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philosophische Grundfragen

*****har Paar
41.020 Beiträge
@ franzzi
Beifall für Deinen Beitrag! Genau so sehe ich das auch - und Du hast das großartig herausgearbeitet und dargestellt.

Da wird's doch erst richtig spannend ... und philosophisch.

(Der Antaghar)
***na Frau
2.685 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Wirklichkeiten
Wie ist die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit beschaffen -
und welche ist wirklich bzw. ist überhaupt eine Wirklichkeit
wirklich?

diese frage erinnert mich sehr an platons höhlengleichnis, in welchem die in der höhle sitzenden nur die schatten der dinge sehen..

wenden sie sich jedoch um oder werden dazu gezwungen so können sie außerhalb der höhle die "wahrheit", das wirkliche "erkennen"..

so sehr dass sie davon geblendet sind (sie erblicken die sonne als grundidee des guten)

was aber ist nun unsere wirklichkeit?...das direkt sinnlich warhnehmbare als schatten alles seienden oder haben wir uns schon "umgedreht" und erkennen das wirkliche "sein"

Azana, grüßend
andererseits ist die gegenposition (die welt so zu nehmen, wie sie uns scheint) auch nicht befriedigend.
Korrekt. Das ist nicht befriedigend. Die reale Welt ist unvollkommen: die Evolution hat unsere Körper mit allerlei Unfug ausgestattet, und unseren Geist höchstwahrscheinlich auch. Naturkatastrophen werden, so wir es nicht selber schaffen, früher oder später sämtliches Leben auf diesem Planeten beenden. Und selbst wenn die Menschheit (oder deren Nachfolger) diesen Planeten verlässt: Spätestens, wenn alle Sterne abgebrannt sind, ist Schluß …

Nur: Die Welt ist so. Das Herbeiträumen der Perfektion mag ein netter Zeitvertreib sein, aber letztlich … ich sags mal so: Die Menschen, die wichtigere Fragen zu klären haben (wie zum Beispiel "wie ernähre ich heute meine Familie?"), werden davon nicht satter.

Plato und seine Anhänger zäumen, finde ich, das Pferd von hinten auf. Die Perfektion und der Glanz der Gestalten in der Sonne, von denen wir nur die Schatten sehen, ist ein nettes Bild, aber letztlich sind es diese "Schatten", die real sind.

Meine Meinung: "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieser unvollkommene Haufen Materie, in dem ich ein paar Jahrzehnte lebe, alles sein soll: also denke ich mir etwas Höheres aus" ist eine durchaus nachvollziehbarer Gedankengang, bei dem ich mich selber auch immer wieder ertappe.
Nur: als Begründung für die Existenz dieses Höheren reicht das nicht. Alle Versuche, eine solche Begründung zu liefern, bleiben (da wir nur die materielle Welt haben, auf der wir eine solche basieren könnten), letztlich Zirkelschlüsse, und somit unbefriedigend.
*******_ni Mann
17 Beiträge
an: smurf
andererseits ist die gegenposition (die welt so zu nehmen, wie sie uns scheint) auch nicht befriedigend.

ich glaube fast, du hast meinen satz falsch verstanden. mir ging es nicht darum, ob die welt perfekt ist oder nicht. eigentlich ging es mir darum, dass unsere wahrnehmung niemals "objektiv" sein kann, allein schon deshalb nicht, weil - wie die neurobiologie heute weiß - unser gehirn immer nur seine eigenen zustände wahrnimmt; und weil daher die welt, wie sie für uns auftaucht, immer eine von uns als beobachtern konstruierte ist. das beginnt ja schon mit dem bekannten phänomen der optischen täuschungen. oder: die welt, in der unsere vorfahren lebten, war von geistern und dämonen bevölkert. wir glauben heute, dass das eine täuschung war, oder?? was werden die menschen in 100 jahren über unsere wahrnehmung sagen??
ich glaube mit dem biologen maturana: ob etwas täuschung ist oder nicht, ist immer erst im nachhinein zu erkennen. und auch dann gibt es wieder ein "nachher" usw. usw.
dieses problem ist es, das ich meine.
Zwischen
andererseits ist die gegenposition (die welt so zu nehmen, wie sie uns scheint) auch nicht befriedigend.
und
eigentlich ging es mir darum, dass unsere wahrnehmung niemals "objektiv" sein kann
gibt es, so man kein radikaler Konstruktivist ist (und ich bin es definitiv nicht), einen wichtigen Unterschied.

