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Manche spüren klar und deutlich, wenn sie loslassen.
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Loslassen

*******rse Mann
2.314 Beiträge
>Sein< ist eine Einbildung.

Als theoretische Kategorie ist es interessant, doch nur für Theoretiker. Theorie und Pragmatik verhalten sich zueinander wie Strukturalismus und Struktur. Als Strukturalist will ich die Dinge auseinandernehmen, während der Mensch nur in seiner Struktur vibriert.

Es ist, als wolle der Strukturalist eine Frequenz herausnehmen und der Mensch aufgrund dieser Reduktion nicht mehr vibrieren kann.

Das Pferd wird nicht umsonst von vorn aufgezäumt.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Loslassen ist auch ein wenig wie jemanden zu ignorieren.

Je stärker man das aktiv betreibt oder kommuniziert, desto schräger kommt es an.

-----------

Wenn nach der Inhalation südamerikanischer Geschichten derzeit eine leichte Katerstimmung entstanden ist, können wir ja den Faden an dieser Stelle aufgreifen:

Philosophie: Loslassen

Das war nämlich eine sehr schöne persönliche Geschichte. Es gibt um die Selbsterfahrung persönlicher Schlüsselerlebnisse von Leistungsdruck. Da hat wohl jeder so sein Paket oder Kreuz zu tragen.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
>Loslassen< ist hier bisher weitgehend als eine Art Leistung apostrophiert worden. Das Können steht interessanterweise im Vordergrund, und zwar im Hinblick auf die Fähigkeit. Im Hinblick auf die Möglichkeit – recht eigentlich auf deren Bedingung – denke ich zur Zeit darüber nach, was mich in die Lage versetzen kann, loszulassen, und das ist Sicherheit.

Ich bin überzeugt, daß Sicherheit in der Gemeinschaft gründet. In der Gesellschaft meiner Frau und meiner Freunde bin ich sicher, und ich glaube, daß ich dieses Wissen um und über Sicherheit seit frühester Kindheit erlernen durfte. Deshalb kann ich mich auch dann sicher fühlen, wenn ich allein bin, weil ich sicher sein kann, daß alle, denen ich etwas von meinem >Sein< anvertraue, bei mir sind und ich sie jederzeit anrufen kann.

Jeder Zeit.

Das ist Liebe. Ich kann mich nur dann öffnen, wenn ich liebend eingeladen bin, und die höchste – oder auch: privateste – Form der Einladung ist das Liebemachen.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Liebemachen bedeutet, alle Viere von sich strecken zu können. Es bedeutet Dasein, meinetwegen auch >Sein<, aber eigentlich ist es das Dasein. Ich bin da, weil da jemand ist, der mich meint, und zwar nicht nur als Gesprächspartner, sondern als Partner, dem ich so gefalle, wie ich da bin. Jemand, der sich auf mich einlässt und dessen Interesse genau darin besteht. Er ist nicht ergebnisorientiert, sondern ergebnisinteressiert, und das ist die Bedeutung von >ergebnisoffen<.

Diese Offenheit besteht nur in freien Beziehungen, und >frei< bedeutet schlicht: Loslassendürfen. Loslassen muss man nicht können; man muss es dürfen.
Den riesigen Mut dazu......
....sich selbst los zulassen..........

Nicht nur in der Zwischenmenschlichen Ebene zu anderen kann man los lassen.......auch zu sich selbst kann man das............


...und das hatte ich gestern.....den Mut für eine radikale Veränderung, was die Seele seit sehr langer Zeit aufzeigt, aber der Kopf den Mut nicht hatte, genauer hinzusehen , um es zu erkennen.........



Warum ? Weil die Angst zu groß war , wenn ich den Mut zulasse, das man mich so nicht mehr annimmt, mich nicht mag und mich vielleicht sogar auslachen wird oder vor Schock mir die Freundschaft kündigt......


Die Angst ist auch immer noch da..........aber.........man soll sich der Angst auch stellen, sagte man mir immer............. so lebe ich mit srhr vielen riesigen Ängsten.......




Was habe ich getan ???
Ich habe mir gestern meine sehr langen Haare angeschnitten und nun trage ich eine recht freche Kurzhaarfrisur..........


Es ist sowas wie eine innere seelische Reinigung........



