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Anarchismus

Anarchismus
Bin jetzt schon einige Zeit dabei und bringe jetzt den Mut auf, ein neues Thema vorzuschlagen.

Der Begriff "Anarchismus" ist wie kaum ein Anderer befrachtet mit den verschiedensten Vorstellungen, Befürchtungen, Parolen und auch Ängsten. Das liegt meiner Meinung auch daran, dass es sehr unterschiedliche Strömungen des Anarchismus gibt und vor allem, dass "Anarchismus" oft und gerne als Kampfbegriff gebraucht wurde (und wird), um den Gegner zu diffamieren.

Anarchismus ist aber mehr und eigentlich etwas ganz anderes als eine politische Strömung. Ich sehe in ihm eine grundsätzliche Geisteshaltung mit Auswirkungen auf Gsellschaft, Wirtschaft, Geschlechterrollen und Ökologie.

Auch wenn ich mich hier in der Philosophie-Gruppe befinde, geht es mir weniger darum, über die Schriften von Bakunin, Kropotkin, Stirner, Landauer u.a. zu diskutieren. Ich möchte vielmehr wissen: Was kann "Anarchismus" heute zur Beantwortung aktueller Fragen beitragen? Kann ich als Person, als Privatmensch, im Alltagsleben von einer anarchistischen Haltung profitieren?
*******z_st Mann
785 Beiträge
****paz:
...dass "Anarchismus" oft und gerne als Kampfbegriff gebraucht wurde (und wird), um den Gegner zu diffamieren.

vor allem wird der begriff seit langem von herrschaftssystemen verwendet um angst vor anomie zu schüren, indem gewalttäter, randlierer, marodierende banden usw. fälschlicherweise mit dem etikett "anarchisten" versehen werden und somit dem sklaven indoktriniert wird anarchie ist böse und er brauche unbedingt einen staat der ihn davor schützt.


****paz:
Was kann "Anarchismus" heute zur Beantwortung aktueller Fragen beitragen?

jede menge, da die ursachen für die meisten probleme und verwerfungen in unserer gesellschaft in herrschaft und gehorsam zu finden sind.

****paz:
Kann ich als Person, als Privatmensch, im Alltagsleben von einer anarchistischen Haltung profitieren?

klares ja. nicht nur man selbst, sondern jede beziehung die man zu anderen menschen pflegt und vor allem kinder profitieren davon, wenn ihre eltern eine anarchistische grundhaltung haben.
****ta Frau
2.135 Beiträge
@abelpaz
Das Thema gefällt mir.
Aber bevor hier die Diskussion richtig los geht, wäre es begrüßenswert, wenn Du uns erst einmal eine Definition des Begriffes 'Anarchie' geben würdest, so wie Du ihn verstehst.

Wie von Dir bereits erwähnt, ist der Begriff prädestiniert für Interpretationen aller Art, und damit nicht alle ständig aneinander vorbei schreiben, sollte vorher eine Grundlage zur Orientierung geschaffen werden.

Wie sollte ein anarchisches Zusammenwirken für Dich idealer Weise aussehen?
*******z_st Mann
785 Beiträge
anarchie ist eigentlich, quer durch alle strömung der selben, als herrschaftsfreiheit - also der ablehnung von herrschaft über den menschen durch den menschen definiert. ...auch wenn nicht alle strömungen die sich als anarchistisch bezeichnen, dies konsequent vertreten, insbesondere wenn es ideologische/politische strömungen sind.

aber ich bin gespannt was abelpaz dazu sagt.
Abelpaz sagt Folgendes dazu:
An-archie, wörtlich genommen, ist das Fehlen von Herrschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Anarchisten lehnen jede Form von Herrschaft ab. Staatsapparate sind damit ebenso unvereinbar wie eine Abhängigkeit im privaten Bereich, etwa in der Ehe.