Im ersten Zitat schreibst du von der Welt, wie sie ist. Im zweiten schreibst du von der Welt, wie wir sie wahrnehmen. Dass ich dich falsch verstehe, wenn du das erste schreibst, aber das zweite meinst, ist somit irgendwie verständlich ...

Letztere Aussage ist zweifellos richtig. Allerdings kann ich u.a. durch Nachdenken und Vergleichen meine Wahrnehmungsfehler korrigieren.
Die optische Täuschung ist beispielsweise mit technischen Hilfsmitteln leicht als solche zu erkennen. (Man muss natürlich erstmal auf die Idee kommen, diese korrekt anzuwenden.)

Ob ein Daemon den Regen verursacht (oder, heutzutage, den Rechner zum Abstürzen bringt) oder nicht, kann ich nicht definitiv feststellen. (Das geht prinzipiell nicht.) Aber ich kann Erklärungen für den Regen und den Bluescreen finden, die keinen Dämonen brauchen; und ich kann diese anhand anderer Phänomene und Erkenntnisse verifizieren, und umgekehrt. (Das geht mit der Dämonen-Idee nur sehr eingeschränkt.)

Nicht an Dämonen zu glauben ist folglich rational, weil es mir einen größeren Erkenntnisgewinn und mehr Kontrolle über meine Umwelt ermöglicht.
*******_ni Mann
17 Beiträge
Allerdings kann ich u.a. durch Nachdenken und Vergleichen meine Wahrnehmungsfehler korrigieren.
Die optische Täuschung ist beispielsweise mit technischen Hilfsmitteln leicht als solche zu erkennen.
echt?? wirklich "leicht zu erkennen"?
meine these ist, dass du immer erst hinterher sagen kannst, dass es "leicht" sei.
und dass es immer ein hinterher hinter dem hinterher geben wird.
dass du also nie zu einer wirkichen wirklichkeit kommen wirst.
und dass das in ordnung so ist. die welt geht davon nicht unter.

warum haben die menschen ewig lange geglaubt, dass die sonne sich um die erde dreht? und dass die erde daher der mittelpunkt der welt ist? doch wohl deshalb, weil - wie jeder sehen kann, der nicht verrückt ist - die sonne jeden morgen aufgeht, sich am himmel bewegt und dann wieder untergeht. ist doch ganz sonnenklar. wer was anderes denkt, ist verrückt. nicht einmal das genie aristoteles hat die illusion bemerkt. dabei hätte er sich doch bloß in die position der sonne hineindenken müssen, um zu erkennen, dass aus dieser sicht die sonne als der mittelpunkt erscheint.

oder: die berühmte "ich-illusion". für uns heutige menschen ist sie immer noch sehr hartnäckig, auch wenn neurologen und neurophysiologen (oder buddha) uns etwas anderes sagen. ich könnte mir aber vorstellen, dass es für menschen in 100 jahren leichter sein wird, dies zu durchschauen.

mir geht es hier, um wieder auf den zentralen punkt dieses themas zu kommen, um die these:

1. die suche nach der wirklichen wirklichkeit ist ein unendlicher regress, sie führt nie an ein ende.
2. ebenso ist die gegenposition: "die welt ist so, wie sie scheint" unbefriedigend.
n.b.: ich habe geschrieben: "scheint" nicht "ist".
3. wir müssen also lernen, mit diesem widerspruch umzugehen. und genau da beginnt philosophie.
meine these ist, dass du immer erst hinterher sagen kannst, dass es "leicht" sei.
Jein. Ich kann die Erkenntnis, die ich nach dem ersten "Hoppla" gewonnen habe, auf weitere Fälle anwenden. Dank der menschlichen Abstraktionsgabe sogar auf solche, die mit dem ursprünglichen Problem auf den ersten Blick gar nichts zu tun haben.

und dass es immer ein hinterher hinter dem hinterher geben wird.
Meine Wahrnehmung ist entweder richtig oder falsch. Wir haben ein Werkzeug gefunden, um das nachzuprüfen. Damit ist die Frage abgeschlossen.
warum haben die menschen ewig lange geglaubt, dass die sonne sich um die erde dreht?
Weil sie keine unabhängige Möglichkeit hatten, das nachzuprüfen, weil es in ihr Weltbild gepasst hat, und/oder weil das für ihren Alltag gut genug war.
Auf den heutigen Astrophysiker trifft das alles nicht zu.

