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Loslassen

Vom Unterschied zwischen dem Handeln und der Reaktion.
Der Unterschied zwischen Handeln und Reaktion ist, das hier kein scheidender Vorgang vorgenommen werden kann. Die Reakton ist nur eine Variane des Handelns.
Das was hier so plakativ als Zeichensystem/-ebene verargumentiert wird, ist seine relative Geschlossenheit in einem autopoietisches System, welches wir, im allgemeinen, untern dem subsumieren, was wir, wie eine salbungsvolle Monstranz der Unterscheidbarkeit vom Mensch und Natur, vor die Welt halten, um uns in unserer Ohnmacht oder Unbewusstheit, gegenüber dieser "Zeichenwelt", wieder selbst zu ermächtigen:

Die Kultur des Menschen, ist seine Befangenheit darin.

Dabei wird übersehen, das die Kultur immer wieder neu zwischen den Menschen ausgehandelt werden kann/sollte, wenn sie sich selbstbestimmt begegenen wollen. Selbstbestimmt, gegenüber den Räumen der sich bietenden Möglichkeiten. Gelingt ihnen das nicht, reagieren sie auf Kulturnormen, deren Zeichen sich Unbewusst in sie eingebrannt haben und deren Symbolgehalt von ihnen Besitz ergriffenen hat.

Kann er diesen Symbolgehalt transzendieren, befreit er sich aus der kulturellen Befangenheit. Dann wird er sich seiner Bewusst, beginnt zu agieren und verläßt die Ebene der Reaktionen. Luhmanns systemisches denken war bewusst "entmenschlicht". Vermutlich weil er keine "Lösung" gegenüber dieser Befangenheit sehen konnte.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Dabei wird übersehen, das die Kultur immer wieder neu zwischen den Menschen ausgehandelt werden kann/sollte, wenn sie sich selbstbestimmt begegenen wollen.

Im Rahmen der Totalreflektion der Zeichensysteme sind dummerweise auch die Bedingungen der Möglichkeit solcher Verhandlungen selber zum Gegenstand der Untersuchung geworden. Hierbei spielt die Lüge eine wichtige Rolle in der Sprachanalyse, sowie andere Brechungen der Metaebenen.

Die eine Frage wäre also, ob Bienen oder Delphine in der Lage sind, ihre Kumpels ins Bockshorn zu jagen. Und wie die Kumpels reagieren, wenn es dann heißt: "War'n Scherz, Leute".

Im Film "The Imitation Game" wird sehr schön dargestellt, wie das Turing-Team unmittelbar nach der großen Meisterleistung der Dechiffrierung des Enigma-Codes die Entscheidung traf, diesen Informationsvorsprung nicht vorzeitig preiszugeben: Der Tod hunderter Seeleute wurde mehrfach billigend in Kauf genommen, indem nicht auf die Nachrichen des OKW reagiert wurde. Weil nur so das Geheimnis der Dechiffrierung selber gewahrt werden konnte. War'n Scherz, Seeleute.

Die andere Frage wäre, ob und wie nach Entschlüsselung dieses Erkenntnisekelpotentials eine Rückkehr zur Unmittelbarkeit im privaten überhaupt noch möglich ist. Epistemische Zwischenschichten der Reflektion verstärken nur diese Trennwände. Zudem werden diese Erkenntnisse sofort instrumentalisiert und vermarktet.

Unser akustisches Nervensystem wird durch allerlei Schmeichleien betrogen, das optische durch pushup-BHs. Das olfaktorische durch Parfums und das haptische durch antrainierte eroflgsorientierte körpersprachliche Signale. Das Einzige, was dem postmodern-hyperskeptischen Catesianer von heute bleibt, um die Authentizität des Interesses an der eigenen Person zu verifizieren, ist ein ostentativ zur Schau getragener schlechter Geschmack.

Denn Liebe geht durch den Magen.
Gans
****e_H Mann
8.282 Beiträge
eroflgsorientierte
gefällt mir sehr!
*zwinker*
@*******enza, du hast Vollkommen recht. Nur ist diese Art der Totalreflexion eine Negation dessen, was der Ausgangspunkt jedweder Kulturbezüglichkeit ausmacht:

Der Mensch, in der Freiheit seiner Bestimmtheit.

Es können viele Phänomene herangezogen werden, um sich in einer Art Fatalismus, der Kultur zu ergeben, in die wir hineingeworfen wurden. Nur wenn ich die möglichen Reaktionen darauf mit dem Potenzial des Agens verwechsele, das jedem Menschen innewohnt, ist es wahrlich so, das der schlechte Geschmack sich "kultiviert" weiter verbreitet.