Ich habe vom Gefühl,was meine langen Haare dar stellten, smbolisch meiner Seele die "schwache" Seite los gelassen und versuche nun, meine starke Seite mehr in Vordergrund zu stellen......das wird zwar ein harter Kampf werden,aber ich kämpfe schon mein Leben lang sehr extrem hart.........



Und das los lassen zu mir selbst bringt mir nun so viel Kraft und Energie und ich spüre zum ersten mal nach sehr vielen Monaten ein Gefühl von Stolz zu mir selbst, weil ich den Mut hatte, zu meiner Seele zu stehen und das zu tun,was sich als 'richtig' angefühlt hat......und das 'richtig' ist super und das bin nun ich......



Natürlich ist die schwache Seite weiterhin vorhanden, aber diese ,was ich hoffe, ist nicht mehr zu sehr im Vordergrund zu erkennen......



Daher....auch sich selbst los zu lassen und den Mut zuzulassen, die Veränderung zu erkennen und es zuzulassen, ist für mich die allererste Erfahrung in einer solchen Form und meine Seele kann nun atmen und fühlt sich selbst auch mehr und der Kopf ist dankbar für diese Signale der Seele......



Natürlich....es gibt in meinem Kreis verschiedene Meinungen, aber die Resonanz der positiven Reaktionen überwiegt weit mehr der negativen.....somit habe Ich sogar ein doppeltes Geschenk für meine Seele , denn so hab ich auch eine Unterstützung durch Freunde , das ich alles 'richtig' gemacht habe.... *freu*


Somit.....horcht ganz genau hin, was eure Seele erzählen und zeigen möchte und nimmt das sehr ernst , egal, ob positive oder negative Gefühle und Zeichen.......


Vielen Dank euch für euer zuhören....

Liebe ehrenvolle Grüße

Kleiner Engel
*******rlin Mann
1.966 Beiträge
Das hast du schön geschrieben.
Dafür ein Danke *spitze*
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Ich bin überzeugt, daß Sicherheit in der Gemeinschaft gründet. In der Gesellschaft meiner Frau und meiner Freunde bin ich sicher, und ich glaube, daß ich dieses Wissen um und über Sicherheit seit frühester Kindheit erlernen durfte.

In solchen Zusammenhängen verwende ich lieber den Begriff Geborgenheit. Sicherheit ist inzwischen reines Neusprech und dient nur noch dazu, uns die neuesten Überwachungsmaßnahmen und Freiheitseinschränkungen des großen Bruders zu verkaufen.

In meinen Wertvorstellungen ist das Konzept ähnlich hoch angesiedelt wie bei Dir.
Noch schöner ist es sicher, wenn die Frau das auch so sieht.

Weil die Angst zu groß war ...
Ich habe mir gestern meine sehr langen Haare angeschnitten...

Remember, remember the tenth of November.

Im Film "V wie Vandetta" ist das wirklich sehr schön dargestellt, wie Angstüberwindung tatsächlich die Verbundenheit mit dem Universum wiederherstellt. Diese Szene mit den Regentropfen und den kurzen Haaren.

Was ich mich frage, ist, ob das ein einmaliges Erweckungserlebnis ist, ober ob sich das schubweise im Laufe des Lebens mehrfach wiederholt und uns in jeweils neue Dimensionen eines Freiheits (=Angstlosigkeits)-gefühls vordringen lässt.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
...
Was ich mich frage, ist, ob das ein einmaliges Erweckungserlebnis ist....................................................................................

Nein, das geht immer weiter.......wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter.....=>
**yx Mann
1.350 Beiträge
@loyaler_ENGEL
Dein Bericht ist beispielhaft für mich, ich werd ihn mir aufheben, um ihn als argumentativen Beleg zu benutzen.
Für mich dokumentiert er die Transition (gefällt mir besser als "Übergang", weil es etwas Bedeutsames und Weihehaftes ist) von der Frau zum Menschen.
Natürlich gibt´s das auch für den Mann, ist aber nicht so leicht auszumachen...
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
@****ner engel
>>>Ich habe vom Gefühl,was meine langen Haare dar stellten, smbolisch meiner Seele die "schwache" Seite los gelassen und versuche nun, meine starke Seite mehr in Vordergrund zu stellen......<<<<

