste gerne, wo x damals in wonoch? wasgenau schrieb, und ich gebe das schnell ein, und muss nicht erst in die staatsbibliothek einchecken, dann passt es auch wieder.
aber dann sagt auch mal einer nee, lassmal, so, als ob ich jetzt beim herdrehen des laps so viel mühe investieren müßte, wie beim bierkasten aus dem keller holen. nee, lass mal. also nee, lass mal, das nervt mich. weil es im grunde nicht bedeuten soll, bitte tippe da jetzt nicht rum, während wir zusammen sitzen (das ist ne andere sache), sondern es heißt, ich will es gar nicht wissen.

was lem sagt: das macht mich dann nicht heiß.
nun ist es aber nicht so, dass wir vor wissenshitze ins schwitzen gerieten, wir erdlinge. allein, jedes offene fenster lässt eine tür zugehen, und sind zu viele offen, kommt man kaum mehr vor die tür.

das netz besteht aus datengarn (1) und löchern(o). aus blick und blinzeln. und was, von dem getier, das ich täglich an land ziehe, dann auf meinem teller landet, verspeist und verdaut wird, ist doch wieder nur genau das, was meine leberzeit verkraftet.

und dass die götter den feuerbringer anketteten ... ich haute gerne, könnte ich, aus stein einen prometheus, in typischer pose, mit einem laptop auf den knien. ist bestimmt bereits geschehen, ich hab´s nur noch nicht im netz gefunden.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
Wunderbare Allegorie, das Fesseln durch Lektüre als das Prometheuische Bild zu zeichnen.
Danke

Im Joy Club würde diese Anlehnung von vielen jedoch mißverständlich als eine Bereicherung ihrer rituellen Sex-Praktiken verstanden wissen.
kaukasus-bondage.

"nee, lass mal ..." *lach*
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
In der Elften, die noch im Klassenverband unterrichtet wurde, hatten wir einen Deutschlehrer, der wider den Trends der bereits einsetzenden Reformpädagogik darauf bestand, dass wir Goethens "Prometheus" auswendig lernen. Und es ist tatsächlich das einzige Gedicht, das mir in Ansätzen noch geläufig ist:

Bedecke Deinen Himmel Zeus
mit Wolkendunst
und übe
dem Knaben gleich, der Disteln köpft,
an Eichen Dich und Bergeshöhn
musst mir meine Erde doch lassen stehn
und meine Hütte, die Du nicht gebaut,
und meinen Herd, um dessen Glut du mich beneidest.

Was folgern wir daraus?

1) im kaum noch entwirrbaren Dschungel der Informationsflut sind solche Bildungsanker unverzichtbar.

2) Wer nicht richtig auswendig lernt, oder sich freudianisch vertippt, so wie ich eben, rezitiert dann "Eicheln köpfen", was auf einer Sex-Plattform im BDSM-Bereich ebenfalls zu Missverständnissen führen könnte.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Wir sind keine Kinder mehr und verhalten uns doch wie Kinder; wir wollen haben. Was es sei, ist egal; Hauptsache Input. Man kann es auch Konsum nennen, denn was wir konsumieren, putten wir in.

mir ist der input nicht egal, weshalb ich mich unentwegt über das angebot ärgere. also gehe ich zu später stunde mit dem hund noch raus auf die felder und genieße die pure existenz. ich kann mittlerweile gelassen hinnehmen, daß mich der hund unterrichtet. die unterweisung ist nicht in unterrichtsstunden zerstückelt oder in inhalte geteilt, die abfragbar wären. nach einer stunde wanderung setze ich mich an eine brückenmauer und fühle die nachglühende sonnenwärme. der hund setzt sich zu mir, als ob er sagen wollte: so ist es richtig.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
Habt ihr n Hund?