Wenn diese mögliche Unmittelbarkeit des Individuums, im Miteinander, angezweifelt wird, weil der Mensch als notorischer Lügner oder als fehlerhaft - gegenüber einem Ideal der Perfektion - angesehen wird, der hat einen schlechten Geschmack, sich selbst gegenüber, weil er, weder an sich, noch an die Welt glaubt, deren Möglichkeiten, nur als Gefahren definiert werden (Daniel Kahnemann läßt grüßen).

Schlechter Geschmack, eines kulturbeflissenen Skeptizismus, zeichnet sich nur dadurch aus, das er nicht weiß was guten Geschmack ausmacht, aber diesen bis zum Exzess kultiviert. Mahlzeit...
*******ata Frau
28.053 Beiträge
hier etwas seemannsgarn aus meinen mondlicht-segeln *zwinker*

es war einmal eine frau
in einer zeit als ein leben wenig wert war
und frauen sowieso menschen 2. klasse waren.
angst-gewalt-hunger-not waren ihr begleiter für viele jahre/jahrzehnte
2 weltkriege erlebte sie- einmal war sie kind
dann junge frau, die ihren mann verlor
und als witwe mit ihren kindern sich durchs leben schlug.

das leben wurde leichter,
für alle war gesorgt,
aber sie war wie versteinert - hart geworden, bitter und einsam...
man begegnete ihr reserviert - mancher fürchtete sie sogar.

später reiste sie viel - half ehrenamtlich bei kindererholungsstätten,
denn immer da, wo sie niemand kannte, erlaubte sie sich zu öffnen...

sie lernte einer ihrer enkelinnen näher kennen,
die so anders war als alle pragmatisch-praktischen menschen um sie herum.
die traumtanzte, musizierte und sang und dichtete...
und gemeinsam mit dieser mittlerweile jungen frau
ging sie ins theater und konzerte, lachte sie, erzählten sie sich geschichten....
dies ging so einige jahre...

es brach auseinander... weil diese enkelin einen familiencodex missachtete-
ab diesem tag brach sie jeglichen kontakt ab
und erklärte diese enkelin für nicht-existent


....

die beweggründe, warum sie nach vielen jahren "losgelassen" hat
an ihrem lebensmotto
und ich( leider!) der einzige mensch in ihrem leben blieb,
dem sie je vergeben hat,
weiß ich nicht...

sie bat mich um verzeihung und darum,
mich und meine familie kennenzulernen.
und ich verzieh ihr.
meine (durch die entfernung) seltenen besuche zauberten ihr ein lächeln ins gesicht...
das war wie ein zauber, der sie verjüngte...

meinen kindern blieb sie immer fremd und unheimlich...
sie fühlten sich wie alle anderen in ihrer umgebung sehr unwohl ...

....

jahre später verlor sie sich in demenz
möglicherweise brauchte sie auch dieses gehen in die vergangenheit,
um loslassen zu können?

ich lernte bei naomi feil validation,
so blieben wir in verbindung trotz des verlusts "der realität"

und aus mir enkelin wurde in ihrem erleben tochter, schwester -
bis ich ihre mutter war und sie das kind...
erst dann fühlte sie sich geborgen genug,
um loslassen zu können und zu sterben (fast 100jährig)

bestimmt hat mich das geprägt
und möglicherweise habe ich dadurch gelernt, zu verzeihen
und damit loszulassen in mancher situation,
die einem anderen unverständlich ist...


und jetzt wieder anker lichten
für die nächste geschichte des loslassens *wink*
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
Welch eine spektrale Geschichte!
Danke, @****co, dass Du sie uns lesen lässt.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Das was hier so plakativ als Zeichensystem/-ebene verargumentiert wird, ist seine relative Geschlossenheit in einem autopoietisches System, welches wir, im allgemeinen, untern dem subsumieren, was wir, wie eine salbungsvolle Monstranz der Unterscheidbarkeit vom Mensch und Natur, vor die Welt halten, um uns in unserer Ohnmacht oder Unbewusstheit, gegenüber dieser "Zeichenwelt", wieder selbst zu ermächtigen:

Die Kultur des Menschen, ist seine Befangenheit darin.
(Maxotaurus)

Autopoiesis ist die natürliche Tendenz, sich selbst zu erhalten bzw. sich selbst aus sich selbst zu erschaffen. Auf der Ebene der Natur gründet diese Tendenz auf eben natürlichen Kategorien, und diese lassen sich zurückführen auf die Frage von Leben und Tod.

