Gedanken über die Liebe
ich bin ganz neu hier und habe mich gerade ein bißchen in diesem forum umgeschaut....und ich bin sehr überrascht....sehr schön hier
deshalb möchte ich eins meiner lieblingszitate hier einstellen...vielleicht gefällt es euch
nio**
mein freund, eines will ich dir sagen:
werde eine freie wildnis für die menschen
und nicht ein in liebe verkleidetes gefängnis!
liebe die menschen -
aber nicht für dich, sondern für sie.
versuche nicht, sie an dich zu binden.
verheimliche und tarne nicht den ausgang.
wenn du einen menschen liebst, mein freund,
nimm ihn nicht auf wie einen sklaven oder einen gefangenen!
lass ihn frei sein, lass die türen offen!
vielleicht sieht er gerade dann nach der tür,
vielleicht will er gehen, wenn dir seine anwesenheit am liebsten und kostbarsten ist.
dann steh auf, begleite ihn zur tür
und lass ihn ziehen -
auch wenn es ein stück von dir mitreißt.
die nacht wird schön, auch wenn du ganz allein versuchst, deine wunden zu heilen.
wie eintönig und leer sind dagegen jene sklavenfeste, wo dir der
gefangene deiner liebe mit ausdruckslosen augen und müder stimme lieder singt;
er weiß nichts zu erzählen, seine gesellschaft ist langweilig und erzwungen.
lass ihn frei, dann wird es schön, anmutig und geheimnisvoll.
du wirst den tag nicht vergessen, wenn einer von ihnen dich einmal
in freiheit besuchen kommt.
er wird neben dir sitzen, nicht gebunden sein und doch bleiben. er wird dir mit leuchtenden augen
von seinem leben erzählen. du wirst den reichtum dieser begegnung erfahren und mit der früheren huldigung der sklaven vergleichen und gar nicht begreifen, dass du einmal so töricht warst und dich bemühtest, die menschen an dich zu binden.
mein freund, bewahre die kraft, die menschen frei zu lassen, die du liebst.
sei kein sklavenhalter! kontrolliere nicht die liebe und sichere dich nicht ab, so beleidigst du nur ihr vornehmes und schönes wesen.
je freier du die menschen hinausläßt, umso überraschender und schöner ist ihre wiederkehr.
erinnere dich aber auch an jene, die du frei gelassen hast und die
nie mehr wiederkehrten, mit freude und stolz, denn sie haben wohl eine größere freiheit gefunden.
stark und mächtig sollst du dich fühlen, mein freund,
damit du nie zu den menschen sagen musst:
bleibe bei mir!
ich brauche dich.
ich kann ohne dich nicht leben.
miss deine liebe nicht daran, dass du einem menschen verfallen bist und nicht mehr ohne ihn leben kannst.
wenn du deine liebe messen willst, so horche, ob du ohne resignation, ohne verbitterung, ohne enttäuschung
die menschen aus deinen innersten räumen ziehen lassen kannst.
denn so oft du zu binden beginnst -
und sei es mit den feinsten fäden der sehnsucht und liebe -
triffst du die erste vorbereitung für ein sklavenfest.
selbst wenn dir ein mensch ein band reicht;
damit du dich an ihn bindest,
tu es nicht!
wenn er dir liebe und treue bis in den tod schwört,
nimm diesen schwur niemals an.
bleibt er gern, so ist der schwur unnötig.
wird er einmal nicht mehr bleiben wollen,
so wird er diesen schwur im geheimen bereuen.
und wofür willst du dir traurige gäste sammeln ?
einen wunsch, mein freund, musst du verlernen:
den wunsch, dass sich ein mensch in dir ganz glücklich fühlt.
du würdest dich im geheimen danach sehnen,
dass er dich nie zu klein empfindet,
dass er nie über dich hinauswächst.
du sollst groß werden und wünschen, dass alle menschen die dir begegnen, über dich hinauswachsen
und dich nicht mehr brauchen; nicht mehr brauchen zum glücklichsein.
wie hast du gezittert als dieser gedanke das erste mal an dich herantrat!
du hast noch nicht gewußt, wie unendlich das bereichert und vertieft, wie herrlich das ist, die menschen
über deine grenzen hinauswachsen zu lassen.
wie weit und schön ist dadurch deine freiheit geworden!
du brauchst die liebe der menschen nicht mehr.
wie schön ist es, einen menschen zu lieben, ohne ihn zu brauchen !
es gibt keine enttäuschungen mehr, nur eine grenzenlose, schöne, freie welt.
mein freund, du hast eine freiheit, ein land gesucht wo das geheimnis der liebe gedeiht, wo
man den zauber der liebe retten kann, wo nichts durch den täglichen gebrauch gewöhnlich und banal wird.
und ich fand, dass alles der alltäglichkeit und plattheit anheim fällt, wenn man es mißbraucht oder gebraucht.
nur wer die menschen, die geheimnisse nicht braucht, wer so groß ist,
dass er alles vermissen kann, der kann sich retten vor der alltäglichkeit des lebens.
gertrud von lafert