Ich bin, mit anderen Worten, mit der Idee der unendlichen Regression von Wirklichkeiten nicht einverstanden, weil ich von der Notwendigkeit überzeugt bin, dass jede Erkenntnis sich an der realen Welt messen und verifizieren lassen können muss -- sonst ist sie leeres Geschwafel.

Und reale Welten haben wir genau eine.
*******_ni Mann
17 Beiträge
objektive wahrheiten
Meine Wahrnehmung ist entweder richtig oder falsch.
du sagst also: es gibt so etwas wie "objektive wahrheiten"?
wenn das so ist, dann habe ich noch eine letzte frage an dich:

ist diese deine aussage selber auch wahr?

oder ist es nicht vielmehr deine eigene subjektive entscheidung, sie für wahr zu halten ("wahr-zu-nehmen")?

im ersten fall verwickelst du dich in widersprüche, weil du die antwort eigentlich schon voraussetzt. du brauchst also gar nicht mehr zu fragen, du hast sowieso IMMER schon recht.
im zweiten fall ehrst du dich selbst, weil du verantwortung übernimmst.
du sagst also: es gibt so etwas wie "objektive wahrheiten"?
Aber sicher doch.

Triviales Beispiel: Dein Hausschlüssel ist entweder in deiner Hosentasche, oder eben nicht.

wenn das so ist, dann habe ich noch eine letzte frage an dich:

ist diese deine aussage selber auch wahr?
Ja. Und? "Die Aussage 'Die Aussage X ist wahr' ist wahr" ist zwar Logik zweiter Ordnung, aber deswegen noch lange nicht falsch. Sie hat auch nichts mit einem Zirkelschluss zu tun, weil sie sich nicht auf sich selbst bezieht.
*****har Paar
41.020 Beiträge
@ franzzi
Darf ich mal kurz dazwischen funken?

Zitat:
Meine Wahrnehmung ist entweder richtig oder falsch.

du sagst also: es gibt so etwas wie "objektive wahrheiten"?

Nein, das hat "Smurf" nicht gesagt. Er meinte, seine Wahrnehmung ist entweder richtig oder falsch, er schrieb nicht von objektiven Wahrheiten.
Die Wahrnehmung von etwas muss nicht das Geringste damit zu tun haben, was die Wahrheit ist.

Denn da, lieber "franzzi", würde ich Dir beipflichten:
Es gibt keine für uns erfassbare objektive Wahrheit.

Aber ich kann etwas richtig wahrnehmen - oder falsch.
Und für mich persönlich kann etwas falsch oder richtig sein, aber da geht es dann wieder um meine Wahrnehmung davon ...

(Der Antaghar)
*******_ni Mann
17 Beiträge
gibt es "richtige" wahrnehmung? (1)
lieber anthagar, lieber smurf,

wir bewegen uns hier in einem sehr fundamentalen thema. ich finde die diskussion anregend, zweifle aber auch, ob ein internet-forum dafür der geeignete ort ist. denn offenbar trennen uns abgründe. letztlich ist die frage, um die es hier geht, nicht entscheidbar. aber nur die fragen, die unentscheidbar sind, können letztlich (von mir, von euch) auch tatsächlich entschieden werden.

ich will noch einmal versuchen, meine position verständlich zu machen, trotz der abgründe, die uns trennen. es ist ein bisschen viel text geworden. ich verteile ihn daher auf drei päckchen.
und ich verspreche: ich schreibe nie wieder (hier) so viel text, denn das sprengt den rahmen hier.

also zum thema:
Meine Wahrnehmung ist entweder richtig oder falsch.

es ist eine sache, darauf zu vertrauen, dass der schlüssel in meiner hosentasche auch tatsächlich ein schlüssel und zwar der meine ist. ein solches vertrauen ist für unser (zusammmen)leben unerlässlich, und es muss auch proben standhalten können, in den überwiegenden fällen zum mindesten.

eine andere sache ist die annahme, ich könne prinzipiell zwischen richtiger und falscher wahrnehmung unterscheiden. Dies kann sehr gefährlich werden. denn welt (und zu ihr gehört immer auch meine wahrnehmung, weil ich schließlich teil dieser welt bin und mich nicht wie münchhausen aus ihr herausziehen kann) - welt also ist immer kontingent, d.h. sie kann grundsätzlich immer auch anders sein. in zeiten einer zunehmenden globalisierung ist diese annahme - meiner auffassung nach - eine frage des überlebens von uns allen.

