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Anarchismus

Schlusswort
nachdem dieser Thread wohl zu seinem Ende gekommen ist, möchte ich Allen danken, die sich Mühe gegeben haben (das sind NICHT alle, die hier was geschrieben haben!).

Zwar habe ich keine "brauchbaren" Antworten auf meine Fragen bekommen. Aber immerhin interessante Anregungen.

Ich selbst werde weiterhin und noch intensiver versuchen, mein Leben ohne Einschränkungen durch Autoritäten zu führen:

"Jede Autorität erniedrigt. Sie erniedrigt gleichermaßen Herrscher und Beherrschte. Wird sie gewalttätig, brutal und grausam ausgeübt, so ruft sie eine positive Wirkung hervor, indem sie den Geist der Revolte und den Individualismus anstachelt, der sie vernichten soll. Wird sie mit einer gewissen Großzügigkeit ausgeübt und werden Preise und Belohnungen vergeben, so ist ihre Wirkung furchtbar demoralisierend. In diesem Fall werden sich die Menschen des furchtbaren Druckes, der auf ihnen lastet, weniger bewußt und gehen in einer Art von vulgärem Wohlbehagen durch das Leben wie zahme Haustiere, ohne jemals zu erkennen, daß sie wahrscheinlich die Gedanken anderer Menschen denken, nach den Normen anderer Menschen leben, daß sie gewissermaßen nur die abgelegten Kleider der anderen tragen und niemals, auch nicht einen Augenblick lang, sie selbst sind." (Oscar Wilde)
*******z_st Mann
785 Beiträge
****paz:
Zwar habe ich keine "brauchbaren" Antworten auf meine Fragen bekommen.

schade. allerdings hast du dich ja leider wenig an der diskussion beteiligt (z.b. durch konkretisierung deiner fragen, eingehen auf vorschläge von teilnehmern oder schilderung eigener, alltagsbezogener erfahrungen) ...was einer der gründe war, warum ich irgendwann ausgestiegen bin.
Also zum Begriff wurde ja nun allerhand vernünftiges gesagt und wenn man nicht völlig begriffstutzig ist, kann man eigentlich damit schon etwas anfangen (ok. als Zuarbeit für eine Dissertation reicht es denn wohl nicht...).
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Begriffsstutzigkeit muss im Zusammenhang wohl wieder als Komponente einer bestens funktionierenden Herrschaftsstruktur gelten.
Herrenhaus
Klar, hier wurde zum Themenbegriff viel vernünftiges (klar) gesagt; aber welche haben Schwierigkeiten das zu verstehen - sind also nicht Herr in ihrem Haus (bis oben unter dem Dach...).
*******z_st Mann
785 Beiträge
@ abelpaz
... nur noch, weil ich es grad entdeckt hab und dabei an deine ausgangsfrage bzw. deine geschilderte problematik dachte.

am 23/24.04. findet in storkow das ancap-happening statt. da triffst du nahezu ausschliesslich nur anarchisten...kannst also bei bedarf deinem kontaktdefizit entgegenwirken... und genau dein thema ist diesmal auch thema der veranstaltung. auf anfrage hat mir der veranstalter gesagt, dass es diesmal insbesondere um die praxisbezogenheit gehen soll. hier mal aus dem heutigen FB-posting:

"Liebe Freunde der Freiheit!

Unser nächstes Happening wird unter dem Motto „Freiheit im Spätetatismus“ stattfinden. Im Vordergrund steht die Frage, wie jeder Mensch für sich persönlich größtmögliche Freiheit in einer zunehmend etatistischen Welt erreichen kann.

Damit wir dem Happening-Gedanken etwas mehr gerecht werden können, werden wir diesmal etwas experimentieren, d.h. es wird kein reines Vortragsprogramm mehr geben. Vielmehr werden wir versuchen, mehr zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und neue Ideen zu entwickeln. Es soll also ein wenig in Richtung „Workshops“ gehen.

Wir freuen uns sehr, daß wir alte und neue Gäste zum kommenden Happening begrüßen dürfen. Es freuen sich auf den Erfahrungsaustausch mit Euch Stefan Blankertz, Rahim Taghizadegan, Christoph Heuermann, Dominik Ešegović, Philipp Bogensberger und Uwe Werler.