Was ganz einfach anmutet, gestaltet sich in der Praxis schwierig. Darf ich (vorübergehend) Macht ausüben, um eine anarchistische Gesellschaft zu ermöglichen? Vor diesem Problem standen die spanischen Anarchisten. Darf ich Gewalt zur Durchsetzung meiner Vorstellungen anwenden, oder ist Gewalt schon eine Form von Herrschaft? Ist das Privateigentum mit der anarchistischen Idee unvereinbar, oder müssen Anarchisten im Gegenteil Jedem das Recht zugestehen, Eigentum zu erwerden? Oder ist Privateigentum an sich eine Form von Herrschaft?

Mir geht es aber wie gesagt nicht unbedingt um theorethische Diskussionen. Sondern um konkrete Fragen: Könnte z.B. der Abbau von Herrschaft und Bevormundung dazu führen, dass die Bürger verantwortlicher agieren; oder ist ein gewisses Maß an Hierarchie notwendig, um Gemeinschaftsaufgaben zu bewältigen?
*******z_st Mann
785 Beiträge
****paz:
Könnte z.B. der Abbau von Herrschaft und Bevormundung dazu führen, dass die Bürger verantwortlicher agieren; oder ist ein gewisses Maß an Hierarchie notwendig, um Gemeinschaftsaufgaben zu bewältigen?

nun... wie ich auch bereits in einer anderen gruppe ausführlich dargelegt habe, darf man hierarchie und herrschaft nicht in einen topf werfen. daher sehe ich das "oder" in deinem obigen satz als gefahr für denkfehler an, welche lösungen verhindern.
herrschaft kommt nicht ohne hierarchie aus. hierarchie aber ohne herrschaft. ...nämlich dann, wenn hierarchie nicht auf zwang und gewalt beruht, sondern aufgrund von freiwillig anerkannter autorität, welche beispielsweise auf einem erfahrungs oder know how vorsprung beruht. einfaches beispiel:
wenn mir ein politiker vorschreibt wie ich zu leben habe und dies mit dem gewaltmonopol des staates durchsetzt, nutzt dieser eine erzwungene, auf herrschaft beruhende hierarchie.
wenn ich als flachlandbewohner an einer bergsteigertour im hochgebirge teilnehme, ordne ich mich freiwillig der gruppenhierarchie unter und befolge jede anweisung des bergführers, weil dieser einfach einen massiven erfahrungsvorsprung hat, welcher in kritischen situationen mein überleben sichert.
*****one Frau
13.323 Beiträge
gutes thema...
...
Mir geht es aber wie gesagt nicht unbedingt um theorethische Diskussionen. Sondern um konkrete Fragen: Könnte z.B. der Abbau von Herrschaft und Bevormundung dazu führen, dass die Bürger verantwortlicher agieren; oder ist ein gewisses Maß an Hierarchie notwendig, um Gemeinschaftsaufgaben zu bewältigen?...


fett von mir.
das von mir fett markierte ist eine these, die ich unterstütze- ABER:
das ODER ist der kasus knaktus dabei.
verantwortung ist ein schweres paket, das nicht jedes menschenkind gern trägt. im privaten ja, aber für das grosse ganze? das setzt aus meiner sicht voraus, dass menschenkind das grosse und ganze überblickt und daraus resultierend agiert. ich denke mal, dass sich die überblickend agierenden irgendwann in richtung "oben" befinden und sich dann wieder hierarchische strukturen entwickeln.
schlicht und ergreifend: einer muss das ruder in der hand haben.
bis dahin gedacht

diA
*****one:
erantwortung ist ein schweres paket, das nicht jedes menschenkind gern trägt. im privaten ja, aber für das grosse ganze? das setzt aus meiner sicht voraus, dass menschenkind das grosse und ganze überblickt und daraus resultierend agiert.

Ja, das ist mein Resumee ebenfalls.