Die Kategorien des Menschen sind nicht mehr natürlicher Herkunft; sie sind seiner Kultur verpflichtet, und somit erhält die Maturana’sche Idee der Autopoiesis eine erweiterte Bedeutung, und die liegt in der Selbsterhaltung oder Selbsterschaffung aufgrund seiner selbstgeschaffenen Welt der Bedeutungen.

Hier liegt der Grund für unsere Idee des Individuums. Es mag plakativ sein in seiner Wahrnehmung und Weltdeutung, aber eben das Plakative deutet auf den Zeichencharakter, von dem es abhängt.

Das System der Autopoiesis kann nicht geschlossen sein. Es ist prinzipiell offen für alle Systeme, die sich selbst erhalten oder erschaffen. Wir erschaffen und erhalten uns als Menschen aufgrund von Bedeutungen, die wir stets bestätigen oder verwerfen. Wir tun dies aufgrund unseres Urteilsvermögens, und das hängt meiner Überzeugung nach ab von kulturellen Fertigkeiten. Wir müssen Zeichen deuten können im Hinblick auf Handeln.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Es ist prinzipiell offen für alle Systeme, die sich selbst erhalten oder erschaffen.

Diese Offenheit wird flankiert durch eine immer komplexere Überlagerung der ursprünglichen Stimulus-Response-Schemata. Durch diese kybernetische Kontrolliertheit werden letztlich die sensorischen inputs immer fader und die motorischen output immer gehemmter.

Am Ende hat sich ein solches Dickicht aus Regelkreisen entwickelt, dass es Dir wie eine geschwärzte Panzerglasscheibe vorkommt. Da verzweifelt Eros, weil er mit seinen Pfeilen einfach nicht mehr durchdringt.

der hat einen schlechten Geschmack, sich selbst gegenüber, weil er, weder an sich, noch an die Welt glaubt, deren Möglichkeiten, nur als Gefahren definiert werden

Genau. Durch die Prägungen der Vergangenheit kann sich die Autopoiesis in eine ziemliche Melancholie fehlentwickeln. Das kann jedem geschehen.

Es reicht, sich ein einziges Mal so richtig die Finger zu verbrennen, weshalb das mit zunehmendem Alter sogar immer wahrscheinlicher und ausgeprägter wird. Die Möglichkeit, dies zu korrigieren, ist im Konstruktivismus zwar prinzipiell enthalten; en Detail gerät das Modell aber leicht ins Schlingern, wenn es zu sehr am >auto< klebt.

Für solche Korrekturen bedürfen wir des anderen.

Mehr noch

Es ist erforderlich - und das ist es, was an solchen Geschichten wie der von Chioccolata so anrührt - dass der reine flow emotionalen Ausdrucks - egal ob als Zuneigung oder Abneigung - klar und unvermittelt zwischen den Individuen fließen kann.

Die Bedeutung der großen Dramen und Opern liegt nicht in den verwendeten Zeichen und Mitteln des sprachlcihen oder musikalischen Ausdrucks. Es ist vielmehr die empathische, unmittelbare Adaption der Emotionen durch den Zuschauer, die sie bedeutsam macht: Gerade weil der Herzschmerz der schicksalhaften Konstellationen jedem in ähnlicher Form bekannt ist, und zwar in jener Unschärfe, die nur im noch-nicht-verzeichneten west.
wenn es zu sehr am >auto< klebt.

danke, jin.

stellt euch vor, jemand liest joy-philo in fünfzig jahren.
mag sein, er diesseriert über anfänge der netzzeit, oder so. mag sein, er liest den inhalt, den wir vermittelten.
mag auch sein, dass er versucht dahinter zu kommen, wie wir uns verständigen - also unsere kommunikation analysiert.
ich verstehe hier hin und wieder nur bahnhof.
aber ich kann spüren, mit wem ich im zug sitze.

und auch ich danke cioccolata für die geschichte und den schwenk zum los.
**e Mann
2.564 Beiträge
aber ich kann spüren, mit wem ich im zug sitze.

Ja, ich dachte auch, er wäre der Zug, der mich erwischt hätte, links, unterhalb der Rippen.
Nu liege ich im Krankenhaus und es ist eine Lungenembolie.

