die sprache kanaans...
Die großen Mystiker formulieren dieses nostalgische Verlangen,
verrückt nach dem Schöpfer zu sein,
durch Gedanken und Poesie der Liebe,
vergleichbar mit den inbrünstigsten Äußerungen der faszinierendsten Menschen,
die von einem brennenden Feuer berührt wurden,
welches sich manchmal auch vernichtend auf das Begehren auswirkte.
Man kann also verstehen, weshalb es sich manchmal sehr schwierig gestaltet,
sogar unmöglich, ein erotisches Liebesgedicht,
dass die Abenteuer zweier sich liebender Wesen erzählt,
von einem mystischen Gedicht zu unterscheiden,
welches die Verbindung des Menschen zum Universum und umgekehrt beschreibt.
Wie denkt Ihr darüber ............
zum stichwort "brennendes feuer" fällt mir spontan martin bubers übersetzung des alten testaments ein und dort speziell ein auzug aus dem "gesang der gesänge" (das hohelied salomos für die luthergewöhnten):
Setze mich wie ein Siegel
dir auf das Herz,
wie ein Siegelreif dir um den Arm
denn gewaltsam wie der Tod ist die Liebe,
hart wie das Gruftreich das Eifern,
ihre Flitze Feuerflitze, -
eine Lohe oh von ihm her!
Die vielen Wasser vermögen nicht die Liebe zu löschen,
die Ströme können sie nicht überfluten.
Gäbe ein Mann allen Schatz seines Hauses um die Liebe,
man spottete, spottete sein.
quelle: buber, martin:die schrift, Bd. 4, die schriftwerke, gesang der gesänge, s. 356, heidelberg, verlag lambert schneider, 1986
diese zeilen sind immer wieder als ein bild der liebesbeziehung zwischen gott (christus) und seiner "braut" jerusalem (das synonym für die erlöste gläubige gemeinde) im christlichen kontext interpretiert worden. die sprachsinnlichkeit und im positiven sinne vage deutbarkeit hebräisch-jüdischer tradition (als beispiel soll das fehlen von vokalen erwähnt sein: z.b. jehova versus jahwe) wurde durch die bis zum semikolon durchdefinierte grammatik des lateinischen respektive deutschen glattgebügelt...buber hat sich zusammen mit franz rosenzweig die mühe gemacht, diesen ursprünglichen sprach-eros ins deutsche "über zu setzen", was manchmal zu gewissen skurilitäten (siehe,höre "flitze") führt, aber der schönheit und dem singsang der ur-sprechmelodie dennoch höchste referenz erweist.
so scheint es so, wie philosoph67 vermutet, dass die unterscheidbarkeit zwischen einem mystisch-religiös motivierten gedicht und weltlicher liebeslyrik schwierig erscheint...schwierig insofern, wenn die fundamental-transzendente bedeutungserweiterung eines religösen textes sich für eine(n) leserIn nicht offenbaren kann, weil die glaubensimmanente wahrnehmung schlicht nicht vorhanden ist.
so haben religiöse texte immer neben der diesseitig zu verstehenden (das hohe lied kann auch als weltliches liebesgedicht gelesen werden) eine jenseitige, lies transzendente, also "übersteigende", allegorische dimension.
leider ist sowohl durch die "sprachzementierung", als auch durch unser westliches denken mit seiner ratio- und geist-zentrierten fokussierung die spannung zwischen geist, gefühl und körper aus dem gleichgewicht geraten und gerade die christlichen mystiker haben die "sexuelle komponente" des verhältnisses zwischen "mensch und universum" zu einem reinem geist-problem stilisiert. (gott-mensch-) eros findet im kopf statt.
die gegenwärtige leere, welche viele menschen westlicher denktradition und prägung umtreibt, muss aus dieser unsäglichen einseitigkeit heraus verstanden werden, die u.a. einerseits zwar eine mit vielen segnungen verbundene verwissenschaftlichung und rationalisierung der wahrnehmung hervorgebracht, andererseits den kopf von herz und seele abgeschnitten hat.
horst antes, ein karlsruher maler, grafiker und bildhauer verleiht dieser "guillotinierung" des ganz-heitlichen menschen in wunderbarer weise gestalt.
jüdischer denke entspricht dies keineswegs!
zurück zum thema...
philosoph67 spricht "begehren" an...
die faszinierendsten Menschen, die von einem brennenden Feuer berührt wurden,
welches sich manchmal auch vernichtend auf das Begehren auswirkte
wenn mit "begehren", die körperliche dimension angespochen wird, scheint es so zu sein...aber hier komme ich auf meinen eingangsgedanken zurück:
für einen religiös (= wörtlich: rückgebundenen), wie auch für den weltlich geprägten ist die ex-stase (= wörtlich: lat.exstare: das heraus-stehen-aus-sich-selbst) höchstes gut.
für den gläubigen ersetzt die "einswerdung" mit seinem höchsten ideal den orgasmus im körperlichen. ziel ist die wahrnehmung der exstase, die todüberwindung respektive todvergessenheit erzeugt.
sexuell-körperliches begehren und verzückung im kontakt mit dem "universum" sind für mystiker jeglicher herkunft ein und das selbe.
wenn wir christlich-mystische texte und liebeslyrik lesen, sollten wir uns bewusst sein, leidtragende der "babylonischen sprachverwirrung" zu sein...
die sprache kanaans erschließt sich uns nur über eine sehr sperrig knarrende tür...
herzlichen gruß,
shadowandlight(m)