Die einzelnen Themenschwerpunkte werden wir in den nächsten Tagen hier auf unserer Seite bekanntgeben.

Bitte habt noch ein wenig Geduld, bis wir die Anmeldeseite freigeschaltet haben. Wir werden Euch zeitnah davon über
die üblichen Kanäle in Kenntnis setzen.
"

...also keine ausrede mehr für "alleine sein" mit deiner einstellung *zwinker*

hier der link zu FB:
https://www.facebook.com/AnCapHappening/

hier der link zur website, infos zur diesjährigen veranstaltung sind aber noch nicht drauf und kommen erst noch:
http://www.ancap-happening.de/

so, bin wieder weg.
ordentliche Quellen
Im Hintergrund steht hier Ludwig von Mises, ein bedeutender Nationalökonom aus Österreich (1881-1973), der u.a. auch eng verbunden war mit von Hayek und dem Wiener Kreis; der wiederum die Basis für den Positivismus innerhalb der Philosophie wurde (u.a. Carnap, Schlick).

Van Miss vertritt neben seinen ökonomischen Positionen (Geldwert, Konjunkturzyklen) politisch bzw. philosophisch eine Theorie des Handelns a priori nach Regeln (sog. Praxeologie). Damit übernahm er direkt die Idee des synthetische Apriori von Kant und führte dessen mentale Kategorien in Kategorien des Handelns über. Eine Ansicht die natürlich bedeuten würde, dass wirtschaftliche Gesetze rein deduktiv entwickelt werden können und die natürlich strittig ist.

Bei solchen Quelle kann man dieser Bewegung aber nur größtes Interesse entgegenbringen.

Danke für den Beitrag!
*******z_st Mann
785 Beiträge
*******are:
Bei solchen Quelle kann man dieser Bewegung aber nur größtes Interesse entgegenbringen.

es ist eigentlich keine "bewegung", sondern einfach nur ein treffen von ancaps zwecks gedankenaustausch und weiterbildung (anarchisten neigen nun mal nicht zu kollektiven bewegungen *lächel*). ...und nahezu alle ancaps kennen und präferieren die österreichische schule der nationalökonomie, weil sie schlicht und einfach logisch, vernünftig und in ihren analysen und vorhersagen immer korrekt war/ist. ...im gegensatz zur keynesianischen ökonomie, die uns den ganzen heutigen mist eingbrockt hat.
mit rahim taghizadegan ist übrigens einer der wichtigsten, heute lebenden und arbeitenden, vertreter der österreichischen schule beim treffen anwesend.

Danke für den Beitrag!

nichts zu danken. bin schon heilfroh, dass hier mal jemand weiss wer hayek und mises sind.
Gut, Bewegung ist vielleicht übertrieben. Aber es ist eine Gruppierung unser Gegenwart. Dort kann man möglicherweise auf interessante Menschen und Gedanken stoßen. Somit besteht hier eine gute Chance auf inspirierende Reflexionen zu Phänomenen unser Zeit zu treffen.

Denn es ist für mich oft nicht leicht aus der Position der Philosophie heraus, mit ihren vielen Strömungen, auch eine konsistente Verknüpfung zur heutigen Lebenswelt aufzubauen und zu halten.

Und das auf einer Ebene, die durch Wissen (Bildung) und Intelligenz gekennzeichnet ist. Mir geht es darum die Urteilskraft auch zum Heute zu entwickeln und so der Gefahr einer Traditionspflege und in der Folge der Einseitigkeit zu entgehen.

Es wäre zu hoffen, dass sich solche Verbindungen von Menschen in der Gesellschaft entwickeln. Die gegenwärtige Technik (Internet) bildet eine gute Chance zu deren Verbreitung. Unsere Kultur bedarf dringend Gegenentwicklungen zum Mainstream.
*******z_st Mann
785 Beiträge
@ yokowakare

