Kommt es nicht auf den Kontext an?
Die Frage nimmt ja für meine Begriffe Tuchfühlung mit der Vorstellung auf, dass das Leben Ergebnis eines Schöpfungsaktes ist, wobei ich nicht jenen Akt meine, der seinen Anfang bei besagter Welle nimmt, die sich in den Lenden materialisiert. Vielmehr meint die Frage das Leben als Daseinsform alles Lebendigen und im Speziellen des Menschlichen. In gewisser Weise korrespondiert der Gedanke der Bestrafung als Merkmal des menschlichen Daseins mit dem Postulat der katholischen Kirche, dass wir Menschen alle in Sünde geboren sind und im irdischen Jammertal nur dazu da sind, unsere Sünden tätig zu bereuen, gottgefällig zu leben und im Tod die Belohnung für ein Leben in ewiger Strafe zu erhalten und zur Rechten Gottes zu sitzen am Tag des Jüngsten Gerichtes (oder auch nicht!
Gehe nicht über Los, gehe in die Hölle, begib dich sofort dorthin!).
Den moralischen Kontext hierfür schafft also ein "Höheres Wesen", es stellt das Bedingungsgefüge dafür auf. Seltsam allerdings, dass sich dieses Bedingungsgefüge im Laufe der Jahrtausende das eine oder andere Mal sehr verändert hat, was den Schluß nahelegt, dass hier sehr wohl irdische Interessen im Spiel waren.
Das Perverse an dieser Vorstellung ist der Gott der Vergebung und der Barmherzigkeit. Er ist mit seiner eigenen Schöpfung barmherzig und vergibt ihr ihre Fehler. Komische Moral, die erst Pfusch zuläßt und dann gnädig ein Auge zu drückt. Ich will mich nicht lächerlich machen über religiöse Gefühle, aber fällt niemandem auf, dass da was nicht stimmt? Das Gottes Wege unergründlich sind, ist eine sehr schwache Ausrede.
Das Leben ist in meinen Augen ein biosozialer Prozess. Es ist einer ständigen Entwicklung und Veränderung unterworfen, die beeinflusst werden durch natürliche Bedingungen (Umwelt) und durch die sozialen Prozesse, in denen sich vernunftbegabtes Leben entwickelt hat. Diese soziale Determinante aber ist es, die für die Einen das Leben zum Glücksfall und zur Belohnung werden läßt und für die anderen nur bittere Strafen übrig hat. Zumindest empfinden die Ersteren es im besten Fall so (oft wird der eigene materielle Wohlstand als selbstverständlich angesehen und nicht einmal als Glücksumstand), die Armen, Benachteiligten auf jeden Fall. Dabei herrscht keine Willkür, es gibt objektiv keine moralische Wertung dieser Umstandes als Ganzem. Natürlich empfinden wir soziale Ungerechtigkeit als unzeitgemäß und die Eskapaden der schillerndsten Gallionsfiguren der Reichen und Superreichen werden zu recht moralisch verurteilt. Dabei wird zu leicht vergessen, dass es ein Gemisch aus objektiven und subjektiven Bedingungen ist, das die Welt so eingerichtet hat, wie wir sie vorfinden. Unser Gestaltungsspielraum als Einzelner in diesem System ist vergleichsweise gering. Das neoliberale Märchen von der Chancengleichheit ist doch nur zu dem Zweck erfunden worden, von den tatsächlichen Mechanismen der ökonomischen und politischen Verhältnisse abzulenken. Den Leuten ist leider viel schneller zu verkaufen, dass sie nur nicht hart genug gearbeitet, nicht fleißig genug gelernt haben und ihre Chancen nicht konsequent genug genutzt. Sonst würden sie doch auch zu "denen da oben" gehören. Nirgendwo in Deutschland ist aber die Chancengleichheit durch ausreichenden Zugang zu guter und gründlicher Bildung und Ausbildung so grundlegend aus den Fugen wie gerade hier in Deutschland. Bildung übrigens meint ausdrücklich weder RTL II noch HartzIV-TV. Womit wir bei den anzunehmenden Höchststrafen angekommen sind, die das Leben in diesem schönen Lande so zu bieten hat, oder?
Belohnung oder Bestrafung durch das Leben, das sind für mich keine philosophischen Kategorien, denn der theologische Ansatz, den ich oben kurz erwähnte, steht für mich in keinem wirklichen philosophischen Denkgebäude. Nähern wir uns dieser Fragestellung dann noch von der Seite des Zen-Buddhismus, werden diese Begriffe von Lohn und Strafe gänzlich aufgelöst. Aber an der Stelle muss ich leider passen.