Stark, schwach... wozu die unterscheidungen? je nach situation ist eine eigenschaft von uns erwünscht und wird gebraucht oder nicht. stärke kann es auch sein, seine schwachheit in manchen momenten anzuerkennen. ohne situationsanalyse per se etwas fördern zu wollen, von dem man annimmt, es sei nützlich, halte es für den falschen weg. das eine lassen, das andere fördern– ist dann klug, wenn man im leben mit dingen konfrontiert wird, wo stärke nötig ist: um sich durchzusetzen, wenn jemand einem schräg kommt, um mit krankheit, alter, tod besser umzugehen etc.
aber auch scheinbare schwachheit kann eine stärke sein: nichts unternehmen, wenn jemand einem schräg kommt, krankheit, alter, tod ganz sanft als gelegenheit anzunehmen, sich zu weiten und zu beugen.
darum ist es klüger, je nach notwendigkeit das richtige werkzeug anzulegen, und auch viel gesünder.

deine haare zu lassen ist allerdings eine tat voller symbolik dafür, dass du dabei bist, dich zu ändern, und dass dir irgend etwas nicht mehr genügte.
stärke hast du auch darin gezeigt, uns davon zu erzählen. danke dafür.


@**n
>>>>Was ich mich frage, ist, ob das ein einmaliges Erweckungserlebnis ist,<<<<
es liegt in unserer natur, zwischenzeitlich immer wieder einzuschlafen.
es liegt in der natur des lebens, uns immer wieder zu wecken.
**yx Mann
1.350 Beiträge
...es liegt in unserer natur, von Entwicklungsschritt zu Entwicklungsschritt zu gehen.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Noch schöner ist es sicher, wenn die Frau das auch so sieht.
(Jincandenza)

Das geht auch nicht anders. Ob geborgen oder sicher; ich spreche von der Resonanz zweier Menschen, die sich miteinander geborgen fühlen und ohne Zweifel sind.

Die Sache mit der Frisur ist ein Beispiel für das Aufladen mit Bedeutung. Man kann seine Frisur laufend verändern und darin ein Spiel mit seinem Erscheinungsbild sehen, also mit Leichtigkeit und ohne die Schwere einer tieferliegenden, entscheidenden Bedeutsamkeit experimentieren. Schließlich wachsen die Haare nach, und man kann immer zurück, im Gegensatz etwa zum Tattoo, zum Piercing oder sonstigen Verunstaltungen.

Wir sehen also, daß wir unser Seelenheil bisweilen mit Zeichen verbinden, die mit unserem Seelenheil nichts zu tun haben müssen. Ebenso ist es mit der Sprache, in der das einzelne Zeichen mit dem, was es bedeuten soll, nichts zu tun hat. Die Sache mit der Frisur ist somit ein Beleg für die Überzeugung, daß wir in einem umfassenden Sinn in unserer selbstgeschaffenen Welt der Bedeutungen leben.

Was wir loslassen oder festhalten wollen, sind nicht die Dinge wie etwa Gewohnheiten. Es sind nämlich nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Ich kann meine Frisur als schwerwiegendes und unverzichtbares Zeichen meines Selbst verstehen und damit nicht in der Lage sein, mit ihr zu spielen. Diese Bedeutung habe ich selbst geschaffen, und die tiefgreifende Veränderung muss somit in etwas liegen, das andere einfach so und ständig tun: Die Haare schneiden.

Gerade weil es um die Frisur als tiefgreifende Bedeutung geht, habe ich auch die Möglichkeit, diese Bedeutung, also meine Überzeugung, zu verändern und die Frisur zu behalten. Aber wir brauchen diese Zeichen, weil wir eben in unserer Welt der Zeichen leben.
wenn sich das nur annähernd gefügig an das threadthema andübeln lassen würde, fragte ich gerne, woraus denn bedeutungen fürs haareschneiden gebaut sind, dem mainstream nach. es ist nämlich eins der historienhaften zeichen, kaum einer entgeht den legenden darüber,
und es ist eins, das auf individuelle sinneswahrnehmung ebenfalls ruht. ein jeder kennt das gefühl, vom friseur rauszukommen, und sich erneuert zu entdecken.

als notorische kurzhaaradeptin kann ich von wonnen berichten, die dem entlassen der für mich hinderlichen kitzelreize langer haare folgen.
der leichte kopf, der klare schopf - ich liebe das.
ich hatte auch schon lange haare, und kenne ihr gewicht.

früher war haarelassen ein schwächungzeichen. sie galten als antennen, als kraftindiz, als potential. sie sind wieder schwer in mode, die geglätteten spaghetti, die mädels beim laufen so schön unter turmmützen entlang segeln lassen.
und dazu dann der dutt - das knötchen, am losgelassenen.