solche verbindungen gibt es zu hauf und mit steigender tendenz. während vor 15 - 20 jahren stefan blankertz (auf der philosophisch/soziologischen seite) und roland baader (auf der ökonomischen) die einzigen auf weiter flur in deutschland waren, die durch aktive arbeit, veröffentlichen von werken, weiterentwickeln von theorien, etc. die fahne der vernunft auf basis der "österreicher" hochhielten, hatt sich das mittlerweile massiv geändert. aktuell gibt es um die zehntausend libertäre und einige hundert ancaps (allein ich hab über zweihundert in meiner FB-kontaktliste). hier ist ein klares exponentiales wachstum festzustellen. die möglichkeiten der vernetzung und des selbststudiums durch das www spielen eine wesentliche rolle dabei... aber vor allem auch die gesellschaftliche/politische entwicklung und ihre permanent gepredigte (angebliche) alternativlosigkeit. ...was bei vielen automatisch zur suche nach alternativen führt.
quasi jede woche schiesst irgendwo eine website, ein youtube-kanal, ein blog, eine FB-gruppe usw. aus dem boden, die sich damit auseinandersetzt und wo sich menschen austauschen.
die seite vom mises institut, mit eher ökonomischen themenschwerpunkten, hast du ja schon gefunden. da gibt es auch noch mehr seiten die sich mit mises, hayek, rothbard, etc. beschäftigen.

seiten/communitys mit anderen themenschwerpunkten, aber gleichem oder verwandtem philosophisch/ökonomischen fundament wären beispielsweise:
libertaere-rundschau.de ... mit intellektuell und praxeologisch orientierten aufsätzen
freiwilligfrei.de ...eher schwerpunkt auf praktischem anarchismus
freitum.de ... gemischte beiträge libertärer autoren
ef-magazin.de ... dito
u.v.m.
...es gibt auch eine libertäre partei sowie viele stammtische und regelmässige treffen in diversen städten usw.

es gibt also z.z. jede menge aktivitäten auf den grundsteinen die mises, hayek, rothbard, hoppe, baader, usw. gelegt haben und somit auch viele möglichkeiten zum gedankenaustausch. ....inkl. der üblichen schlammschlachten und zickenkriege *zwinker*
das oben genannte ancap-happening ist also nur eine aktivität von vielen. allerdings auch eine recht gute, da bei den vergangenen veranstaltungen immer hochkarätige denker da waren und der kreis der teilnehmer überschaubar klein ausfiel, was den erfahrungsaustausch begünstigt. ....und da fast ausschliesslich anarchisten da sind, will dir auch niemand irgendeine ideologie aufdrängen, was recht entspannend ist *g*

*******are:
Denn es ist für mich oft nicht leicht aus der Position der Philosophie heraus, mit ihren vielen Strömungen, auch eine konsistente Verknüpfung zur heutigen Lebenswelt aufzubauen und zu halten.

interessant. ich komme aus exakt der gegenteiligen richtung. micht interessiert philosophie immer nur so weit, wie ich sie direkt mit meinem leben und alltag in verbindung setzen kann. die wenigen ausflüge, die ich in die philosophie unternommen hab, dienten lediglich dazu klarheit in mein denken und handeln zu bringen. sobald es zu theoretisierend wird und es nur um´s "rumlabern" geht, wende ich mich instiktiv ab.
*******alm Paar
7.574 Beiträge
sind........
arbeiter dabei?

vom bau,
straßenreinigung oder gar müllabfuhr,
pflegekräfte,
vielleicht sogar begleiter des letzten weges, ich denke dabei nicht an den terroristen, sondern an löcherbuddler, schmücker und dunkelscheibenfahrer.

ich denke an die, die seitab mehr für uns tun als viele philosophen.

calm*namd*
*******z_st Mann
785 Beiträge
@ sweet

meinst du das ancap-happening? klar. da geht es quer durch den gemüsegarten. professor, taxifahrer, freiberufler, kellnerin, sozialarbeiter, musiker....
@emergenz
Danke Dir für die Einblicke und die Informationen! Mein Hauptproblem ist die Komplexität der Themen und Inhalte bei gleichzeitiger Begrenzung durch die Zeit.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Notwendigkeit Informationen und Meinungen sorgfältig zu überdenken und zu prüfen. Mein Leitspruch war schon seit meiner Jugend multum non multa (vieles, nicht vielerlei). Die Genauigkeit, als Merkmal von Qualität im Denken, hat bei mir den Vorrang vor Viel-Wissen.

Die Philosophie betreibt natürlich auch zu einem beträchtlichen Teil Selbstbeschäftigung. Nicht zu übersehen ist, dass auch dort die Eitelkeit und das Gehabe massiv vertreten sind (Philosophen sind auch Menschen...). Dennoch ist hier Redlichkeit und Gründlichkeit im Denken, im Verhältnis zu anderen Bereichen, noch am stärksten vertreten.