Es kann nur dann funktionieren, wenn sich alle (!) einig sind, und dieses wollen. Das Problem, was Anarchisten noch nicht gelöst haben ist: Wie gehe ich mit denen um, die aber nicht "friedlich anarchistisch" leben wollen, sondern plündernd durch die Gegen ziehen wollen (organisiertes Verbrechen).
Etwaige Schutzmaßnahmen dagegen funkionieren nur, wenn deren Autorität zwangsweise erzwungen wird.

Anarchie für alle ist in der Theorie was tolles, in der Praxis ein Albtraum. Es sei denn, es geht nur darum, das ICH Anarchie haben möchte, also von allen gemeinschftlichen Zwängen, die das Zusammenleben von Menschen nun mal mit sich führt befreit sein will.....

Es gab schon alle Formen von Gesellschaften auf der erde, eine anarchistische war meines Wissens nicht dabei. Sie funktioniert in der Praxis halt nicht.
Anarchie als Modell
Die schönsten Realitäten sind Utopien, so auch die Anarchie. Nehmen wir mal an, es gäbe keine formulierten Regeln oder Gesetze, keine Herrscher und keine Beherrschten. Der kategorische Imperativ ist eine globale Selbstverständlichkeit, weder Individual- noch Gemeinprävention, vulgo Strafverfolgung, sind notwendig, weil es niemanden mehr gibt, der den Mitmenschen schadet. Die Philosophie, als Lehre vom guten Leben, kennt niemand, denn es gibt kein anderes. Der vollkommene Mensch? Wäre das Anarchie? Zäumen wir das Pferd von hinten auf. Wenn wir diesen Zustand erreicht hätten, hätten wir damit auch den antagonistischen Widerspruch nach Gewinnstreben vs. Gemeinwohl aufgelöst? Wo müssten wir die ersten Pflöcke, Regeln einschlagen? Ist eine regulierte Anarchie ein Oxymoron? Die Fragen sind ernst gemeint.
*****one Frau
13.323 Beiträge
... Ist eine regulierte Anarchie ein Oxymoron? Die Fragen sind ernst gemeint....

es gibt nur ein entweder oder...
zumindest in einer gesamtgesellschaftlichen blickrichtung.
individuell mag es funktionieren.
oder so: ein gewisser freiraum in richtung anarchie ist möglich. mensch muss z.b. nicht jeden "trend" mitmachen.
*******z_st Mann
785 Beiträge
********8209:
Das Problem, was Anarchisten noch nicht gelöst haben ist: Wie gehe ich mit denen um, die aber nicht "friedlich anarchistisch" leben wollen, sondern plündernd durch die Gegen ziehen wollen (organisiertes Verbrechen).

diese aussage ist nicht korrekt. dazu gibt es unmengen lösungsbeispielen in der literatur und in aufsätzen von leuten die sich mit herrschaftsfreien gesellschaften beschäftigen.




*******ER56:
...weil es niemanden mehr gibt, der den Mitmenschen schadet.

mir ist kein anarchist bekannt, welcher die ilussion hat, in einer freien gesellschaft würde es keine menschen geben die anderen schaden. diese menschen wird es immer geben.


*******ER56:
Der vollkommene Mensch? Wäre das Anarchie?

nein.

*******ER56:
Wenn wir diesen Zustand erreicht hätten, hätten wir damit auch den antagonistischen Widerspruch nach Gewinnstreben vs. Gemeinwohl aufgelöst?

nein.

*******ER56:
Wo müssten wir die ersten Pflöcke, Regeln einschlagen?

in der kleinsten gesellschaftlichen einheit: der beziehung zwischen zwei menschen.