ENGELfrau, ich wünsche dir erheblichen spaß mit der neuen frisur! ein freier nacken ist etwas, das bedeutung haben kann, oder auch nicht, er fühlt sich allemal stark an.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
es liegt in unserer natur, zwischenzeitlich immer wieder einzuschlafen.
(Mazita)

Es liegt in unserer Natur, zu wachen. Die Mutter wacht im Schlaf über ihr Kind und wacht auf, wenn mit dem Kind etwas nicht stimmt.

Das ist die herkömmliche Funktion des Lebens aufgrund der Deutung unmittelbarer Zeichen. Die moderne Funktion des Lebens ist das Wachen über die richtige Deutung mittelbarer Zeichen. Wir leben in einer Welt von Zeichen, die wir prinzipiell nicht mehr unmittelbar wahrnehmen. Unsere Zeichen sind arbiträr, das heißt , daß sie nicht mehr unmittelbar zu einem Verhalten, sondern über den Umweg der Deutung zu einem Handeln führen.

In diesem Sinne sind wir sowohl verantwortlich für das, was wir an Zeichen senden sowie für das, was wir aus gesendeten Zeichen herauslesen. Das ist moderne Wachsamkeit, und sie ist auf’s Engste verbunden mit Literalität, mit Wissen überhaupt. Jeder, der nicht gut Lesen, schreiben und rechnen kann und wenig von der Welt weiß, ist zurückgeworfen auf Verhalten. Er ist kaum in der Lage, zu handeln.

Nun ist Handeln ein Erfordernis der heutigen Welt der Bedeutungen. Handeln ist das Erzeugen von Bedeutungen, die einen Einfluss nehmen auf den Lauf der Dinge. Je weniger ich der Geste des Handelns fähig und je mehr ich auf reagierendes Verhalten zurückgeworfen bin, desto mehr ähnele ich einem Wasserball auf den Wogen der Dinge.
Das natürlichste Loslassen: das Einschlafen.

Wir sind existenziell auf den Schlaf angewiesen, evolutionär aufs Sicherste darauf eingetunet, biologisch gar ausgeliefert - und können uns dennoch so schwer damit tun, als gelte es, einen leibhaftigen Widersacher zu bezwingen.

Zwang ist Nichtlassen; Zwanghaftigkeit das besonders darin Geübtsein. Zwänge werden eingeübt durch Wiederholung des Haltens.
Loslassen ist, bei zuhandener psychophysicher Gesundheit, auf nur wenige Vorgänge beschränkt, die eher Bedürfnischarakter haben oder sonst vegetativ sind und somit evolutionär gar hinter den Verhaltensprogrammen rangieren.
Loslassen ist uns, will ich sagen, zwar angeboren, aber mit unsichtbarer Tinte auf unserer spiraligen DNS-To-Do-Liste eingetragen. Müssen wir erst lesen lernen.

Die Wachsamkeit zieht sich auch durch die Ideengeschichte. Ghilgamesch verschläft das Erfassen der Lebenspflanze und biblisch-apostolisches Verschlafen ist auch das Übermanntwerden von seiner Menschlichkeit angesichts der Einladung zur Transzendenz. Der Schlaf hat seine eigene Repräsentanz auf der Landkarte der Archetypen, und in seinem hauptaktiven Traumgyrus windet sich das Mysterium der Transzendenz von allein auf.
Nur leider kaum beobachtet.


Im Traum lernen wir uns von der Seite kennen, die wir traumwandlerisch als unsere Innerste anerkennen könnten, wüssten wir sicher, dass induzierte Halluzinationen nicht noch unvermittelter sind. Was kaum anzunehmen ist.
(...)

Luzides Träumen wird in den alten Kulturen als Seelensegel gehandelt, und wirkt ähnlich wie Alice´s Wachstums- und Schrumpfungshäppchen. Mitten im losen Knüpfen wird ein importierter Bildknoten gesetzt.


Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.
...



