Richtig kontra gut
PrologZum Beweis, das richtig nicht auch gut bedeutet wird es einige Zeilen, viele Zeilen brauchen. Ich tue es anhand eines Beispiels aus der Bibel. Das ist vielleicht auch nicht verkehrt, weil es leichter ist. Ein Beispiel aus unserer heutigen Zeit würde viel schwächer sein, da wir nur allzuoft Gefangene unserer Richtigkeit sind. Dem geneigten Atheisten möchte ich nahelegen dennoch weiterzulesen und den religiösen Kontext auszublenden. Hier geht es um einen brisanten philosophischen Aspekt, und nicht um Religion und Glauben. Es geht um die Frage, ob wir in der Lage sind falsch zu handeln, weil es gut ist.
Hier erstmal der Bibeltext:
Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Er aber sprach zu ihm: Wie steht im Gesetz geschrieben? Wie lieset du? Er antwortete und sprach: "Du sollst Gott, deinen HERRN, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten als dich selbst." Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tue das, so wirst du leben.
Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: "Wer ist denn mein Nächster?" Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho und fiel unter die Mörder; die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und ließen ihn halbtot liegen.
Es begab sich aber ungefähr, daß ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und da er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Levit; da er kam zu der Stätte und sah ihn, ging er vorüber. Ein Samariter aber reiste und kam dahin; und da er ihn sah, jammerte ihn sein, ging zu ihm, verband ihm seine Wunden und goß darein Öl und Wein und hob ihn auf sein Tier und führte ihn in die Herberge und pflegte sein. Des anderen Tages reiste er und zog heraus zwei Groschen und gab sie dem Wirte und sprach zu ihm: Pflege sein; und so du was mehr wirst dartun, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Welcher dünkt dich, der unter diesen Dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Mörder gefallen war? Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihn tat. Da sprach Jesus zu ihm: So gehe hin und tue desgleichen!
Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: "Wer ist denn mein Nächster?" Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho und fiel unter die Mörder; die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und ließen ihn halbtot liegen.
Es begab sich aber ungefähr, daß ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und da er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Levit; da er kam zu der Stätte und sah ihn, ging er vorüber. Ein Samariter aber reiste und kam dahin; und da er ihn sah, jammerte ihn sein, ging zu ihm, verband ihm seine Wunden und goß darein Öl und Wein und hob ihn auf sein Tier und führte ihn in die Herberge und pflegte sein. Des anderen Tages reiste er und zog heraus zwei Groschen und gab sie dem Wirte und sprach zu ihm: Pflege sein; und so du was mehr wirst dartun, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Welcher dünkt dich, der unter diesen Dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Mörder gefallen war? Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihn tat. Da sprach Jesus zu ihm: So gehe hin und tue desgleichen!
Erste Betrachtung
Betrachten wir das Gleichnis aus heutiger Sicht sind die Rollen schnell geklärt. Da gibt es das unschuldige Opfer. Dann die beiden Tempeldiener (Levit und Priester) wobei man schnell geneigt ist den „Kirchenangestellten“ Inhumanität zu bescheinigen. Und nicht zuletzt der liebe Samariter der barmherzig handelt. Als Fazit bleibt das man doch barmherzig sein soll.
Und so hinterlässt dieser Beispielerzählung nur ein warmes kuschliges romantisches Glaubensfeeling. Ach wie schön.
Keine Sorge, in den nächtsten Zeilen werde ich einiges erklären und die Romantik kippen, und die gesamte Brisanz dieser Beispielerzählung „wiederherstellen“. Und dann offenbart sich auch der philosophische Aspekt.
Exegese
Nun werde ich die Exegese starten, und die vermeintliche Richtigkeit ins Schwanken bringen. Exegese bedeutet, das die historischen Hintergründe hinzutreten.
Der Weg nach Jericho war bekannt für seine Raubüberfälle, und dennoch vielbewandert. Damit er auch vielbewandert blieb wurde bei einem Raubüberfall unter Androhung von Gewalt nur ein Tagessatz vom Opfer gefordert. Nur wenn man sich weigerte wurde einem alles genommen, und erst dann mit Gewalt. Durch diese Praktik hatten die Räuber ihr „Einkommen“ ohne jedoch zu riskieren das die Menschen aus Angst vor einem Überfall einen anderen Weg gingen. Also quasi fast „nachhaltiges rauben“ (->Wegezoll)
Hätte das „Opfer“ also murrend einen Tagessatz bezahlt hätte er weiter seines Weges gehen können, und hätte nicht mittellos und blutend im Graben gelegen. Aus dem vormals unschuldigen Opfer ist nun ein Opfer geworden, was seinen Zustand also durch eine gewisse Art der Fahrlässigkeit selbst heraufbeschworen hat.
Nun kommen wir zum Leviten und zum Priester. Beide gingen am Opfer vorüber. Der erste Aspekt ist, das wohl beide vom Tempeldienst kamen, der auch mal ein halbes Jahr dauern konnte. Nach Beendigung des Tempeldienstes bekamen sie Ihre Auslöse, liefen also mit bis zu einem halben Jahresgehalt in bar den Weg entlang. Deweiteren war es Tempelbediensteten gesetzlich untersagt mit Blut in Berührung zu kommen. Mit ihrem am Opfer vorbeigehen handelten sie also absolut richtig. Aus religiöser Sicht führte es sogar noch dazu das ihnen das Durchführen von religiösen Zeremonien untersagt worden wäre, also der Grund ihrer Reise noch obsolet geworden wäre.
Nun der Samariter, der half. Dieser gehörte eine Volksstamm in Samarien an, der von den Juden verachtet wurde. Streng genommen war es falsch, das er dem Opfer half.
Resümee
So, was bleibt nun übrig? Was bedeutet es nun? Ich übersetze mal das Beispiel in die heutige Zeit:
Du bist unterwegs. Am Wegesrand liegt ein Überfallener, der an seinem Zustand nicht völlig unschuldig ist. Gesetzlich ist es dir verboten ihm zu helfen. Was tust du? Handelst du richtig oder gut? Du kannst dich nur zwischen richtig/„böse“ und falsch/gut entscheiden.
Bist du bereit falsch zu handeln, um Gutes zu tun? Oder handelst du richtig, und nimmst das Böse in Kauf?
Ich bin mal gespannt.