Beileidsbekundungen bitte hier und jetzt (-;

Mal im Ernst, plant: Deinen Text könnten doch Birnen (fück, sollte Bienen heißen) genau so unterschreiben.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Mal im Ernst, plant: Deinen Text könnten doch Birnen (fück, sollte Bienen heißen) genau so unterschreiben.
(pue)

Bienen können ebensowenig unterschreiben wie Birnen; etwa die Baugenehmigung für das Kernkraftwerk Tschernobyl. Von Bienen und Birnen unterscheidet uns die Fähigkeit, den Dingen auf die Spur zu kommen und etwa die gigantische Energie zu manipulieren, die ihnen zugrunde liegt; die Energie der Ruhemasse.

Man stelle sich vor: Wir bestehen aus Atomen, die im Grunde geronnene Energie sind. Diese Energie können wir aufgrund von Programmen, die wir selbst entdeckten, freisetzen. Die Bedeutung der Atom- bzw. der Wasserstoffbombe sowie die Bedeutung der Kernenergie – insbesondere die Entwicklung der Tokamak (toroidalnaja kamera w magnitnych katuschkach) – liegt in der Macht des Menschen.

Diese Macht gründet in seiner ursprünglichen Geste, sich nicht mehr unter Götter, sondern über die Dinge zu beugen und sie bis an die Grenze des Erkennbaren zu teilen. Das hat dazu geführt, daß das Atom (griechisch für: Das Unteilbare) wie auch das Individuum (lateinisch für: Das Unteilbare) nicht länger unteilbar war.

Heute sind wir aufgerufen, aus den von Wissenschaft hingeworfenen Teilchen uns selbst zu erschaffen. Wir müssen uns aus diesen Teilchen zu dem komputieren, was wir sein wollen. Das Komputieren ist ein Erfordernis, das aus den materiellen Bedingungen der digitalen Seinsweise erwächst. Wer heute ohne Smartphone auskommt, ist ein Alien.
*******rine Mann
361 Beiträge
ich bin ein alien - gut dass ich endlich klarheit habe...

ich halte es für einen irrtum, das 'teilen bis ins kleinste' als paradigmatischen mittelpunkt moderner menschlicher erkenntnisgewinnung zu formulieren.

auch die unterordnung unter götter oder die unterordnung der welt, halte ich für ein missverständnis, dessen was gewesen ist und dessen was heute ist.
es ging nie um eine unterordnung unter götter... es ging immer nur um menschliche macht, wenn der eindruck der notwendigkeit einer unterordnung geweckt wurde oder wird.

in meinen augen geht es um einordnung jedesmal. es ging auch früher um die suche nach einer erkennbaren ordnung. ebenso wie früher erdachte ordnungssysteme zuweilen zum nutzen weniger pervertiert wurden und es schließlich einer aufklärung bedurfte, um die fehlentwicklungen loszulassen, werden auch heutige erdachte ordnungssysteme (ich schreibe sehr bewußt nicht von gefundenen oder entdeckten) immer wieder zum nutzen weniger ausgeschlachtet. das sollte weder in bezug auf die vergangenheit noch auf die gegenwart die erdachten ordnungssysteme zur welterkennung diskreditieren, sondern lediglich unlautere ausbeuter derselben.

es geht auch bei den erkenntnissen über das kleinste nicht vor allem um die durch teilung gefundenen, vermeintlich elementaren konstituenten, sondern immer vor allem um die regeln des zusammenspiels.

wir erkennen (uns und die welt) vor allem im zusammenhang... nicht im zerteilen.
Und in meinen Augen widersprechen sich plant und Arno nicht, sondern sie pirschen sich aus verschiedenen Richtungen an.
sondern immer vor allem um die regeln des zusammenspiels.
(Arno)

Wovon?

"zerteilen " und "zusammenhängen" sind doch ein Paar.

es ging nie um eine unterordnung unter götter... es ging immer nur um menschliche macht,

Ich finde es irrelevant, ob nun die Einen oder die Anderen die waren, unter denen man sich unterordnete. Dass man es tat - und heute noch tut - ist grammatikalisch vom Adressaten unabhängig.
Im Übrigen, allmählich interessiere ich mich für Grammatik.

in meinen augen geht es um einordnung jedesmal
(Arno)

sich nicht mehr unter Götter, sondern über die Dinge zu beugen und sie bis an die Grenze des Erkennbaren zu teilen.
(plant)

Vermeer hat ihn gemalt: den Mann, der sich über die Dinge beugt, ohne einzuknicken: den Wissenschaftler, der einordnet. Er ist der große Zerteiler gewesen und der Puzzleleger ist der neue Wissenschaftler. Ich sehe nur Ergänzung in euer beider Posts.