*******ER56:
Ist eine regulierte Anarchie ein Oxymoron?

nein. anarchie bedeutet "ohne herrschaft", nicht "ohne regeln". ...was sehr häufig missverstanden wird, da in den medien permanent anarchie mit anomie verwechselt bzw. gleichgesetzt wird, was vollkommen falsch ist.
*****enz:
diese aussage ist nicht korrekt. dazu gibt es unmengen lösungsbeispielen in der literatur und in aufsätzen von leuten die sich mit herrschaftsfreien gesellschaften beschäftigen.

theoretisch. Dabei wird an alles gedacht, woran man denken kann, oder wollte. Praktisch gibt es dann aber erhebliche Probleme. Ergebnis ist, das wir die Anarchie dann so "aufgeweicht" wird, das wir schlussendlich bei einem System landen welches dem heutigen sehr ähnlich ist, oder dem der Steinzeitmenschen. Auf alle Fälle entstehen wieder kleine Ländereien wie im Mittelalter, jedoch ohne König/Kaiser. Das kann keiner wollen.

Wir können ja mal ein Fallbeispiel machen. Ich, das organisierte Verbrechen kontrolliere eine benachbarte Kleinstadt, und wir kommen euch besuchen und rauben euch aus. Was soll ich denn fürchten, ohne das du selber deine Vision zu grabe trägst?
*******z_st Mann
785 Beiträge
********8209:
Auf alle Fälle entstehen wieder kleine Ländereien wie im Mittelalter, jedoch ohne König/Kaiser. Das kann keiner wollen.

doch. die meisten anarchisten und libertären die ich kenne, wollen das. sezession, also das gegenteil vom momentan betriebenen zentralismus. kleine, lokale gesellschaftliche einheiten bieten sowohl ökonomisch als auch in sachen freiheit wesentliche vorteile.

********8209:
Ich, das organisierte Verbrechen kontrolliere eine benachbarte Kleinstadt, und wir kommen euch besuchen und rauben euch aus. Was soll ich denn fürchten, ohne das du selber deine Vision zu grabe trägst?

selbstverteidigung. das erste was die meisten herrschaftssysteme machen, ist die entwaffnung der bevölkerung. in einer herrschaftsfreien gesellschaft gäbe es niemanden der waffenbesitz verbietet. ergo wäre die wahrscheinlichkeit recht gross, dass viele bewaffnet sind um sich und ihre gemeinschaft verteidigen zu können.
****ta Frau
2.135 Beiträge
@domsub
Wenn wir diesen Zustand erreicht hätten, hätten wir damit auch den antagonistischen Widerspruch nach Gewinnstreben vs. Gemeinwohl aufgelöst?

Nein, das wäre vermessen zu glauben. Aber dem Gewinnstreben wären sehr schnell Grenzen gesetzt. Spätestens dann, wenn sich Individuen bereichern, ohne eine Gegenleistung zu erbringen - sei es individuell in angemessener Weise oder für das wohl aller Mitglieder der Gemeinschaft. wohlgemerkt: freiwillig.
Die Sanktionierung könnte z. B. durch Ausgrenzung von der Teilhabe an den Leistungen der anderen geschehen. Was glaubst Du, wie weit dann ein solcher Mensch/eine solche Interessengruppe kommt?
*******z_st Mann
785 Beiträge
danke mazita. sehr gute argumentation.
Sehr weit.

Sezession hat einen entscheidenden Nachteil. Er ist nicht in der Lage Probleme größeren Außmaßes zu begegnen. Steht also die Räuberbande mit hochentwickelten Waffen gegenüber wird es für die kleine Gesellschaftliche Einheit problematisch. Ein Ausschluss an der Teilhabe der Gesellschaft dürfte auch nicht ziehen, die Bande kommt bereits von Außerhalb kommt und an der Teilhabe nicht interessiert ist. Die Sanktionierung wirkt ja nur innerhalb eines Systemes..... Es wird auf das Recht des Stärkeren hinauslaufen.

Ich habe auch über eine UNO-Truppe in "Klein" nachgedacht: mehrere kleine Gesellschaftseinheiten unterhalten eine gemeinsame Streitmacht. Aber wer hat dann die Verfügungsgewalt?