Die von Dir angesprochenen Autoren aus dem Bereich der Wirtschaftslehre kenne ich zum Teil, weis aber noch nicht sehr viel darüber (habe etwas Smith, Marx, Keynes, Samuelson und Stieglitz studiert).
*******z_st Mann
785 Beiträge
*******are:
Die von Dir angesprochenen Autoren aus dem Bereich der Wirtschaftslehre kenne ich zum Teil, weis aber noch nicht sehr viel darüber (habe etwas Smith, Marx, Keynes, Samuelson und Stieglitz studiert).

ok, kurzer überblick:

ludwig von mises und friedrich august von hayek kennst du ja. sie sind, neben vielen anderen, die herausragendsten vertreter der österreichischen schule.... und quasi die philosophisch/ökonomischen gegenpole zu marx, keynes usw.
der amerikaner murray rothbard ist dann der wichtigste denker der nächsten generation gewesen. hier in deutschland hat die linie roland baader weitergeführt.
interessanter weise waren bis zu diesem zeitpunkt fast alle genannten und ungenannten vertreter dieser denklinie minarchisten. wobei rothbard dann später aufgrund der logischen konsequenz seiner eigenen theorien herrschaft ablehnte. der anarchismus hat dann mit hans hermann hoppe (direkter schüler von rothbard, deutscher in USA lebend) zu 100% einzug gehalten, sowie mit stefan blankertz in deutschland.
stefan ist übrigens auch beim ancap-happening dabei. er ist ein extrem netter und sympathischer mensch.... allerdings ein grotten schlechter redner ...er denkt und schreibt hervorragend, aber sich vorträge und interviews mit im anzusehen ist kein genuss *g* ...daher schreibe ich auch lieber mit ihm über facebook.

übrigens, allen gemein ist, dass sie sich, wie mises, nicht nur mit ökonomie, sondern auch philosophie auseinandergesetzt und bücher bzw. aufsätze dazu veröffentlicht haben. was auch logisch ist, da beides ineinander fliesst und man ökonomie nicht abgekoppelt vom handeln und denken der menschen betrachten kann.... was dann wiederum die beschäftigung mit praxeologie, ethik, eigentumtheorie usw. einschliesst.
Danke für Deine umfangreiche Beschreibung; sie ist geeignet, mich mit meinem Blick dort hin zu begeben...
**e Mann
2.564 Beiträge
Ich nenne mich einen Anarchisten.

Ich bin in gesellschaftliche und politische Strukturen hinein geboren, die ich damals weder kannte, noch mitbestimmen durfte.
Um mich herum sehe ich Menschen, die genau wie ich in dieses Modell hinein geboren wurden. Der Umstand ist für mich von Bedeutung, da kaum einer, den ich kenne, das Gesellschaftsmodell aktiv erschaffen hat. Leider hat sich bis heute, bei aller Kritik an diesem Modell, noch keine Mehrheit gefunden, es abzuschaffen oder radikal zu Modifizieren.
So lange sich nicht genügend Leute dafür finden, in solchen Belangen zu kooperieren, muss ich mit dem Herrschaftssystem leben.
Geradezu paradox wäre es, machte ich nun die Herrschenden oder deren Herrscherwillen dafür verantwortlich, dass das System im Prinzip immer noch so funktioniert, wie wir es seit tausenden von Jahren kennen.
Nicht der Herrscher ist für den Zustand verantwortlich, sondern die Beherrschten.

Gut, ein paar Errungenschaften haben wir erreichen können, die Ablösung des Feudalsystems, die nominelle Gleichberechtigung vieler Menschen und zumindest ein zaghafter Versuch in Sachen Demokratie. Der bisher zurückgelegte Weg stimmt mich zuversichtlich.

Denke ich den demokratischen Gedanken zu Ende, dann lande ich bei einem System, in dem das Individuum oben steht. Hier ist der einzelne Mensch das höchste Gut, ist sein eigener Entscheidungsträger, keinem anderen verpflichtet außer seinem eigenen Gewissen. Ein jeder ist sich selbst der Wichtigste und steht an höchster Stufe eines nun wirklich demokratischen Systems. Alles andere ordnet sich ihm unter.