Wir müssen uns aus diesen Teilchen zu dem komputieren, was wir sein wollen
(plant)

Das sehe ich auch so. Ob und ich welcher Reihenfolge synthetisch oder analytisch, ist eine Frage zu vielen Antworten.
Ich sehe, dass wir fragmentieren. Und dass dieser Zerfall eine geringe Halbwertzeit hat.

Und das Neue ist auch schon da.
Auch wenn man es hin und wieder verlegt hat.

Es war wohl immer so, dass zu einer Bewegung eine gegenläufige gestiftet wurde. Zur Tendenz zur Splitterung entgegengesetzt drehen sich die Kräfte der Bündelung - wir halten im Grunde die Welt im Gleichgewicht-
sind aber zu dumm, es zu merken.

Also wir jetzt, da draußen ...
Wir müssen uns aus diesen Teilchen zu dem komputieren, was wir sein wollen

Das halte ich für einen kompletten Irrtum, den Arthur Schopenhauer, mit den Satz „Der Mensch kann zwar tun was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“ aufzeigt.

Hier wird noch mal, gegenüber dem Willen, verdichtet, was Heidegger in seiner Fundamentalontologie versuchte herauszuarbeiten. Wer das Seiende als den letzten Grund des Seins postuliert, gibt sich einer Beliebigkeit dessen hin, was in der Zerteilung/Spaltung willentlich die Welt neu erschaffen wollen will.

Hier zeigt sich eine Vermessenheit, deren Ziellosigkeit sich selbst genug ist. Mit den Zeichen der entsprechenden Verwirrungen, die die Menschheit plagen.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
allmählich interessiere ich mich für Grammatik.

Smartphones verleiten zu der Annahme, dass wir so etwas nicht mehr nötig hätten.

Sie sind so ambivalent wie jede andere Technik auch, aber die diesen Geräten innewohnende Tendenz, sich aus Gründen vermeintlicher Informationsverwaltungsoptimierung in eine neue selbstverschuldete geistige Unmündigkeit zu begeben, ist schon exorbitant.

http://www.frag-caesar.de/la … h/putare-uebersetzung-1.html

glauben
meinen
berechnen
halten für
beschneiden
einschätzen
rechnen
schätzen
vermuten
voraussetzen
überlegen

Etwa die Hälfte dieser semantischen Wolke hatte ich aufgrund intensiven Vokabelpaukens während des Studiums noch in Erinnerung, und habe ca 1991, als wir Turings essay
https://people.cs.umass.edu/~immerman/cs601/TuringPaper1936.pdf
lasen, computable übersetzt mit: das, woran wir gemeinsam glauben (können)

Das war etwas eigenwillig, hat mir aber geholfen, den quasi-religiösen Charakter unseres zeitgeistlichen Informationsverarbeitungskultus im Radar zu behalten.

Wenn Shvetaketu beginnt, mit den
von Wissenschaft hingeworfenen Teilchen
herumzupuzzeln, und etwas Neues aufzubauen, dann ist das nie nur reine Berechnung, sondern immer auch ein schätzen, vermuten, glauben. Der Inder empfiehlt, beim Anblick dieses Trümmerhaufens von Teilchen (unseres Selbst) ein wenig innezuhalten, und ihnen beim Tanzen zuzusehen, bevor wir sie voreilig für allzu abenteuerliche Konstruktionen verwenden.

Manchmal glaube ich, Martin Luther hat mit seiner Bibelübersetzung den Hang zur geistigen Unmündigkeit eher noch verstärkt. Da putare auch mit schätzen übersetzt werden kann, habe ich heute mal nachgesehen, ob die bekannteste Bibelstelle dazu ebenfalls auf diesem Verb gründet:

factum est autem in diebus illis
exiit edictum a Caesare Augusto
ut describeretur universus orbis

ES begab sich aber zu der zeit /
Das ein Gebot von dem Keiser Augusto ausgieng /
Das alle Welt geschetzt würde.

http://12koerbe.de/euangeleion/louk-02.htm

Also nix computare, sondern describere = beschreiben.
Echt'n Ding.
Und dann geht der Text noch weiter

et ibant omnes ut profiterentur singuli in suam civitatem

Vnd jederman gieng / das er sich schetzen liesse / ein jglicher in seine Stad.