Bitte versteht mich: für mich ist wahrnehmung immer eine wahr-nehmung, d. h. wenn ich etwas wahrnehme nehme ich es als „wahr“ an. Wahrnehmen ist eine aktive auseinandersetzung mit der welt.
„objektive“ wahrnehmung als solche – d. h. unabhängig von einem beobachtenden subjekt mit seinem ganz bestimmten, ganz konkreten erfahrungshintergrund – kann es für mich nicht geben. Wahrnehmen ist kein passiver vorgang, sondern ein aktives tun eines subjekts. Ich bin der schöpfer meiner wahrnehmung. Wahrnehmen (und erkennen) heißt: angemessenes handeln in seinem jeweiligen existenzbereich. nur dort kann ich zwischen richtig und falsch unterscheiden, besser vielleicht: zwischen angemessen und nicht angemessen.
Nur wenn zu meinem existenzbereich „hausschlüssel in hosentaschen“ gehören, dann kann ich sie auch als solche erkennen. Steinzeitmenschen, zu deren existenzbereich so etwas nicht gehört, werden das erst erkennen können, wenn sie in unseren kulturellen kontext hereingewachsen sind.

Ich könnte eine reihe von gründen anführen, warum es für mich keine objektive wahrnehmung gibt. Ich will mich hier auf zwei beschränken: eine biologische und eine ethische (* haarstäub* : wie kann man wahrnehmungsprobleme mit ethik vermengen? Ihr werdet gleich sehen, was ich meine).

(fortsetzung teil 2)
*******_ni Mann
17 Beiträge
gibt es "richtige" wahrnehmung (2)
Also hier nun die biologische Begründung, dafür, dass wahrnehmung nicht objektiv im absoluten sinn sein kann, sondern kontingent ist:

obwohl es gelegentlich immer noch so kolportiert wird: unser Gehirn ist keine vorrichtung zur aufnahme und verarbeitung von informationen aus der umwelt. Unsere sinneszellen nehmen keine „informationen“ auf, sondern nur signale, die auch nicht den geringsten hinweis auf die qualität der äußeren objekte enthalten. denn die erregungszustände einer nervenzelle codieren nur die intensität (so und so viel von xyz), nicht die natur der errungsursache. im gehirn ist also zuerst nur ein einziges rauschen. unser gehirn ist aber spitze darin, aus rauschen informationen („meine hausschlüssel“) zu erzeugen, die (letztlich) dem überleben helfen.

informationen sind immer meine eigene konstruktion, und die hängt ab von meiner erfahrung und meinem kontext (siehe steinzeitmenschen-beispiel). Wenn ich mit den schlüsseln meine tür aufschließen kann, dann reicht das für den alltag als wahrheitskriterium.

(trotzdem bleibt immer noch die möglichkeit der täuschung. im Moment der wahrnehmung kann ich nicht zwischen illusion und täuschung unterscheiden – hinterher sicher. das rechtfertigt aber nicht die annahme, es gäbe objektive wahrnehmung unabhängig von einem konkreten, historischen beobachter).

teil 3 folgt
*****har Paar
41.020 Beiträge
@ franzzi
Danke schon mal für den ersten Teil! Auch für mich ist das eine spannende und erhellende Diskussion, die uns alle nur weiterbringen kann.

So tief sind die Abgründe gar nicht, die uns scheinbar trennen. Deshalb vor dem zweiten und dritten Teil schon mal eine kleine Antwort:

Was ich wahrnehme, nehme ich in der Tat als "wahr" an - aber nur als wahr für mich! Nicht als objektive Wahrheit!

Ich bin mir bei jeder Wahrnehmung (vom Alltag mal abgesehen) dessen bewusst, dass das, was ich für "wahr" nehme, also wahrnehme, nicht das sein muss, was tatsächlich wahr ist. Wenn es denn überhaupt eine absolute Wahrheit gibt.

Meine Wahrnehmung hilft mir nur zu überleben (und oft genug tut sie das ja auch nicht, wie man an manchen Blackouts im Verkehr erkennen kann), z. B. einen Schlüssel in meiner Hosentasche zu finden - weil ich es als wahr annehme, dass er dort ist und dass es auch mein Schlüssel und überhaupt ein Schlüssel ist.