Und hier der ganze Sketch:


*******rse Mann
2.314 Beiträge
ein hoch auf diether, der an seinem nachnamen starb!

Sie: "Als ich aus dem Fenster sah, graute der Morgen."
Er: "Dem Morgen."
*******enza Mann
3.454 Beiträge
noch einer
Ja. Irgendjemand hatte zu WG-Zeiten ne Video-Cassette mit "Best of Sketchup." Ich kann se viele fast auswendich. Hier is noch einer mit Hund:


*******rse Mann
2.314 Beiträge
Kneipengast zur Bardame: "Hasse schon jehört? In Witten hat n neuer Puff aufjemacht. SPITZENLADEN! Du kanns so oft aufs Zimmer wie de wills, krissen Piccolo ausjejeben und wenn de jehst, jibt et noch hundert mark bar auffe kralle."

Sie: "Echt? Warße schonn da?"

Er: "Ich nich, aber meine Frau."
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Konstruktiwitz
Im Departement Alp Maritime lebte das Ehepaar Machin, das sich sehnlichst ein Kind wünschte. Doch die Jahre vergehen, und der Kinderwunsch bleibt unerfüllt. Als die beiden die Hoffnung schon fast aufgegeben hatten, tritt das Schöne doch ein, und nach neun Monaten bringt sie einen Sohn zur Welt. Die beiden sind überglücklich. Sie wollen dem Kind einen Namen geben, der dieses große Erlebnis, dieses Glück irgendwie ausdrückt und entscheiden sich, ihn Formidable zu nennen.

Dieser überspannte Name stellt sich als umso schlechter gewählt heraus, als der Junge – er bleibt eher klein und schmächtig – das Ziel endloser, monotoner schlechter Witze wird, deren Pointe sich auf den Unterschied zwischen seinem Namen und seiner Statur beziehen. Als er nun selbst ein alter Mann ist und auf dem Sterbebett liegt, sagt er zu seiner Frau, mit der ein sehr harmonische Leben geführt hat: „Ich habe mich mein ganzes Leben mit diesem blödsinnigen Namen abgefunden. Ich will aber nicht, daß er auf meinem Grabstein steht. Schreib du hin, was du willst, aber nicht den Namen, bitte.“

Die Frau versprichts, der Mann stirbt, und weil sie wirklich eine sehr schöne Ehe geführt haben, lässt sie in den Grabstein eingravieren:

Hier liegt ein Mann, der seiner Frau immer treu war

Und jeder, der vorbeigeht und die Inschrift liest, sagt: „Tien, c’est formidable!“

(hab ich von Watzlawick)
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
Gut, bei dieser Art von Pointe zeigt sich als Gefühlsregung statt Gelächter doch eher Ergriffenheit, eine als vektoral gegensätzlich darstellbare Richtung.

allein, jedes offene fenster lässt eine tür zugehen, und sind zu viele offen, kommt man kaum mehr vor die tür.
Auch dabei werden gegensätzliche Kräfte angedeutet.

Soweit ich Günther bisher lesen und nachvollziehen konnte, erschließt sich mir aus seinen Ausführungen zur zweiwertigen Logik zugleich eine Ausweglosigkeit des Denkens, vergleichbar einem Ping Pong Ball innerhalb einer zur Kugel geschlossenen Sphäre des Seins.
Diese Kugel wird in der Titel-Allegorie zum Netz, welches je nach Maschenweite nur dementsprechend geformte Illusionen in die Freiheit und somit einer mehrwertigeren Logik durchschlüpfen lässt.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
ich weiß offen gestanden nicht mehr, worum es geht. >Logik< habe ich nie gehört, was daran liegt, daß ich nichts mit IT studiert habe und auch als angehender nicht-Germanist, nicht-Anglist sowie nicht-Soziologe die nähe und chance zu philosophischen seminaren ungenutzt ließ. ich bedaure sehr, heute nicht nachvollziehen zu können, was mit >sein des seienden< usw. gemeint ist. meine heutige chance besteht lediglich darin, dieses wissen annäherungsweise sekundär anzulesen, aber ich komme schon an meine grenze, wenn ich jetzt versuche, >kommunikologie<, den fünften flusser-sammelband – und letzten von neun geplanten – erneut lese. neben günther steht ja auch noch heibach herum.

