Die abstrakte Melancholie des Themenstellers möchte ich gern mit etwas Greifbarem erweitern und somit der Aufforderung von Jincadenza folgen, für das Thema einen thematischen Den zu spinnen.
Geld ist hierfür ein mögliches, schönes Stichwort. Geld ist die einzige Religion, der wir aufrichtig huldigen.
Fast hätte ich den Familienbetrieb übernommen, als ich Ende Zwanzig war. Es kommt der Moment in einem jeden Leben, da muss man sich für das Eine oder andere entscheiden. Und ich bin sicher, dass ein jeder und eine jede, die das jetzt hier liest, weiß, wovon ich spreche. Auch Du hattest diesen Moment ein Deinem Leben, wo Du überlegt hast, ob Du lieber als Straßenmusiker durch die Welt tingelst oder eine Ausbildung zum Ingenieur oder Beamten abschließt.
Werde Beamter, da hast Du später einmal ausgesorgt. Gell?
Um es klar zu sagen. Es liegt meinerseits keine Wertung in dem, was jemand tut. Ich kenne sehr viele glückliche ingenieure. Was zählt, ist der Glücksmoment bei dem, was Du tust.
Es bleibt zu untersuchen, wieso die Deutschen so sehr auf Sicherheit bedacht sind, dass sie dafür ihre innere Freiheit verraten. Es ist immer Verrat an einem Selbst, wenn man die Straße der Vernunft einschlägt. Vernunft ist wichtig und gut. Doch wenn Rationalität und Irrationalität miteinander ringen, so sollte auf eine längerer Strecke immer eine Balance herrschen.
Paradoxerweise wird der kapitalistische Weg exakt mit den Träumen gefüttert, die in uns sind: "Verwirkliche Dich selbst"! Oder das klassische "Vom Tellerwäscher zum Millionär". die Exponenten dieser Lüge dürfen dem Präsidenten die Hand schütteln. Sie erzählen dann in Talkshows von ihrer schweren Kindheit und dem Willen, sich durchzuboxen, weil man immer an sich selbst geglaubt hat.
Wir lieben Märchen. Wir mögen es, uns Stellvertreter für unsere Träume zu suchen - Popstars, Adlige oder Models, manchmal auch punkige Rocksänger - es ist für jeden etwas dabei. Die Pose wird immer zielgruppengerecht eingesetzt.
Niemand auf der Welt ist so sehr versichert wie der deutsche Durchschnittsbürger. Niemand liebt das Untergehen in der Masse so sehr, wie wir - Beispiele hierfür sind Love Parade, Nürnberger Reichsparteitage, Fanmeilen, etc. Der Deutsche drückt sich vor der Verantwortung - vor der eigenen und vor der gesellschaftlichen. Er liebt Hasstiraden im anonymen Shitstorm gegen alles, das anders ist. Vielleicht ist er gerade deshalb ein Meister darin, andere hart zu kritisieren, weil diese aus jenem Kreislauf auszubrechen versuchen.
Zugeben würde das jedoch niemand. Wir demonstrieren Individualität mit Markenklamotten, Fernreisen und einem noch größeren SUV als ihn der Nachbar hat. Das fatale daran ist, dass es schon schmerzt, dies wie ein Mantra immer zu wiederholen. Der Mensch weiß das. Er weiß, dass er funktionieren muss, um Anerkennung zu finden.
Für uns Männer zahlt sich das aus. Viele Frauen finden Männer mit Geld und Macht sexy. Oder ist es reiner Zufall, dass ein junges Model sich anstatt in einen Busfahrer zu verlieben, den Fußballer, Sänger oder Schauspieler vorzieht?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir werden dazu erzogen, uns best möglichst zu verkaufen, uns ein großes Stück vom Kuchen zu sichern, um uns überlegen fühlen zu können. Die Störgeräusche aus dem Hinterzimmer des Bewusstseins, wo sich manche Träume und Sehnsüchte einfach nicht negieren lassen, kontrollieren wir wunderbar mit Drogen, oder mit Verdrängung - so lange, bis man sich selbst eine Wahrheit geschaffen hat, um all den Scheiß zu rechtfertigen, den man anrichtet. Darüber hinaus muss man manchmal dennoch aus der Haut fahren dürfen, um ein Flüchtlingsheim anzuzünden, beim Karneval oder Oktoberfest stockbesoffen die Nachbarin zu begrapschen, damit man den Rest des Jahres wieder darauf achtet, dass niemand aus der Spur der political correctness ausschert..
Das Kernproblem besteht darin, dass es für die Suche nach dem Glück keine tariflichen Löhne gibt. Du musst bereit sein, zu scheitern, in den Augen anderer ein Versager zu sein. Ich kenne sehr viele Künstler, ob Maler, Musiker, Autoren, die großes Talent und Inspiration besitzen, deren Werke besser sind als das, was erfolgreich ist. Doch die Menschen geben lieber Geld aus, um Mario Barth in einem Stadion zu sehen, anstatt sich für Off-Kultur zu begeistern. Gut ist also, was alle gut finden. Da geht man kein Risiko ein.
(Hinweis: Ich neige zur Zuspitzung. Ich weiß, dass es kein Schwarz/weiß gibt. Provokation ist das Elixier einer lebhaften Diskussion))
Hier noch etwas Besinnliches: YES! Try it!
Ein weiteres Zitat soll dennoch Hoffnung geben. Es ist ebenso aus einem Song zum Thema "Lebenslügen":
"But in the long run
There's still time to change the road you're on"
(aus: Stairway to Heaven - Led Zeppelin)
Oder anders ausgedrückt:
Hör auf zu jammern, zieh Konsequenzen. Das kannst Du in jeder Phase Deines Lebens tun. ändere Dich, ändere Dein Leben...
Oder halte die Klappe!