Real ist weder die Hosentasche eine Hosentasche noch der Schlüssel ein Schlüssel, sondern es sind mit Elementarteilchen (die wohl wiederum aus Quanten bestehen) gefüllt leere Räume. Und ich habe gelernt, sie als das wahrzunehmen, als was ich sie jetzt eben sehe. Aber ich weiß, dass es nur ein Konstrukt ist, um mich in dieser Welt bewegen zu können.

(Der Antaghar)
*******_ni Mann
17 Beiträge
gibt es "richtige" wahrnehmung? (3)
hier nun der letzte teil mit der ethischen begründung.

Wenn ich der schöpfer meiner wahrnehmung bin, dann bin ich auch für meine wahrnehmungen verantwortlich. Ich (franzzi) – und das ist meine ganz persönliche entscheidung oder wahl, ich bin kein "konstruktivist", schon gar kein "radikaler" – teile mit heinz von foerster die auffassung, dass die entscheidung für „objektivität“ von wahrnehmung ein kunstgriff ist, um verantwortung wegzuschieben.

heinz von foerster schreibt weiter:

„objektivität (erfordert), dass die eigenschaften des beobachters nicht in die beschreibung seiner beobachtungen eingehen. Indem das wesentliche des beobachtens, nämlich der prozess der wahrnehmung, eliminiert wird, wird der beobachter zu einer kopiermaschine degradiert, und der begriff der verantwortung wurde dadurch erfolgreich eskamotiert.
Wie auch immer, (…) objektivität und andere kunstgriffe sind insgesamt auf eine entscheidung zurückzuführen, die für eine der beiden im prinzip unentscheidbaren fragen getroffen wurde.
Die maßgeblichen beiden fragen heißen:

bin ich vom universum getrennt? das heißt, wenn immer ich schaue, so schaue ich wie durch ein schlüsselloch auf das sich entfaltende weltall.’
Oder:
’bin ich teil des universums? das heißt, wenn immer ich handle, verändere ich mich und das universum mit mir.’


wenn ich" (so schreibt v. foerster weiter) "über diese beiden alternativen nachdenke, bin ich immer wieder über die tiefe des abgrunds überrascht, der die beiden grundsätzlich verschiedenen Welten voneinander trennt, die durch solch eine Wahl geschaffen werden können.“

(H. von Foerster in "kybernEthik")

Ich persönlich – franzzi – habe mich für die zweite alternative entschieden. Wenn ihr euch für die erste entscheidet (aber vielleicht entscheidet ihr euch gar nicht, weil ihr ja an die objektivität von wahrnehmung glaubt), trennen uns „abgründe“ im Sinne heinz von foersters. Was nicht heißt, dass wir uns nicht in konkreten fragen durchaus einigen können; oder uns mal zu einem bier treffen. oder über hausschlüssel unterhalten.
*******_ni Mann
17 Beiträge
an anthagar-
danke für die rasche antwort. du hast mir voll aus der seele gesprochen. ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen. aber was wird smurf dazu sagen??
***na Frau
2.685 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Wahr~nehmung
ein hallo euch dreien und auch anderen zuvor...

ich bin platt und begeistert, dass hier in einem erotikforum solch eine niveauvolle, philosophische und hochintelligente Diskussion möglich ist..

ich lese interessiert mit und finde es schlicht klasse

Azana, entzückt *g*
Ich greife hier mal einen Schlüsselsatz heraus ..:
objektivität (erfordert), dass die eigenschaften des beobachters nicht in die beschreibung seiner beobachtungen eingehen.
Soweit richtig.
Indem das wesentliche des beobachtens, nämlich der prozess der wahrnehmung, eliminiert wird, wird der beobachter zu einer kopiermaschine degradiert, und der begriff der verantwortung wurde dadurch erfolgreich eskamotiert.
Dem stimme ich nun überhaupt nicht zu.

Zum Einen ist für mich das Wesentliche am Beobachten nicht der Prozess an sich, sondern die Erkenntnis, die ich durch das Beobachten gewinne. Ich bin folglich auch kein Kopierer, denn der denkt sich nichts bei seiner Beobachtung.

Zweitens bin ich schon deshalb kein Kopierer, weil ich beim Beobachten keine Kopie herstelle, sondern dem Inhalt meines Geistes ein (unscharfes) Abbild des beobachteten Objekts herstelle. Ein Bild ist aber nicht das Abgebildete, somit auch keine Kopie.