Erneut das deutsche Wort schätzen, lateinisch diesmal profitare.

Ein klares Indiz, dass sich dieser vorweihnachtliche Konsumrausch nur in einem protestantischen Land so pervers entwickeln konnte. Daran war Luther Schuld. Die Katholiken waren gewarnt, jedenfalls solange die hl. Messe auf Latein gelesen wurde.
danke, Jincandenza.

Festklebende Karamellbonbons lassen sich durch genüssliches Einspeicheln lösen.

beschneiden

Aha. Das Anfertigen der Origami-Blätter mittels Papierbogen und Schere entfällt, seit es diese fertig zu kaufen gibt. Ich zöge es dennoch vor, mir meine eigenen zu basteln.

"schätzen" nehme ich mit in den Tag: was für eine wundervolle Vokabel! So viel Imponderabilität, so viel Gestaltungsfreiheit!
Genauso ist das Jincandenza:

Die Teile der Welt sind beschreibbar, man kann sie so schätzen, dass man an die Beschreibungen der Dinge beginnt zu glauben. Das nennt sich dann Wissen. Für die Weisheit gilt das nicht. Sie basiert nicht auf Beschreibungen. Nicht auf Schätzen, die mich beglaubigen. Weisheit entzieht sich all diesem.

Sie ist bedingungslos und absolut wertfrei am gegenwärtigen Sein ausgerichtet.

Kein Ding der Welt kann mich - vor mir selbst - unmündig machen. Das geschieht nur, wenn ich die Dinge mehr schätze, als das was mein Sein ausmacht. Ich möchte nicht so weit gehen zu behaupten, es gäbe kein Leben im falschen. Aber es ist dann schlicht nicht mein Leben.

Es ist der Unterschied zwischen Wissen und Weisheit.

Um nichts anderes geht es im Leben und genau wegen dieser Suche gibt es die Philosophie. Ich sprach mal von einer Wissensbesoffenheit. Nichts von dem ist falsch. Denn jeder hat seinen Weg vor sich, zu seiner Weisheit und wenn es der Kater ist, der, auf der Wissenbesoffenheit folgend, hilft, seine potenzielle Seinsweisheit zu spüren.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Kein Ding der Welt kann mich - vor mir selbst - unmündig machen.

Ach, ich fürchte, wenn die Dinger nur jung und knackig genug sind, können sie mit so alten Säcken wie uns durchaus machen was sie wollen; vorausgesetzt, sie agieren kess genug.
Das gehört zur Inklusion des Lebens, das, gerade verkehrt verstanden, so modern ist ;-).

Aber wer soll sich denn davor fürchten...
zurück zum Thema Loslassen
Loslassen gelingt meiner Ansicht nur wenn man es schafft den Moment (Gegenwart) zu leben und zu umarmen. Sich nicht von Vergangenheit (Melancholie) oder der Zukunft (falsche Hoffnung) zereissen lässt.
Frei nach der Devise "Amor fati"

Der Weise ist der der es schafft ein bisschen weniger zu bedauern, ein bisschen weniger zu hoffen jedoch viel mehr zu lieben.
Der Weise ist der der es schafft ein bisschen weniger zu bedauern, ein bisschen weniger zu hoffen jedoch viel mehr zu lieben.

danke dafür.

wobei ich mit dem "bisschen" nicht zufrieden wäre.
das bedauern macht nur sinn, wenn wir in der lage sind, um verzeihung zu bitten - dann bewegt es etwas. vorkommnisse zu bedauern, die man im nachhinein nicht hätte anders meistern können, darin man also nicht erheblich hätte anders mitwirken können, sollte man nicht mit bedauern belegen.
einen teil muss man abgeben, loslassen, den, den wir nicht beeinflußen können.
ebenso beim hoffen.
weniger hoffen? nein, weniger der hoffnung überlassen und mehr daran setzen, dass das erhoffte eintreten kann.
das kann mitunter bedeuten, dass man erkennt, wovon man sich trennen, und wozu man sich bekennen muss, damit die hoffnungen eine basis haben.
dass man die verantwortung übernimmt, für den teil, den man handhaben kann - und sie beim bedauern abgibt.

ich bedauere wider besseren wissens dinge unterlassen und getan zu haben, die ich seinerzeit hätte anders anpacken können - nichts aber von dem, was sich meinem tun entzog.
in diesem wechselspiel aus extremer ohnmacht, wie bei einem erdbeben, und machbarkeit, wie bei einem studium, zu dem man sich immatrikulierte, und man selbst steht nur im weg, gibt es eine unzahl von zwischenstufen. auf einer jeden geben wir ego ab - oder nicht, lassen los - oder nicht.