Rainer Maria Rilke, 22.2.1898, Berlin-Wilmersdorf

(Cioccolata, Seite 1)

An diesem Fragment kann ich mich gar nicht sattlesen. Ganz gleich, wie und als was der "Engel" imaginiert wird - dass er verarmt, wird er nicht losgelassen, versteht man sofort. Wortlos, denn dazu, warum, sagt Rilke ja nichts.
Und dass ich groß werde, wenn ich halte, und klein, wenn ich gehalten werde - denn dies macht die Essenz der lyrischen Aussage aus - ist ebenso bar jeglicher Infragestellung mit in die Zeilen gewoben.
Der dramatische Höhepunkt, den die Sprache auch mit dem "und auf einmal" einleitet, ist die Einsicht, es zu weit mit dem Halten getrieben zu haben. Werden Erbarmen und Bitten zum Kommunikationsmotiv, ist eine Ebene erreicht, auf der - im Gedicht - die Befreiung mit einem "Da hab ich ihm ..." initialisiert wird. Ein jeder, der dies liest, kann auf noch kaum reflektierter Weise dazu nicken.
Dabei ist es keine Selbstverständlichkeit, wenn auch Essenz unserer ethischen und religiösen Verbindlichkeitspostulate, dass Erbarmen und Bitten Befreiung und Frieden einleiten.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...
(RMR)

Hier schleicht sich mitunter ein Unterton mit ins Lesen, der Himmel und Nahes und Schweben und Leben als Gegensatzpaare erlaubt zu verstehen. Erlaubt. Ob Schweben sich zum Leben so verhält, wie das Nahe zum Himmel ... ein Nebenschauplatz der Interpretation. Gewichtig ist, dass die Pole Räume erschaffen, erlauben - Räume, in denen wir voneinander lernen und einander erkennen können - das Hier und das Dort erlernen, und uns darin als Sowohl als Auch.

Zwischen Ich-Hier und Du-Dort ist das sicherste Boot jenes der Liebe. Sicherheit bespricht eine Bewegung, Geborgenheit einen Stand, so sehe ich das.

Liebend kann ich Du sein, und Du kannst ich sein - aber nur, wenn wir die Standorte unterscheiden lernten, können wir sie zum Einschmelzen bringen.

Wenn einer, der den Himmel "sein" nennt, erst durch Losgelassenwerden aus dem Nahen/ dem Leben das Schweben erlernt - wie es das Sonett berichtet - heißt es, wir erkennen uns selbst erst darin, dass wir uns wie ein Ziel bereisen, das wir noch gar nicht kennen. Das uns aber jener weisen kann, mit dem wir die DU-Ich-Landkarte zeichneten.
*******rine Mann
361 Beiträge
*******rse:
Je weniger ich der Geste des Handelns fähig und je mehr ich auf reagierendes Verhalten zurückgeworfen bin

wie unterscheidet sich handeln und reagieren?
wieviel tun und wieviel unterlassen gehört zum handeln?

wieviel bedeutung erzeugt reagieren?

wie bedeutungslos kann handeln sein, wenn es keine reaktion ist

handeln, reagieren ... geschehen

nein es geht nicht um den gegensatz von aktiv und passiv mit solchen kleinigkeiten gibt das leben sich nicht ab
*******rse Mann
2.314 Beiträge
wie unterscheidet sich handeln und reagieren?
(Arno_Strine)

Es geht um den Unterschied zwischen Verhalten und Handeln. Das ist eine Dichotomie und somit eine Entgegensetzung im Sinne eines polaren Aufspannens der Welt. Eine weitere, sehr populäre Dichotomie lautet >Kopf< und >Bauch<, und ich erwähne sie deshalb, weil sie populär und somit geeignet ist, die Überzeugung einigermaßen akzeptabel zu machen, daß Verhalten und Handeln zwei Pole sind, zwischen denen wir uns als Persönlichkeit befinden.

Wir sind, was wir tun, und wir sind, was wir unterlassen. Unsere tierische Herkunft ist unser komplexes Repertoire des Verhaltens, des spontan reagierenden Tuns und Unterlassens. Wir sind aber keine Tiere mehr, und wir haben vor undenklichen Zeiten diesen Schritt gemacht heraus aus der Welt der Unmittlbarkeit in die Welt der Mittelbarkeit.

Was wir tun und unterlassen ist seither von Verhalten in Richtung Handeln gewandert. Das heißt: Wir deuten die Welt nicht mehr nur aufgrund unmittelbarer Reize, die ein unmittelbares Verhalten auslösen, sondern aufgrund von Zeichen, die wir selbst in die Welt und damit zwischen sie und uns brachten.