Drittens. "eskamotieren" = "wegzaubern, weginterpretieren, unbemerkt verschwinden lassen". Das ist, finde ich, eine unzulässige Vermischung von Ebenen. Beobachtung an sich halte ich nämlich für wertfrei, oder genauer: deren ethische Qualität wird allein durch die Intention des Beobachters festgelegt.

Und: Erst nach der Beobachtung kann dieser sich eine Handlung überlegen, die verantwortlich mit dieser Erkenntnis umgeht (oder auch nicht …).

Ich würde noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass ich überhaupt nur dann verantwortlich handeln kann, wenn meine Wahrnehmung möglichst objektiv ist. Beispiele dafür, leider hauptsächlich Gegenbeispiele, kann sich jeder aus der aktuellen Tagespresse selbst heraussuchen. *schiefguck*

@*****gar:
Real ist weder die Hosentasche eine Hosentasche noch der Schlüssel ein Schlüssel, sondern es sind mit Elementarteilchen (die wohl wiederum aus Quanten bestehen) gefüllt leere Räume. Und ich habe gelernt, sie als das wahrzunehmen, als was ich sie jetzt eben sehe. Aber ich weiß, dass es nur ein Konstrukt ist, um mich in dieser Welt bewegen zu können.
Es ist insofern aber kein Konstrukt, als dass sich diese fast-leeren Räume so verhalten, als ob sie eben nicht leer sind.
Mit derselben Berechtigung kann man behaupten, die besagten leeren Räume sind ein Konstrukt, das der Atomphysiker verwendet, um seine Experimente und deren Resultate in Einklang mit der Makro-Welt zu bringen.

Um ein anderes und von meinem damaligen Ethik- und Philosophielehrer gern benutztes Beispiel zu verwenden: Den Hammer, den ich einen Meter über deinen Fuß halte, kannst du für real halten oder nicht. Wenn nicht, steht es mir frei, ihn loszulassen. *aua* Es steht dir dann frei, den resultierenden Schmerz für real zu halten oder nicht — aber aus erkenntnistheoretischen wie evolutionsbiologischen wie auch praktischen Gründen ist die jeweils erstere Variante sinnvoller. *baeh*
*****har Paar
41.020 Beiträge
@ smurf
Dein beispiel regt zum Schmunzeln an. Und auch ich würde die erste Variante bevorzugen.

Dennoch - auch der Schmerz wäre ein Konstrukt, und zwar eine aus mehreren bioelektrischen und biochemischen Vorgängen resultierende Wahrnehmung, die an sich kein Schmerz ist, sondern nur eine Weiterleitung von Signalen, vielleicht ähnlich wie in einem Handy oder einem Fernsehapparat.

Nur formt mein Gehirn daraus (aus den bekannten, naheliegenden Gründen, um nämlich den Körper und seine Unversehrtheit möglichst zu schützen) eine Meldung, die ich als Schmerz wahrnehme. Insofern hat mein Gehirn da aus gutem Grund und mit Sinn, aber letztlich eben doch nur aus einem Signal an mich die Empfindung von Schmerz "konstruiert", also ein Konstrukt verwendet, das ich als Schmerz interpretiere (und deshalb auch darauf reagiere).

Bei manchen Menschen läuft das (aus verschiedenen Gründen) anders, die können z. B. in kochendes Wasser greifen und ein Ei herausholen, ohne dass es ihnen weh tut und ohne dass sie Brandblasen kriegen. ich kenne so jemanden persönlich und konnte es zuerst auch nicht glauben. Da läuft es mit den Signalen und dem Konstrukt ein wenig anders, denn diese Frau ist dafür extrem empfindlich gegen Kälte: Schon null Grad tun ihr entsetzlich weh. Mir nicht.

Gute Bücher über diese Phänomene hat Oliver Sacks geschrieben, und zwar mit zum Teil faszinierenden Beispielen aus der Praxis, die genau das hier Geschilderte belegen.

(Der Antaghar)
*******_ni Mann
17 Beiträge
schmerz ein konstrukt?!
die ganz praktische erfahrung, dass schmerz ein konstrukt ist, kann jeder machen (ich habe sie öfters gemacht), der / die einmal intensiv meditiert und dem schmerz, der nach einiger zeit unvermeidlich auftaucht, nicht ausweicht: sehr oft (nicht immer) verschwindet er, kommt wieder und verschwindet dann irgendwann ganz. übrig bleibt keine stumpfheit (wie man vielleicht erwarten könnte), sondern im gegenteil eine hohe sensibilität und außerdem ein glücksgefühl (jetzt komm mir bitte nicht mit endorphinen, darum gehts hier nicht). man kann richtig merken, wie man die schmerzen selber formt. der stoff, aus dem sie gemacht sind, sind gedanken.

eine diffizilere frage ist dann die nach dem tod: nur ein gedanke?
*****har Paar
41.020 Beiträge
@ franzzi
Die Frage nach dem Tod beantwortet ein Physiker für mich ziemlich schlüssig in "Lucy im Licht" - auch im Internet als Homepage auffindbar.