ego ist für mich die relevante rubrik. ego ist das ungesättigte, das bindungen eingeht, mein ionendasein.
ein teil der welt ist mit meinen bindungen befüllbar, ein anderer ist meine formstabile, mathematisch beschreibbare, geometrisch sich darstellende, chemisch ordentliche rubrik. der reine code, der noch nicht manifest ist.
wenn ich mich im reinen code befinde, hoffe und bedauere und befürchte ich nichts. aber ich weiß, dass ich dann von der welt lasse.
welt will bespielt werden.

will ich die welt nicht bespielen, höre ich ihrem ton "nur" zu, und glaube, ich machte nicht mit.
aber welt hört zu, wie ich nicht mitmache.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Das {die Erkenntnisse der Wissenschaft} hat dazu geführt, daß das Atom (griechisch für: Das Unteilbare) wie auch das Individuum (lateinisch für: Das Unteilbare) nicht länger unteilbar war.
(plantnurse, Seite 16)

Feuer, Wasser, Erde und Luft machten Platz für Elemente, die seither wiederum Platz machen mussten, und dieses Geschacher wird weitergehen. Die Vorstellung von Unteilbarkeit gründet seit jeher auf der Überzeugung, daß es Teilbarkeit gibt, denn die Sonne und der Mond, der Tag und die Nacht, der Sommer und der Winter haben die Welt bereits geteilt, lange bevor das Leben in ihr entstand und seine eigenen Dichotomien von Geborenwerden und Sterben, von Wachen und Schlafen sowie von Angst und Friede entwickelte.

Der Mensch hat mit seinem Interesse am Herausfinden der Bedeutung dieser allumfassenden Teilung immer schon auf den Grund kommen wollen: Der ursprünglich göttlichen Teilung des Ewigen – wie etwa die absolut verlässlichen Bewegungen der Gestirne oder auch die absolut verlässliche Solidität des Berges, des Waldes, des Flusses und der Höhle – vom Vergänglichen – wie etwa die des eigenen Lebens – musste etwas zugrunde liegen, das man herausfinden können muss.

30 000 Jahre vor Christus entstanden die ersten bekannten Felsbilder, Felsreliefs und Plastiken aus Elfenbein. Sie stellen Pferde, Wisente, Mammuts, Löwen oder Steinböcke dar und sind von einer Kunstfertigkeit, die den Betrachter sofort davon überzeugt, daß die Menschen zu dieser Zeit bereits in der Lage waren, nicht nur vom Gesehenen, sondern vom Betrachteten abstrahieren zu können.

https://www.zdf.de/fehler/entdeckung-der-eiszeit-kultur-100.html

Das ist 15 Mal die Zeitspanne, die uns von Jesus von Nazareth trennt, einem Propheten, der als einer der letzten – 1300 Jahre vor Mohammed – auftrat und wirkmächtig eine Philosophie des Lebens propagierte. Heute sind diese Philosophien perdu. Sie haben ihren Platz geräumt zugunsten nachindustrieller Vorstellungen vom Glück, deren Propheten zahllos sind. Sie heißen Obama, Domian oder Bohlen.

Lesen, Schreiben und Rechnen sind im Grunde ein und dasselbe. Beim Schreiben fädeln wir Zeichen auf eine Schnur, die einen Anfang und ein Ende hat, womit sich das Schreiben als Geste entpuppt, eine Szene oder Sachlage in ihre vermeintlichen Bestandteile zu zerlegen und diese Teile sinnvoll in eine Reihenfolge zu zwingen. Der Sinn ist erst am Ende völlig einzusehen. So geht es mit dem Lesen; wir verfolgen die ausgelegte Schnur Zeichen für Zeichen und wissen erst am Ende, worin wir Einsicht haben sollen. Wir wissen gegebenenfalls auch, worin wir eben nicht Einsicht haben sollen und was uns derjenige verschweigen will. Aber das ist eine eigene Geschichte.

Das Rechnen wiederum steht am selben Ursprung wie das Schreiben. Im östlichen Mittelmeerraum, in Mesopotamien, hatte man mit dem Schreiben begonnen, und da es um die Kommunikation Handel treibender Völker mit ihren je eigenen Sprachen ging, mussten nicht nur Wörter für die gelieferten Waren, sondern auch Zahlen für deren Mengen auf die Vorläufer unserer Papiere (DIN-A 4, 80 Gramm pro Quadratmeter) geritzt werden.