Wie ich es auch drehe, ich komme immer bei Mechanismen an, die es im Mittelalter schon gegeben hat. Als die Welt voller autonomer Ländereien und Stadtstaaten war. Wärend die Monarchie zum überreagieren neigte, neigt die Demokratie zur Behäbigkeit (eh sich alle einig sind....). Beides ist fatal. Beides ist fragil, weil es viele Interessen gibt die berücksichtigt werden wollen.
*******z_st Mann
785 Beiträge
wie gesagt, es gibt darüber zig arbeiten.... und ich könnte da jetzt ausführlich drauf eingehen. aber erstens ist es müssig mit menschen über freihe gesellschaften zu theoretisieren, die gar nicht an einer solchen interessiert sind, zweitens hat es nur akademischen wert, drittens kann man immer nur ideen/lösungen bzw. anzunehmende tendenzen aus jetziger sicht einbringen, eine tatsächliche "vorhersage" ist unmöglich und wäre unseriös, da es ja gerade sinn herrschaftsfreiher strukturen ist, dass menschen ihre eigenen lösungen finden und umsetzen dürfen, die zum aktuellen zeitpunkt in der individuellen situation angebracht sind ....und viertens ging es dem TE ausdrücklich nicht um theoretisieren sondern um:

Auch wenn ich mich hier in der Philosophie-Gruppe befinde, geht es mir weniger darum, über die Schriften von Bakunin, Kropotkin, Stirner, Landauer u.a. zu diskutieren. Ich möchte vielmehr wissen: Was kann "Anarchismus" heute zur Beantwortung aktueller Fragen beitragen? Kann ich als Person, als Privatmensch, im Alltagsleben von einer anarchistischen Haltung profitieren?

....die übliche endlosdiskussion über hypothetische gesellschaftsordnungen wäre also in diesem thread konträr und respektlos gegenüber der intention des TE.
Potztausend! Sapperlot! Schockschwerenot!
Ich hab nicht damit gerechnet, dass in so kurzer Zeit derart viele Beiträge eingehen! Eher hatte ich befürchtet, dass kaum einer sich zu einem "Randthema" äußert. Vielleicht ist das ja ein Indiz dafür, dass Hierarchien heute nicht mehr als "die" Antwort auf alle organisatorischen Probleme gesehen werden.

Der Unterschied zwischen Herrschaft und freiwilliger Kooperation wurde ja bereits angesprochen. Meiner Meinung nach ist die Organisation in Nationalstaaten angesichts globaler Fragen genauso anachronstisch wie die Beherrschung der Individuen durch eine zwar demokratisch halbwegs legitimierte, aber trotzdem paternalistischen und korrupten Elite.

Entmündigt der Staat seine Bürger nicht durch Transferzahlungen, anstatt sie selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen zu lassen? Werden Jugendliche nicht durch ein diskriminierendes Schulsystem dazu gebracht, Hierarchien, die auf "Leistung" beruhen, als gegeben hinzunehmen? Haben andererseits die "Eliten" nicht hinreichend bewiesen, dass sie sich dem Gemeinwohl kaum verpflichtet fühlen und bisweilen tausende von Arbeitsplätzen und Milliarden ihnen anvertrauter Gelder ihren "Visionen" opfern?

Das sind natürlich ungerechte Fragen, weil die Wirklichkeit viel differenzierter ist. Trotzdem glaube ich, dass es an der Zeit ist, hergebrachte Organisationskonzepte in Frage zu stellen. Aber noch wichtiger ist es, sich selbst zu ändern. Wenn ich mit der Herrschaft unzufrieden bin, muss ich die Dinge selbst in die Hand nehmen. Das haben beispielsweise die spanischen Anarchisten 1936 getan. Die Frage ist: Sind wir souverän genug, unsere Angelegenheiten eigenständig und kooperativ zu regeln? Darauf weiß ich keine Antwort, aber genau das sollte meiner Meinung nach diskutiert werden!
*******z_st Mann
785 Beiträge
****paz:
ie Frage ist: Sind wir souverän genug, unsere Angelegenheiten eigenständig und kooperativ zu regeln? Darauf weiß ich keine Antwort, aber genau das sollte meiner Meinung nach diskutiert werden!