Wünsche Dir einen schmerz- und todesfreien Tag!

Der Antaghar
Also gut
ich wollte es eigentlich vermeiden, aber gut: dann mach ich den Stein halt etwas schwerer. *aua*

Spätestens der gebrochene Knochen in deinem Fuß ist kein Konstrukt mehr.

Aber auch unabhängig davon ... ich benenne hier mal konkret ein Endprodukt von Gedankengängen dieser Art. Ich weiß (gehe zumindest davon aus), dass ihr das nicht so meint, aber ich fand und finde in all diesen Argumenten nichts, was den nächsten Absatz ausschließen würde.

Der Schmerz, den der Asylant verspürt, wenn ihn die Neonazi-Truppe verprügelt, ist also nichts weiter als ein Konstrukt -- genau wie der Rest unserer "Realität". Der Mann ist folglich selbst schuld, wenn er sich vor Schmerzen auf dem Bürgersteig windet -- er hätte sich ja genausogut eine Wirklichkeit ohne Schmerz konstruieren können. Oder gleich ohne Verprügelt-Werden. Oder gleich ohne Grund, hier überhaupt Asyl zu suchen.

Nein danke. *flop* Auf diese Art Philosophie kann ich verzichten.
Lucy im Licht
Letztlich sagt der Autor selbst:
Der Ausgangspunkt aller unserer Überlegungen ist meine Hypothese, dass wir mit einer Seele ausgestattet sind, die auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, wenn wir sterben. [...] Wir wollen meine Hypothese deshalb als eine Art Axiom betrachten, welches wir voraussetzen, um daraus – dann allerdings streng wissenschaftlich – Schlussfolgerungen zu ziehen.
Wie angenehm, dass er wenigstens selbst zugibt, dass sein Buch reine Spekulation ist ...
*******_ni Mann
17 Beiträge
selbst schuld?
Der Schmerz, den der Asylant verspürt, wenn ihn die Neonazi-Truppe verprügelt, ist also nichts weiter als ein Konstrukt -- genau wie der Rest unserer "Realität". Der Mann ist folglich selbst schuld, wenn er sich vor Schmerzen auf dem Bürgersteig windet

das, was du (und andere, die ähnlich argumentieren) regelmäßig nicht beachten, ist eine ganz bestimmte feinheit in unserer argumentation.

ich meine damit: es ist zwar richtig, dass wir als konkrete menschen in einem konkreten körper (also kein gott, kein engel oder was weiß ich) notwendigerweise immer ordnung (kohärenz) in das rauschen der welt bringen müssen, wenn wir überleben wollen. insofern also ist das unsere konstruktion, für die wir auch verantwortlich sind. das ist das eine.

nun das andere, was ihr immer überseht in unserer argumentation: diese konstruktion ist nicht beliebig, nicht will-kürlich. denn ich muss mich immer fragen: wie nützlich, wie heilsam oder was immer ist diese meine konstruktion? was macht sie für einen unterschied? welche möglichkeiten öffnen sich dadurch? und welche verschließen sich?
so betrachtet, bekommt dein beispiel eine ganz andere note. da kommt freiheit rein, und verantwortung. während deine betrachtung mich - in letzter instanz - in einen roboter verwandelt.
*****har Paar
41.020 Beiträge
@ smurf
Spätestens der gebrochene Knochen in deinem Fuß ist kein Konstrukt mehr.

Doch! Ist er!

Ich nehme ihn nur nicht als Konstrukt, sondern als Realität wahr, weil ich in dieser scheinbaren Realität, also letzten Endes selbst, zumindest was meinen Körper betrifft, ein Konstrukt bin.

(Alles vielleicht vergleichbar mit der Idee, sich eine zweidimensionale Welt vorzustellen, in der zweidimensionale Wesen leben und sich Gedanken darüber machen, ob es vielleicht auch eine dritte Dimension geben könnte oder sogar gibt. Und in dieser Zeit wirft eines dieser Wesen einem anderen einen zweidimensionalen Stein auf den Fuß, der daraufhin zweidimensional gebrochen ist. Du und ich beobachten das und lachen uns womöglich halbtot, aber für ihn, den armen zweidimensionalen Kerl mit gebrochenem zweidimensionalen Fuß, ist das gar nicht lustig ...)