Wenn wir mit einem Menschen zusammen sind, dann empfinden wir uns als Mensch. Wenn wir uns streicheln, dann ist das exakt Dasselbe wie etwa das Verhalten, das wir – beispielsweise – bei Polarfüchsen sehen, die sich ihrer Geborgenheit über den vollkommen sicheren und sichernden Körperkontakt, über Fellpflege, versichern.

Wir können das nicht mehr, weil wir uns fragen müssen, ob es echt ist. Diese Frage haben wir selbst in die Welt gesetzt, weil wir Zeichen erfunden haben, die uns mit der Welt vermitteln. Streicheln muss seither interpretiert werden, um wahrgenommen zu werden.

wieviel bedeutung erzeugt reagieren?
(Arno_Strine)

Reagieren erzeugt keine Bedeutung, weil Natur bedeutungslos ist. Bedeutung ist eine Erfindung des Menschen, und Menschheit beruht auf dieser Erfindung.
Füttert man "Verhalten und Handeln" in die Suchmaschine ein, bekommt man - also der man, der in meinem Laptop wohnt - eine durchmischte Linkliste, die zu erklärbärigen Angeboten aus der Philosophie, der Psychologie, der Wirtschaft führt, womöglich noch mehreren Disziplinen, nur bin ich jetzt nicht in Forschungsstimmung.

Die Begriffe bilden keine reine Dichotomie, wie ich überhaupt wenige alltagssprachliche finde, die zu einer reinen taugen. Seit die Welt rund ist, sind gar oben/unten und links/rechts nicht mehr garantiert entgegengesetzt.

Was wir tun und unterlassen ist seither von Verhalten in Richtung Handeln gewandert.
(plant)

Ich glaube, wir bewandern diese gedachte Linie mehrmals stündlich, innerhalb eines mehrdimensionalen Koordinatensystems.

nein es geht nicht um den gegensatz von aktiv und passiv mit solchen kleinigkeiten gibt das leben sich nicht ab
(arno)

Auf einer Ebene, die zwischen Kleinigkeiten und Großem unterscheidet und ein übergeordnetes
Leben
postuliert, mag so ein Gegensatz wenig Relevanz haben.
In der menschengemachten Lesart des Lebens macht der Unterschied sehr wohl etwas aus, ist aber selten in Reinform auszumachen.
Bleibe ich als Märzmond morgens im Bett, und verweigere dem Tag und der Umwelt meine Beteiligung, ist dies Handeln und aktiv - obwohl mir jemand angemessen vorhalten können würde: "Du verhältst dich wie ein Kind!".
Bleibe ich als Gazelle im Gras stehen, obwohl ich die Löwin beim Anpirschen wahrnehmen kann, ist es wohl auch Handeln (?) - verhaltensmäßig müsste ja das Fluchtprogramm sich durchsetzen.

Ich glaube, worauf hier, euren Zeilen nach, hingearbeitet werden soll, ist der Aspekt der Reflektiertheit und Verantwortung beim Handeln, also der prospektive Teil des Denkens (was bereits weiter oben im Thread geschah).
Wobei wir ja nicht wissen können, was eine Gazelle zum Ausharren brächte. Hypothetisch könnte es die erlebte Schwäche sein, die ihr ein Losrennen unmöglich erscheinen lässt.
Beim Handeln bin ich mir der Konsequenzen bewusst, oder zumindest der Kon-Sequentialität, und wir wissen nicht, ob die Gazelle weiß, was sie tut.

In den Zeiten, in denen die korsettierten Reifrockdamen gerne ohnmächtig und mittels Riechsalzgaben wieder erweckt wurden, war es schick, auch mal so, ohne Not, in Ohnmacht zu fallen, oder es zu imitieren.
Es hatte sich ein Code etabliert, der dieses ritualisierte Loslassen positiv sanktionierte.
Analog wird auch heute gerne mal der Rat erteit, man möge doch hin und wieder ausrasten - rausgelassene Gefühle gelten ja als Indices erfolgreicher Selbstfürsorge.
Das sind Zeichen, und sind Handlungen. Und sind weder rein passiv, noch rein aktiv, und das Leben gibt sich sehr wohl damit ab, sofern wir uns nicht aus dem Leben heraus berechnen.

