Ich halte es für unerlässlich, das Denken, mithin Vorstellungen und Erinnerungen, aber auch Gefühle sowie vieles weitere, das durchaus weit von ausformulierten Gedanken entfernt sein kann, als Kognition zu verstehen. Gefühle zählen dazu, weil sie ohne Kogniton, d.h. deren (verarbeitende) Wahrnehmung, nicht wären. Das hat thematisch auch mit dem pseudo-esoterischen Topos der scharfen Trennung von >Kopf< und >Bauch< zu tun, die meiner Überzeugung nach ein Hirngespinst ist. Wenn ich nämlich als Teilnehmer beispielsweise eines Schamanismus-Workshops an die vermeintlich vom Kopf und somit von der Kognition getrennten Phasen der Trance – oder wie man die Zeiträume ungewohnter Erfahrungen auch immer nennt – eine Erinnerung habe und von dieser Erinnerung profitiere, dann nur deshalb, weil meine Kognition auch in diesen Phasen präsent war. Geschähen diese Phasen kognitionsfrei, hinterließen sie keine Spuren. Ich könnte mich vielleicht vage an etwas erinnern, das mir wie ein Filmriss vorkäme und damit auch mit >Nichts< benannt werden könnte.
Das Wort >Nichts< ist in unserer Sprache allgegenwärtig, doch wird im Grunde nie das Nichts an sich gemeint. Ausnahmen bilden jene Erscheinungen oder eben Nichterscheinungen, die tatsächlich das >Nichts< bedeuten. So gibt es zwischen den Elementen keine Zwischenelemente, sondern nur Isotope. Hat ein Atom ein Proton im Kern, dann ist es ein Wasserstoff-Atom. Gesellt sich ein Neutron dazu, dann ist es das Isotop Deuterium, also Schwerer Wasserstoff. Das nächste Element ist deshalb das nächste, weil es ein Proton mehr hat. Das Periodensystem ist vollständig, und zwischen den benachbarten Elementen klafft ein Intervall, das nicht gefüllt werden kann. Es gibt kein Element, das eineinhalb oder 45,2 Protonen hat. Ähnlich ist es mit dem Geld; ich kann nur in Cent-Beträgen bezahlen und nicht mit einem halben Cent.
Das wäre übrigens ein Beleg für die den Dingen zugrundeliegende mathematische Struktur, denn wenn es hier nur ganzzahlige Sprünge gibt, kann die Mathematik keine Erfindung, sondern nur eine Entdeckung sein.
Man stellt sich das Nichts auch als Vakuum vor. Sollte es gelingen, ein perfektes Vakuum zu erzeugen, beispielsweise einen Behälter von einem Kubikmeter Rauminhalt, aus dem jegliches Teilchen entfernt wurde, dann würde sich herausstellen, daß in diesem Raum spontan Teilchen entstehen und augenblicklich wieder verschwinden. Abgesehen übrigens von den Neutrinos, die alles, so auch diesen Raum, mit einem Aufkommen von 100 000 000 000 pro Quadratzentimeter und Sekunde pasieren. Auch der Raum zwischen Atomkern und Elektronen beinhaltet eigentlich nichts, und dieses >eigentlich< verweist möglicherweise auf eine Grenze der Erkenntnis.
Das ist einiges, was ich aus der Perspektive der Physik weitergeben kann, wobei die Physik ihrerseits sagt, daß sie über lediglich 5% der Erscheinungen etwas sagen kann. Der kleine Rest ist Dunkle Energie und Dunkle Materie.
Was ich zu den Erkenntnissen sagte, die quasi nebenbei möglich sind, wenn man über das Nichts spricht, scheint mir das Eigentliche zu sein; wir reiben uns an einem Begriff, der – möglicherweise wie kein anderer – nichts in der Welt bedeutet. Sprächen wir über den Begriff, den wir uns – jeder für sich – von Liebe machten, gäbe es zahllose Dinge, die wir in einer Geste des Zeigens auf etwas in der Welt meinten. Das Nichts gibt es, zumindest nach meiner Überzeugung, nur als Begriff, nicht aber als etwas in der Welt.
Für mich ist das ein geradezu zauberhafter Zusammenhang! Er zeigt, daß wir als Menschen einen Weg hinter uns haben, der uns immer weiter von der Welt entfremdetet, beginnend mit den ersten Bildern auf Felswänden über die Schrift zum digitalen Kode. Mit dieser Geschichte der Entfremdung im Rücken sind wir in der Lage, über Dinge zu sprechen, die es gar nicht gibt, und wir können beim Verfassen unserer Ideen zu diesem Erfundenen tatsächlich etwas über uns erfahren; grundsätzlich nämlich, wie ich denke, daß wir außerhalb der realen Welt existieren und unsere Seinsbasis auf Zeichen und Zeichenbedeutungen selbst erschaffen.