Tatsächlich ist mein Fuß eine Ansammlung von Zellen, Molekülen, Atomen, Elementarteilchen usw., die nun durch eine festere, engere Ansammlung von außen (genannt Stein) gewaltsam verändert und somit neu angeordnet wurde. Verstehst Du?

Du magst für Dich recht haben, wenn Du auf diese Art von Philosophie vielleicht lächerlich findest, weil sie an Deiner alltäglichen Realität meilenweit vorbei geht. Aber dann brauchst Du auch nur noch über Alltägliches zu philosophieren und kannst sämtliche Meta-Ebenen außer Betracht lassen.

Statt sich z. B. über Neo-Nazis und ihre Opfer Gedanken zu machen, die historischen, politischen und philosophischen Hintergründe und psychologischen Bedingungen zu prüfen und bedenken sowie zu überlegen, wie man da hilfreich eingreifen und weitere Untaten verhindern könnte - wäre es demzufolge besser, gleich hinzugehen und diesen Idioten eine aufs Maul zu hauen. Das wäre pragmatisch, praktisch, realitätsnah (und nebenbei ganz in meinem Sinne). Und es entspräche dem Stein, der auf meinen Fuss fällt.

Ich halte es dagegen auch für spannend und aufschlußreich, Hypothesen zu beleuchten und über Hintergründe nachzudenken, auch wenn ich dabei manchmal auf Abwege gerate oder Unsinniges denke oder sogar in total abgedrehte Welten gerate.

Die übrigens nicht mal unattraktive Physikerin Lisa Randall hat in "Verborgene Universen" sogar über Dimensionen und Universen nachgedacht, die winziger sind als ein Stecknadelkopf - und damit nicht mal so Unrecht. Und früher mal von mehreren Physikern ins Blaue hinein postulierte Strings und Branen scheinen sich durch Kern-Experimente überraschend zu bestätigen. Wer hätte das gedacht?

Wurde nicht auch Albert Einstein einst verlacht - bis man die Tragweite seiner Forschungen und Gedanken erkannte? Heute ist seine Relativitätstheorie fast schon Allgemeingut (obwohl sie letztlich doch kaum einer versteht).

Ich grüsse Dich und wünsche Dir ein schönes und geistreiches Wochenende!

(Der Antaghar)
********2_by Mann
1.813 Beiträge
Da die Frage...
... am Anfang ja auch gelautet hat:
welches sind für euch die wesentlichsten philosophischen Fragen?
hier eine Einschätzung die ich uneingeschränkt Teile:
... Die Frage nach dem Verhältnis des Denkens zum Sein, des Geistes zur Natur, die höchste Frage der gesamten Philosophie hat also, nicht minder als alle Religionen, ihre Wurzel in der bornierten und unwissenden Vorstellung des Wildheitszustands. Aber in ihrer vollen Schärfe konnte sie erst gestellt werden, ihre ganze Bedeutung konnte sie erst erlangen, als die europäische Menschheit aus dem langen Winterschlaf des christlichen Mittelalters erwachte. Die Frage nach der Stellung des Denkens zum Sein, die übrigens auch in der Scholastik des Mittelalters ihre große Rolle gespielt, die Frage:
Was ist das Ursprüngliche, der Geist oder die Natur? - diese Frage spitzte sich, der Kirche gegenüber, dahin zu : Hat Gott die Welt erschaffen, oder ist die Welt von Ewigkeit da?
Je nachdem diese Frage so oder so beantwortet wurde, spalteten die Philosophen in zwei große Lager. Diejenigen, die die Ursprünglichkeit des Geistes gegenüber der Natur behaupten, also in letzter Instanz eine Weltschöpfung irgendeiner Art annahmen - und diese Schöpfung ist oft bei den Philosophen, z.B. bei Hegel, noch weit verzwickter und unmöglicher als im Christentum - bilden das Lager des Idealismus. Die andern, die die Natur als das Ursprüngliche ansahen, gehören zu den verschiedenen Schulen des Materialismus.

( Friedrich Engels :" Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie"; in: Marx - Engels - Werke; Bd.21, Seite 275 oben.)

gruß,
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