Aber so ist es bei mir als gescheitertem studenten; ich muss letztlich mit hängengebliebenen fetzen herumflicken, weil ich nicht einmal ein experte für flusser bin. doch denke ich daran, mich durchzubeißen und die inhalte aus genanntem band zu raffen, vorzustellen oder auszüge zusammenzustellen, weil dort eine systematik aufgespannt wird, die uns ein wenig helligkeit bringen könnte. Es geht um typen von diskursen sowie typen von dialogen, die, wenn man sie nachvollzogen hat, einen schönen gesamtblick auf die systematiken von kommunikation erlauben.
ich weiß nicht, wer hier experte wofür ist. im grunde sind wir alle studenten.
für mich ist die aktuelle interessenlage in filoland sehr anregend, etwa wie ein haufen eisenspäne, den ich immer wieder beliebig magnetisiere, wieder mein kaleidoskop-bild, wohl wissend, dass ich nur rein zufällig das muster träfe, das in den basistexten zu grunde liegt. aber was soll's, lasst uns weiter machen, schnipsel werfen und uns freuen, wenn es bunt herabregnet.

was das sein des seinenden ist, erkläre ich dir. hast du erklärt. die "pure existenz".
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank auch für den Vergleich des subjektiven Interesses mit minderwertigem Metall.
*fiesgrins*

Das wertvoll Bewegende an der durch den Oxydationsprozess reifenden Erkenntnis zum Eisenoxyd , besser bekannt als Rost, ist, daß dieser nicht mehr magnetisierbar ist.
schön, wir setzen keinen rost an.
sind eisenionen im blut magnetisierbar? huchuu, frage an die eso-ämter.

darüber hinaus empfehle ich mir selbst eine neubebrillung. sonst muss ich irgendwann erklären, was das "seinende" ist. pardo n.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Themenersteller 
...
was das 'seinende' ist, erklärt doch bereits Günther aus der Perspektive der zweiwertigen Logik:
es wäre das Ende alles außerhalb des subjektiven Seins
*******rse Mann
2.314 Beiträge
ich verstehe günther – bisher – so, daß es einen kategorialen unterschied gibt zwischen der inhaltlich-logischen philosophie, die vom menschlichen denken ausgeht und damit auch das wünschen, das wollen und die angst miteinbezieht, und der formalen logik, die eine klare, mathematische herleitung des wahren bzw. unwahren bewerkstelligen will. in meinen worten wäre damit der menschliche schmutz aus jeglicher logik herausgeputzt. man kann, wie ich annehme, auch nur dann von logik sprechen, wenn jegliche unwägbarkeit ausgeschlossen werden kann, die von der menschlichen geste herrührt, in den dingen eine bedeutung zu erkennen.

am ende wird sich, wie ich ebenfalls annehme, eine dichotomie herausstellen, die man vielleicht mathematik-moral nennen könnte oder logik-ethik.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
ich verstehe günther – bisher – so,

Hmmm.

Ich habe nicht viel Energie zum Tippen heute, deshalb nur "kurz":

Ich denke, dass Günther doch vor allem einen sehr stringenten historischen Bogen aufspannt.

Das, was wir heute unter Logik und Mathematik verstehen, ist im Wesentlichen in der griechischen Antike entstanden: Insbesondere die Vorstellung absolut und ewig gültiger Wahrheiten. Absolut im Sinne von losgelöst von jeder tatsächlichen empirischen Tatsache. Platonische Ideen.

In dieser Vorstellung west (nach Günther) eine ganz bestimmte Metaphysik.

Allgemein ticken die Menschen heute so, dass Mathematik und Wissenschaft das religiös-metaphysische Zeitalter überwunden haben. Dass sich im Gefolge der Aufklärung ein Bewußtsein herausgebildet hat, das keiner "metaphysischen" Grundlagen mehr bedarf, sondern ausschließlich auf objektiv-wissenschaftlich überprüfbaren Beweisen fußt.