Könnte man Volksherrschaft nennen. Das würde allerdings die Tatsache verkennen, dass es ja gar kein Gefolge mehr gibt.

Wie ein solches System funktioniert, will ich hier nicht weiter ausbreiten. Eine solche wirkliche Demokratie wäre nichts anderes als Anarchie.

Da Gute an einem solchen System ist, dass wir es nicht mit Revolution oder Umstürzen erreichen müssen, sondern es durch eine sukzessive Machtverlagerung innerhalb des bestehenden Systems schaffen können.

Es war weiter oben von der Verantwortung die Rede, die ein jeder tragen müsse und dass nicht jeder dazu bereit sei. Ich glaube, das Tragen von Verantwortung will gelernt sein. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass es Verantwortung zu tragen gibt. Wie wir den Jugendlichen in der Pubertät Verantwortung übergeben, auf dass sie selbständig werden, so werden wir es nicht lernen, wenn man uns keine überträgt.

Erste Schritte sind mehr Entscheidungsmöglichkeiten für das Volk, Volksentscheide, Bürgerbegehren, direkte bzw. "liqiuide" Demokratie etc.

Gaanz langsam geht der Zug schon in diese Richtung. Ich weiß zumindest, wie die politische Landschaft noch vor 20 Jahren in Bezug auf diese Themen aussah. Das gibt Anlass zu Hoffnung.

Anarchie zu leben, gibt mir ungeheuer viel. Anarchie leben, heißt für mich in erster Linie, mich als obersten Entscheidungsträger auf einer Ebene mit meinen Mitmenschen zu sehen. Als Entscheidungsträger bin ich selber verantwortlich. Selbst für das bestehende Herrschaftssystem. Auch wenn ich noch nicht genügend Leute finde, die mit mir in der Sache kooperieren und das System verändern, trage ich meine Verantwortung für die Existenz des Systems, ob ich es mag oder nicht.

Wer, wenn nicht ich, natürlich gemeinsam mit kooperierenden Menschen, kann am System etwas ändern? Die, die tief drinnen stecken, werden es am allerwenigsten tun.

Klingt vielleicht krass, aber die anarchistische Sichtweise lässt mich z.B. Politiker oder die Polizei als meine Angestellten sehen. Ich verhalte mich tatsächlich anders, wenn ich in eine Kontrolle gerate. Schließlich bezahle ich sie dafür, dass sie mich kontrollieren. Und das versuche ich dann auch, ihnen zu vermitteln. Ich trage die Verantwortung für das, was sie tun, solange ich es nicht ändern kann.

Ich verhalte mich anders in Gesprächen, z.B., wenn es um "die da oben" geht. Ich sage: ich bin oben, wir alle sind oben. "Die da unten" haben wir gewählt, uns zu vertreten. Die Kanzlerin ist ganz unten an der Spitze und entspräche die Hierarchie innerhalb der Demokratie nicht noch der der Kaiser- und Königreiche, dann hätte sie gar nichts zu sagen, wäre überflüssig.

Ich verhalte mich anders, wenn die Leute von Basisdemokratie, Demokratie von unten oder Graswurzelrevolution sprechen. Ich sage: was für ein Quatsch. In der Demokratie ist das Volk oben. Seht euch da, dann steht ihr auch da. Ist zumindest der erste Schritt.
*******z_st Mann
785 Beiträge
@ pue
danke für den sehr interessanten beitrag. für mich stecken da zwar einige widersprüche drin, deren klärung ich jetzt allerdings nicht als so wichtig empfinde, aber vor allem bin ich überrascht, da ich bisher von dir immer einen völlig anderen eindruck hatte. ich kann mich an diskussionen vor ein oder zwei jahren erinnern, da hätte ich dich fest in denkmodellen verortet, die eher (zwang)kollektivistische strukturen präferieren. ....bin grad positiv irritiert *g*
****ta Frau
2.135 Beiträge
pue:
Seht euch da, dann steht ihr auch da.