Nicht zu wissen, was man tut - ist auch Handeln. Und um für das Ergebnis um Vergebung zu bitten - auch.

Und so komme ich wieder auf die Bitte zurück - die richte ich an Menschen und sie kann Konsequenzen haben. Das Gebet richte ich an das Leben, und es kann welche haben, das wissen wir nicht.
In beiden Fällen aber war ich aktiv und habe gehandelt, denn ich habe eine Konsequenz ins Auge gefasst und mich an die Zeichensprache gehalten, die Geltung hat, und habe mich also folgenhaft in die Welt gesetzt.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Streicheln muss seither interpretiert werden, um wahrgenommen zu werden.

Ja.
Und das Unerträgliche dieser Trennwand erzeugt den sog. Weltschmerz.
Seelenmasochismus für Intellektuelle.

Das Phänomen trat in dieser Deutlichkeit mit dem Beginn der Moderne und der Totalreflektion der Zeichensysteme zutage. Hat der Weltgeist seitdem eigentlich irgendwelche Ideen entwickelt, wie wir ohne den Verzehr von Doppel- oder Mutterkorn aus der Nummer wieder rauskommen?

Oder ist der dionysische Rausch, hervorgerufen durch allerlei Pflanzen, seit Anbeginn der Zivilisation der unverzichtbare Zwillingsbruder dieser apollinischen Interpretationszwangsneurose? Was sagt das über den Puritanismus und die Prohibition?

Wir glauben ja immer nur, wir würden die Dinge nüchtern betrachten. In Wahrheit ist fast allen verfügbaren Nahrungsmitteln unnötigerweise Zucker beigemischt. Schon Evas Apfel...
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Die Begriffe bilden keine reine Dichotomie …
(MaerzMond)

Das ist richtig. Es ist mein Versuch, die Überzeugung zu veranschaulichen, daß wir als Menschen in der Welt der Bedeutungen leben und uns nur darin von allem anderen unterscheiden. Ich möchte Begriffe finden oder formen, die geeignet sind, meine Vorstellung von den Bedingungen und Erfordernissen menschlichen Daseins so klar wie nur möglich auszufalten.

Zwei zentrale Begriffe sind >Zeichen< und >Bedeutung<. In der Welt vor dem Auftauchen des Menschen gab es beides nicht. Wir sprechen zwar davon, daß Tiere bestimmten Zeichen eine bestimmte Bedeutung zuordnen, aber das ist nicht richtig. Tiere kennen keine Zeichen, sondern Reize, und sie haben für diese Reize kein Repertoire an Bedeutungen, sondern wiederum nur Dichotomien: Bleiben und Fliehen, sicher und unsicher, Dominieren und Unterwerfen.

Wenn ich also die Dichotomie von >Verhalten< und >Handeln< behaupte, dann deshalb, weil >Verhalten< mit seiner unmittelbaren, simplen und deshalb schnellen, lösungsorientierten Struktur den einen Pol besetzt, während am anderen Pol der Mensch steht in seiner vielgestaltigen Welt der Bedeutungen, die er nicht unmittelbar, sondern über das Deuten von Zeichen wahrnimmt, die ihm die Entscheidung aufnötigen, aus einer Vielzahl von möglichen Bedeutungen ebenjene herauszulesen, die für das jeweilige Zeichen die angemessenste ist.

Unser Leben beruht auf Kontingenz, der prinzipiellen Offenheit von Erfahrung. Luhmann spricht gar von der Doppelten Kontingenz, also jener, die auf der einen Seite aus Zeichen besteht, die jemand erzeugt und damit eine Wahl trifft, die so, aber auch anders ausfallen kann und auf der anderen Seite die tatsächlich gewählten Zeichen so, aber auch anders gedeutet werden können.