da kommt mir sofort die gegenfrage in den sinn:
warum sollte irgendein unbeteiligter dritter meine angelegenheiten, gegen meinen willen, regeln können? ...ganz abgesehen davon, dass es in herrschaftssystemen nie das ansinnen der herrschenden klasse ist, die angelegenheiten der beherrschten in deren sinne zu regeln.

bezieht sich dein "Sind wir souverän genug..." darauf ob wir unter den jetzigen bedingungen die möglichkeit dazu haben oder meinst du ganz grundsätzlich ob menschen ohne herrschaft und kooperativ miteinander umgehen können?
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
In völliger Unkenntnis des theoretischen Überbaus zum Anarchismus (in kenne kaum mehr als den Namen Bakunin aus biographischen Fußnoten zu Wagner) möchte ich einfach mal auf den ethymologischen Nexus zwischen den griechischen Wörtern

archia = Herrschaft
und
archä = Prinzip/Ursprung/Anfang

hinweisen.

Als Konfirmand und Jugendlicher hatte ich wahrscheinlich überall immer nur halb hingehört oder vielleicht auch Bohnen in den Ohren, aber ich dachte wirklich jahrelang, Anarchisten seien die, die nicht daran glauben, dass wir alle von Noah abstammen. Sondern dass es auch damals irgendwie vielleicht Taucher, Kiemenmenschen, Atlantis oder irgendwelche anderen Alternativen zur Arche gegeben haben muss.

Das wäre doch sonst die totale Inzucht und wir wären alle völlig verblödet. Sogar die Tiere.

Kann ich als Person, als Privatmensch, im Alltagsleben von einer anarchistischen Haltung profitieren?

Selbstverständlich, Mbwana.

Wo müssten wir die ersten Pflöcke, Regeln einschlagen?
in der kleinsten gesellschaftlichen einheit: der beziehung zwischen zwei menschen.
*top*
Die Pflöcke direkt ins Herz, dann können wir uns die Regeln schenken.
Mir geht gerade ein Bild auf
Kann ich als Person, als Privatmensch, im Alltagsleben von einer anarchistischen Haltung profitieren?

Ja! Nehmen wir hilfsweise einen Segelverein, meinetwegen einen Fliegerclub. Alle Mitglieder haben ( zumindest vordergründig) nur EIN Ziel: Eine Freizeitbeschäftigung zu betreiben, dessen Betrieb einer allein nicht, oder nicht sinnvoll, ausüben kann, sei es weil die Gerätschaft für einen zu teuer oder nicht alleine nutzbar. Man setzt sich zusammen formuliert dieses gemeinsame Ziel um eine "hedonistische Synergie" zu erzeugen. Es funktioniert nur gut, wenn sich alle an die gemeinsam ersonnenen Regeln und für den einzelnen notwendigen Einschränkungen halten. Ist das nicht auch in gewisserweise Anarchie? Oder: Sind Genossenschaften ( Molkerei, Weinbau, etc.) nicht in diesem Sinne auch herrschaftsfreie Gebilde, Anarchien?
*******z_st Mann
785 Beiträge
ja, alles was auf freiwilligkeit beruht.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Lasst uns eine ...
... Genossenschaft gründen, die ihre Lebensmittel selbst erzeugt - eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft *zwinker*