Das ist ein guter Ansatz, aber auch ein schwerer.
Die meisten Leute sind so sehr in übernommenen Denkstrukturen gefangen, dass ein solcher Schritt am Anfang eine Herkulestat ist, die jeden Tag neu geleistet werden muss.
Die Infiltration mit dem, ich nenne es mal 'feudalen' Denksystem, in dem die Eigenverantwortung fast gar nicht vorkommt, ist bei Leuten unserer Generation sehr groß, auch wenn es gerade in unserer Generation wieder etliche gibt, denen das überhaupt auffällt.
Um Umzudenken muss also praktisch bei allen Überlegungen, die wir anstellen, die Sache von innen noch aussen und von unten nach oben gestülpt werden. Das erfordert nicht nur Wahrnehmungsfähigkeit und die Selbstschulung darin, sondern auch eine ganz andere Art der Bewertung: Aus dem 'DIE' wird ein 'ICH'. Ich ertappe mich sehr oft dabei, dass mein Geist es sich leicht machen möchte - das merke ich schon alleine an meiner Ausdrucksweise: Ganz selbstverständlich spreche ich zuweilen die Sprache der Beherrschten und derjenigen, die es gewohnt sind, beherrscht zu werden. Also radiere ich im Kopf manche Begriffe aus und ersetze sie durch andere, meinen Anteil an dem Geschehen betonende. Und habe damit einen Ansatz, mir andere Strategien, mit dem Anstehenden umzugehen, überlegen zu können. Das gibt mir ein Stück weit meine Freiheit zurück, denn was dann folgt, liegt in meinem Ermessen, auch wenn es so gut wie immer mit mehr Mühe verbunden ist.

Um eine Umgestaltung der Gesellschaft zu erreichen, führt kein Weg an Bildung und Aufklärung vorbei, weil eben unterschwellig noch so viele alte Glaubenssätze existieren. Es braucht Platz zum Üben dabei, und den Platz müssen wir uns erobern, indem wir nach und nach immer mehr Institutionen infiltrieren, Steine auf die Gleise rollen (sinnbildlich), unsere Refugien selbst schaffen und versuchen, andere Modelle zu leben. Wir sind vielleicht nicht die Gründerväter- und Mütter einer solchen Bewegung, aber doch ein Teil des Motors, der neue Gesellschaftsformen antreibt.

Ich weiss nicht, ob jemals auf ein Regulativ in einer solchen Gesellschaft, in der jeder Verantwortung trägt, aber auch mehr Freiheiten hat, verzichtet werden kann. Ich halte meinen Wunsch danach für eine schöne Utopie, der wir uns vielleicht auf Armlänge nähern könnten. Aber wenn wir 100% wollen und davon 80% schaffen, ist das doch schon gut, nicht?
**e Mann
2.564 Beiträge
Ja, ist schon gut. Es sind Idealvorstellungen und wenn davon 80% durchkommen, ist es vielleicht schon zu viel.
Das Ding muss wachsen, um ein stabiles Pflänzchen zu werden. Und dabei verändert es sich. Weshalb man nicht allzu statisch an seinen Zukunftsvisionen fest halten sollte.

Was da mal bei raus kommt, weiß kein Mensch und darf sich ja auch gerne ändern. Mir stößt nur auf, dass wir das hier Demokratie nennen, das Modell aber nicht weiter entwickeln. Weiß, dass wir immer noch dem König gehorchen. Es fällt gar keinem auf, wie mir scheint.

Ich weiß, dass es der Knackpunkt im Bewusstsein ist, der den meisten fehlt.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Was in den letzten 30, 40 Jahren alternativ-politisch geschehen ist, ist ein sehr subversiver Prozess, der manchmal die Stringenz vermissen lässt, aber dennoch wie eine neue Welle immer mal neue Ansätze zur angestrebten verantwortlichen Gemeinwohl-Gesellschaft hochspült.

Aus dem Anarcho-Slogan der steinewerfenden 60er-Generation 'Macht kaputt, was Euch kaputt macht`ist zur Zeit ein 'Was man nicht sofort verändern kann, kann man untergraben' geworden. Und zeigt als Mittel der Wahl Schaufeln.
Eine Schaufel ist politisch gegeben in den Prozess. So kam das werden im Stein der Schaffung. Und die Gesellschaft ist in den Prozess gespült worden. Eine Welle der Verantwortung entstand.

So hat sich die Zukunft gestaltet. Damit ist das Wohl der Gesellschaft geschaffen gewesen. Eine neu Generation ist dabei nicht entstanden. Das Wesen im Kapitalismus ist aber gegeben. Die neuen Generationen überdauern ohne eine Fragestellung.
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