Natürlich sind wir aufgrund unserer Evolution prinzipiell in der Lage, unmittelbar zu reagieren, aber wir haben diese Fähigkeit in das Reich der Überraschung und der Plötzlichkeit verschoben. Alles andere ist Kommunikation im menschlichen Maßstab, und das heißt: vermittelt.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
plant:
>>>>Tiere kennen keine Zeichen<<<<

Das stimmt so nicht. Tiere kennen sie sehr wohl, und sie haben Bedeutungen: Die 'tanzende' Biene bedient sich verschiedener Codes, um auf Futterquellen hinzuweisen, und wählt, je nach Gegebenheit, nicht willkürlich irgendeinen, sondern einen bestimmten. Das ist aber noch nicht alles: Die Biene setzt nicht nur ein Zeichen, sondern eine Zeichenfolge, um ihre Hinweise zu differenzieren, z.b. wo die Futterquelle liegt und was es dort gibt und wie groß die Entfernung dahin ist.
Auch wenn es sich dabei noch um eine genetisch adaptierte Form der Kommunikation handelt, ist es doch schon eine hochkomplexe.
Das berührt bereits Grenzbereiche zwischen Verhalten und Handeln.

Wenn es schon bei weniger komplexen Lebensformen der Fall ist, sich codierter Zeichen zu bedienen, so gipfelt das nicht unbedingt nur im Menschen, sondern in allen sogenannten noch-tierischen Verwandten höherer Ordnung: Menschenaffen haben ein ausgeklügeltes System von zeichenhaften Begriffen, mit denen sie sich verständigen. Es ist nicht nur mehr reines Verhalten - also mehr oder weniger reaktiv - sondern überlegtes Handeln, das sich in der Gemeinschaft mit anderen postuliert.

Wo sollen wir die Grenze ziehen? Es sind nicht mal zwei Seiten derselben Medaille, die es zu betrachten gilt, sondern unsere Betrachtungen gilt der ganzen Medaille.
Deshalb glaube ich nicht, dass die Begrifflichkeien 'Verhalten und Handeln' dichotomisch auseinander zu halten sind, sondern dass sich fliessende Übergänge von der Reaktion zur Aktion ergeben, die nur zusammen genommen zum Gesamtkomplex des bedeutungsvollen Handelns führen.

>>>Alles andere ist Kommunikation im menschlichen Maßstab, und das heißt: vermittelt.<<<<
Zeichen-Setzung ist immer Vermittlung, egal, wer sich ihrer bedient. Wir geniessen nur auf Grund unseres Intellekts die Freiheit, uns die Bedeutung selbst zu schaffen, auch dann, wenn sie durch die Gemeinschaft schon vorcodiert ist.

>>> Luhmann spricht gar von der Doppelten Kontingenz, also jener, die auf der einen Seite aus Zeichen besteht, die jemand erzeugt und damit eine Wahl trifft, die so, aber auch anders ausfallen kann und auf der anderen Seite die tatsächlich gewählten Zeichen so, aber auch anders gedeutet werden können.<<<<

Und so durchläuft die Zeichendeutung bei den Menschen einen komplexeren Weg, weil sie nicht unmittelbar gelesen und übersetzt, sondern vom Adressaten interpretiert werden. Dennoch oder gerade deswegen erschliesst sich uns aber nicht sofort die generelle Bedeutung - so, wie sie gemeint war - da wir in der Lage sind, Schlüsse in viele Richtungen zu ziehen, also auch, mit unseren Schlüssen Irrtümern zu unterliegen.
Dort ist für mich der Unterschied wirklich angesiedelt, der uns vom Tierreich trennt, und wo die Zeichen mit ihren dialektisch gewachsenen Bedeutungen nicht mehr 1:1 funktionieren: Wir sind in der Lage uns zu irren.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
...

Befinden wir uns eigentlich immer noch auf dem Dampfer 'Loslassen'?
Mir scheint, wir sind inzwischen an Gestade gespült worden, die nicht unbedingt auf unserer Route liegen.
Vielleicht ist es an der Zeit, wieder auf Kurs zu kommen, denn wir berühren schon das ein-oder andere unterseeische Riff, und gründeln bald mit den Walen.
Über Mangel an Tiefe braucht sich dann aber niemand zu beklagen.

also bitte: Setzen wir Anker oder geht's jetzt weiter...?
Setzen wir Anker oder geht's jetzt weiter...?

Auf Flut und Ebbe kann man sich doch verlassen ...
*******ata Frau
28.011 Beiträge
und eine leichte brise
läßt uns die segel setzen
und den sicheren hafen verlassen...
dem mondlicht entgegensegeln

anker lichten = loslassen... *zwinker*
Vielleicht mal zur Abwechslung eine kleine animierte Story, die zum Loslassen einladen kann. Erzählt vom Philosophen Alan Watts:

https://vimeo.com/100449835
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