Dieses Denken hat sich im 19 Jahrhundert immer weiter herauskristallisiert: In ihm steht die Mathematik im Zentrum der Wissenschaften. Diese Mathematik stellt Modelle (Berechnungsverfahren) zur Verfügung, die so mit den Ergebnissen empirischer Forschung verglichen werden, dasss sich am Ende ein System von Naturgesetzen ergibt, welches mit möglichst wenigen Regeln und Grund-Begriffen (Si-Einheiten https://de.wikipedia.org/wiki/Internationales_Einheitensystem) auskommt. Elegantestes Beispiel sind die Newtonschen Bewegungsgesetze.

Man nennt dies das reduktionistische Wissenschaftsprinzip: die Physik beschreibt die elementaren Teilchen und deren Bewegungen nach festen (mathematisch präzise formulierbaren) Gesetzen. Aus diesen ergeben sich idealerweise auch die komplexeren, von der Chemie beobachteten Phänomene und aus der Chemie wiederum die Biologie und aus dieser am Ende sogar Soziologie, Psychologie und Geschichte. Alles in diesem Elfenbeinturm kann auf ein mathmatisch präsizes Fundament reduziert werden.

So weit so gut.

Dieses Prinzip hat im 19.Jhdt bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen gehabt und stand am fin de ciele kurz vor seiner Vollendung insofern, als es (vor allem durch die Arbeiten von Frege und Russel/Whitehead zur formalen Logik) denkbar, ja greifbar nahe schien, dass auch mathematische Beweisverfahren selber berechenbar/beweisbar/irrtumsfrei würden, da die formale Logik zu einem reinen Zeicheneinsetzungsverfahren vereinfacht worden war.

Zwischen 1926 und 1934 wurde dieses Idealbild von zwei Seiten massiv erschüttert:

Die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik stellte den Objektivitätsbegriff in Frage insofern als sich die empirischen Ergebnisse einer Beobachtung nicht mehr vom Einfluss des Beobachtungsprozesses (und damit vom beobachtenden Sbjekt) trennen ließen. Ohne eine solche Reflektion auf den Beobachtungsvorgang ist Quantenphysik nicht machbar.

Zweitens zeigte Gödel, dass jeder "Reflektionsprozess" der Mathematik, der versucht, absolut und vollständig arithmetische Beweisverfahren mit arithmetischen Mitteln zu beschreiben, sich notwendig in Widersprüche verstricken muss.

(Diese Seltsamen reflektiven Dreiecksverhältnisse zwischen Subjekt, Objekt und Beobachtungs-/Kommunikations-/Beweis-Prozess werden ja auch von der modernen Psychologie ganz toll beschrieben. Watzlawik ist klasse und auch Fritz B. Simon: "Meine Psychose, mein Fahrad und ich." Das Muster ist überall dasselbe wie bei Gödel: Wenn die Metaebene teil des Systems wird, beginnt der Irrsinn=Widerspruch.)

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Was Günther herausarbeitet ist, dass gerade die Erfolge bei der Formalisierung der Logik (und damit der mathematischen Beweisverfahren) uns seit Gödel nunmehr nötigen, noch einmal ganz genau hinzuschauen, welche metaphysischen Grundlagen eigentlich in der griechischen Logikvorstellung enthalten waren.

Und er kommt dann eben dahin, dass es gerade diese Zweiwertigkeit der aristotelischen Logik ist, die stillscheigend seit 2000 Jahren angenommen wurde, und die nur mit einer metaphysischen Neuordnung der Kernbegriffe überwunden werden kann.

Ergänzend noch: Das mathematische Gleichheitszeichen ist formaler Ausdruck der Verbs "sein." zweiundzwei IST vier. Ontologie (gr. ontos, lat. ens, dt das Seiende, engl being, Partizip Präsens) ist die Lehre vom Seienden. Deshalb ist die Ontologie natürlich auch immer mit dabei und Günther muss genau hier: Beim Sein des Seienden beginnen.

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Wobei ich große Zweifel habe, dass ich das jetzt klarer zusammenfassen konnte, als Günther selber.
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