Menschenhirn und Sternenstaub
Offen ist die Frage, ob alle diese Vorstellungen, aller Menschen über alle Zeitperioden (Epochen) hinweg, also die Gesamtheit dieser Teile, die ganze Welt ergeben.
Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Vorstellungen der 'Welt' differieren durch ihre Veränderlichkeit. Sie war vor 100 Jahren eine andere, erst recht vor 1000 Jahren, ganz zu schweigen von den vielen Millionen davor. So, wie sie sich temporär darstellt, verändern sich auch die Ansichten darüber.
Vor Columbus war die Welt eine Scheibe - was hätte diese Ansicht über die Welt heute noch für einen Wert, da wir längst wissen, dass sie das nicht ist?
In kleineren Objekten können sich die Ansichten annähern.
Wenn ich heute aus dem Haus gehe, sehe ich einen Baum vor dem Haus stehen wie vielleicht einer meiner Vorfahren. So ergeben sich Kongruenzen, denn dieser Baum war Teil seiner Welt und ist Teil der meinigen, auch wenn es nicht derselbe Baum ist. Aber die Erfahrung 'Baum und Haus' wird sehr ähnlich sein.
Dennoch: Wenn ich den Baum jeden Tag beobachten würde, wäre er heute anders als morgen und im nächsten Jahr hat er sich im Detail weiter verändert, auch wenn bestimmte Merkmale: Form des Laubs, die Rinde, die Art des Gerüstes, erhalten wären.
Das sind für uns erfahrbare und erlebbare, erfühlbare Teile der 'Welt'.
Durch unsere Teleskope wissen wir inzwischen viel über die Beschaffenheit des Kosmos.
Wir können Fotos sehen von weit entfernten Planetenoberflächen und noch weiter geschaut von anderen Galaxien, von Spiralwirbeln die der Milchstraße ähneln, von Quasaren, von Staubwolken, aus denen sich neue Sonnen bilden...
Theoretisch wissen wir jetzt also: Auch das ist Teil der Welt. Aber ist sie dadurch für uns anders als jetzt erfahrbar? Das Wissen darum erweitert nur unsere Ansichten, nicht unser Menschenleben. Wir werden nie wissen, wie das Gefühl ist, sich solchen Objekten zu nähern, werden vielleicht nie den Staub der Marsoberfläche in Händen halten, und die allerwenigsten werden einen Blick auf die Erde tun, wie sie auf ihrer Bahn um die Sonne rotiert.
Nun wissen wir: Der Kosmos ist groß. Er ist Teil der Welt, und dennoch nicht
unserer Welt.
Durch Einstein hat sich auch unser Verständnis von Zeit gewandelt. Nun wissen wir, dass Zeit relativ ist. Dennoch
erfahren wir es hier anders.
Wie also soll sich uns die Welt darstellen? Was wir spüren können ist eine große Unsicherheit über den Rahmen unserer Existenz, weil nichts so bleibt, wie es war. Das war auch schon das Erlebbare unserer Vorfahren.
Sie setzten dieser Verunsicherung ihre spirituelle Kraft entgegen, in der Hoffnung zu überdauern. Der wunsch nach dem Paradies oder dem 'Himmel' in dem sie sich geborgen und sicher fühlen konnten, war groß.
Uns hat das erweiterte Wissen um die Funktionalität der Welt aber um die spirituelle Kraft gebracht. Das Paradies im Himmel ist nicht mehr Teil unserer Ansicht über die Welt, auch wenn sich noch große Teile der Menschheit an eine solche Vorstellung klammern. Aber mit dem Wissen um die Veränderlichkeit und Unwiederbringlichkeit der momentanen Erscheinungen ist auch der Nihilismus Teil unserer Vorstellung geworden.
Unsere Realitäten verändern sich, und vielleicht ist das die einzige Erkenntnis, die sich als Vorstellung
und Erfahrung über sämtliche Epochen der Menschheitsgeschichte zieht.