@ bicinum
danke für dein interessantes posting. natürlich ist es nicht nur anerzogen. es gibt viele gründe. die erziehung spielt allerdings eine entscheidende rolle dafür, welche wege zur bedürfnisbefriedigung wir kennen und einschlagen, sowie welche normen wir akzeptieren. betrachten wir z.b. den üblichen erziehungs- und "bildungs"weg in deutschland, so ist es, vereinfacht ausgedrückt, die perfekte sklavenzucht. sich von diesen prägungen zu lösen ist schon mal kein leichtes unterfangen.
der mensch entscheidet sich jeden tag dafür, beherrscht zu werden, sonst würde er ja ungehorsam sein.
die gründe dafür sind auch klar: in der persönlichen kosten-nutzen-rechnung wird der gehorsam als lohnender bewertet, wobei auch die subjektive unzufriedenheit, moralische skrupel und das wissen, dass herrscher verbrecher und lügner sind, bereits im akzeptierten preis enthalten sind.
spannender weise fragte heute jemand auf facebook: "Was war zuerst da, Herrschaft oder Gefolgschaft?"
ich antwortet: "das bedürniss verantwortung abzugeben (auf kosten der selbstbestimmung)"
stefan blankertz hingen antwortete dem fragenden: "Der Raub. Der Staat entsteht, wenn Sesshafte (Bauern) wiederholt geplündert werden, indem die Plünderer (meist Nomaden) erkennen, dass es vorteilhafter ist, den Bauern so viel zu lassen, dass sie überleben und weiterproduzieren."
ich denke auch er hat recht. es sind also mehrere faktoren. im prinzip läuft es auf die gestaltung der "beziehung" zwischen antagonisten heraus, und der entscheidung des einzelnen, wie er mit anderen menschen umgeht. für die entscheidung spielt sowohl das wissen, die normative prägung und der individuelle grenzwert bezüglich der kosten-nutzen-rechnung eine rolle. davon abhängig entscheide ich mich dann ob ich jemanden ignoriere, mit im kooperiere, ihm gegenüber als aggressor auftrete, mich gehorsam einem aggressor unterordne oder mich verteidige.
aggression ist einem grenzwert (welcher den punkt beschreibt, an dem sich die subjektive präferenz verändert) unterworfen, ebenso wie der widerstand gegen aggression. immer kommt es zu einer egozentrischen kosten-nutzen-abwägung.
was passiert beispielsweise bei der entscheidung für kooperation?: man geht diverse selbstverpflichtungen ein. man erkennt mit der entscheidung für kooperation die impliziten normen der kooperation an, die wichtigste ist die aggressionsfreiheit und die anerkennung des willens des anderen (sonst wäre kooperation nicht möglich). es sind also innerhalb dieser kooperativen ordnung nur diejenigen handlungen gerechtfertigt, die nicht zu den normen der kooperation im widerspruch stehen.
das "nicht-angriffs-prinzip" (als zentrales element des anarchismus) ist eine logische konsequenz der entscheidung zur friedlichen kooperation. es ist universell gültig, WENN kooperation gewollt ist. eine anarchistische gesellschaft wäre eine gesellschaft, deren mitglieder die friedliche kooperation wollen und bereit sind, sich selbst in ihren handlungen zu begrenzen.
der aggressor hingegen ignoriert die normen der kooperation, weil kooperation (und die damit verbundene selbstverpflichtung sowie anerkennung des willen anderer) von ihm gar nicht gewollt ist, und es liegt in seinem interesse den handlungsgrenzwert seines gegeüber dahingegend zu beeinflussen, dass dieser sich für gehorsam statt für widerstand entscheidet. beispielsweise um ihn regelmässig ausplündern zu können.
meine erachtens sind wir schon allein deshalb lichtjahre von einer anarchistischen gesellschaft entfernt, weil wir permanent die ankonditionierten strukturen übernehmen und anerkennen, welche gesellschaftliche monopolpositionen schaffen (z.b. monopol auf rechtsprechung, monopol auf gesetzgebung, gewaltmonopol, etc.). diese possitionen wecken kaum interesse bei überwiegend kooperativ veranlagten menschen, haben aber eine magische anziehungskraft auf aggressoren und parasiten.
ob, wie du schreibst, herrschaft nun ein mitbringsel aus der evolution ist, vermag ich nicht zu beurteilen. sicher waren wir evolutionstechnisch betrachtet, mal an dem selben punkt wie alle tiere: ich hab hunger, also fress ich das andere tier.
der mensch hat aber die fähigkeit entwickelt, nach eigenem willen, vom töten und rauben abstand zu nehmen. das tier kann das nicht. wenn du hunger hast kannst du jemanden erschlagen und/oder berauben oder du kannst ihn um etwas zu essen bitten und/oder im gegenzug etwas anderes anbieten. du kannst dich für kooperation entscheiden... wenn du willst.