Scherz beseite - ich finde den Gedanken frei assoziierter Menschen wunderbar, aber ich kann auch die Bedenken der Zweifler verstehen. Der Weg zum Menschen, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, ist mühselig, und der Mensch muss Verantwortung übernehmen wollen. Das erreichen wir nur durch Bildung, und zwar Bildung, die jeder erwerben will. Was ist mit jenen, die stumpfsinnig vor sich hin existieren und ihre Verantwortung abgeben - an die Kirche, an Rechtsanwälte, ein Steuerberater?
Klasse!
...und wir müssen ENDLICH ENDLICH ins Bewusstsein unserer Kinder und Jugendlichen tragen, daß Bildung nicht nur eine höher entlohnte Beschäftigung ermöglicht, sondern Lebensqualität in Gänze bedeutet..
Man lehrte mich Vektorrechnungen. Das ist Abiturstoff. Hey, Jahrzehnte später erschlossen sich mir diese Dinge in Navigationsaufgaben für See/Fluglizenzen. Die Relativitätstheorie, die Quantenmechanik..verquast verschmockt auch vom Lehrkörper unsverstanden... Leute, schaut doch mal: Was für ein geiles Zeug ist das denn? Die Anwendung der Kernfusion wird der größte Entwicklungsschub unserer Spezies seit dem Neolithikum...Es könnte so schön sein.
**********henke:
- an die Kirche, an Rechtsanwälte, ein Steuerberater?
Bitte Wirtschaft/Industrie hinzufügen.


****paz:
Entmündigt der Staat seine Bürger nicht durch Transferzahlungen, anstatt sie selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen zu lassen?
Nur, wenn sie an Bedingungen geknüpft werden, wie es das ALGII tut. Wenn es jedoch BGE (Bürgergrundeinkommen) ist, glaube ich das wir endlich zu einer verantwortungsvollen Gesellschaft gelangen. Sogar dann, wenn dieses BGE über Steuern finanziert wird.


Ich bitte eins zu bedenken: Der Mensch ist oft nicht so sozial wie er es von sich denkt. Wir haben bei uns in der Kirchgemeinde in den letzten Jahren viele, viele Konzerte organisiert und veranstaltet. Und wir haben genügend Erfahrungen mit Konzerten mit Eintrittskarten und Konzerten auf Kollektenbasis. Grober Richtwert ist, das Konzerte auf Kollektenbasis genauso gut besucht sind wie Konzerte mit Eintrittsgeld. Man ist also durchaus bereit 10€ zu bezahlen. Wird einem dieses jedoch freigestellt (also auf freiwilliger Basis) ist der gegebene Betrag deutlich niedriger. Muss der Mensch bezahlen gibt er ohne Murren 10€ hin. Ist es freiwillig, landet im Durchschnitt zwischen 1,65€ und 2,50€ pro Person im Kollektenbeutel. Was für uns nix anderes heißt als: Keine Konzerte auf Kollektenbasis mehr.
Mit diesem Hintergrundwissen ist es nahezu ausgeschlossen, das ein Sozialstaat auf "freiwilliger Basis" funktionieren kann.

Und wenn der Staat, oder wer/was auch immer, seinen sozialen Aufgaben nicht mehr nachkommen kann, was passiert dann mit der Gesellschaft? Behinderte einschläfern?

Anarchismus wird bevorzugt von solchen Menschen vertreten die in der Blüte ihres Lebens stehen und denen die ganze Welt offen steht: Ledig, jung und gesund, kaum Kinder......
Und ich kann sie in gewisser Weise auch verstehen, sie arbeiten und sehen was ihnen genommen wird, zwangsweise. Doch frage ich mich ob sie genausoviel abgeben würden um die sozialen Transferleistungen zu ermöglichen. Oder ob sie gierig nach den nun neuen Möglichkeiten in Kauf nehmen, das die Schwächsten der Gesellschaft vollkommen hinten herunterfallen werden. Wären sie gewillt, genausoviel ihres verdienten Geldes freiwillig zur Verfügung zu stellen, für Transferleistungen z.Bsp.?

Transferleistungen, wie ich sie zum Beispiel bekomme. Was sich wohl nie wieder ändern wird, bis an mein Lebensende. Wer sich darüber eschauffieren möchte kann dies gerne tun, ich suche noch jemand der mit mir tauscht. Nach einem Jahr reden wir noch mal. Ich genieße es inzwischen, das mir Geld zwangsweise abgezogen wird.
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