Das mathematische Denken steht also am selben Ursprung wie unsere Schrift, und es sollte sich herausstellen, daß dieses Denken die Regie über das Fortkommen der Menschheit übernimmt. Wir waren längst Rechnende, als wir den Rechner erfanden, und dieser Maschine überlassen wir mittlerweile so vieles, daß wir selbst das Rechnen zu verlernen beginnen. Wir überlassen selbst unsere Partnerwahl solchen Kalkulatoren.

Der Calculus ist der Rechenstein, und der Rechner, der Kalkulator, ist ein Steinchenzähler. Wir kamen auf ihn, weil wir immer schön zählten; die Steinchen, die Knoten, die Muscheln, die Kerben, die Tage, die Wochen, die Monde und die Jahre.

Waren wir ehedem ein Teil im Kontinuum der Dinge, die uns als Einheit erschien, so sind wir heute selbst Partikelschwärme, die aus winzigsten Einheiten bestehen. Wir sind es, weil wir es wissen und nicht, weil wir es erfahren. Wir erfahren uns immer noch als integralen Bestandteil von allem, aber wir verstehen uns als komplexes System aus Blutkreislauf, Organen, Muskeln, Knochen, Wahrnehmungsorganen, Psyche.

Wir verstehen uns als Subjekte, die etwas wollen und vermögen, aber auch als Objekte, die fremden Interessen unterworfen sind. Und wir verstehen das, weil wir es uns ausrechnen können. Somit ist das Rechnen- und Berechnenkönnen kein Hinweis auf Gefühlskälte. Diese Fähigkeit ist für unser Leben immer grundlegend gewesen. Wir können geschichtlich soweit zurückgehen, wie wir wollen, und wir werden etwa der als Hexe verbrannten Heilerin attestieren, daß sie ihre Rezepte berechnete, denn eine falsche Rezeptur hätte durchaus das Gegenteil von Heilung bedeuten können.

Somit ist das Rechnen die einzige Voraussetzung für Glück. Nicht umsonst sprechen wir davon, auf jemanden rechnen zu können. Wir wägen ab, und das heißt, daß wir messen. Messen und Abmessen war immer unsere Tätigkeit. Wir haben den Takt der Dinge immer genauer gemessen, und auch uns selbst messen wir in diesem Takt. Wir messen den Takt unseres Herzens, unserer Arbeits- und Freizeit sowie die Aufmerksamkeit, die uns zuteil wird.

Die Joyuser müssten wissen, wie sehr sie das messen, was sie in Profilen und Beiträgen lesen, und zwar vor dem Hintergrund ihrer ureigenen Überzeugungen, wie Profile und Beiträge zu lesen seien. Sie können sich als >alter Sack< für >junge Dinger<, die >nur jung und knackig genug sind< (Jincandenza) anbiedern. Sie können sich als alte Frau mit Vorliebe für junge und gutgebaute Männer anbiedern. Sie können sich aber auch als Gesprächspartner anbieten, die ein Faible für inhaltlichen Austausch haben. Was auch immer; zugrunde liegen immer Überzeugungen.

Diese Überzeugungen erwachsen aus Wissen, und je umfangreicher dieses Wissen zuhanden und bewusst abrufbar ist, desto besser bin ich in der Lage, die Verheißungen und Verlockungen der Welt in ein stimmiges Verhältnis zu mir selbst zu setzen. Diese mögliche und nötige Fähigkeit verdanke ich der Geschichte der Menschheit, die auf dem Interesse beruht, den Dingen auf die Spur zu kommen.

Ich kann nur dann glücklich werden, wenn ich mich vor diesem Hintergrund abhebe und mich deshalb erkenne.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
@plant
>>>Somit ist das Rechnen die einzige Voraussetzung für Glück.<<<

Vielleicht passt es zu einem Thread, der 'Loslassen' heisst, über das Rechnen zu schreiben.
Rechnen ist Messen, Sammeln, Anhäufen, und Festhalten von etwas - alles, was berechenbar ist, ist auf Seiten der sicheren Annahme.
Auf Gemessenes kann sich zwar auch niemand 100prozentig verlassen, aber es erhöht zumindest Wahrscheinlichkeiten. Meinen wir.
Tatsächlich aber ist es aber völlig irrelevant. Das Chaos macht nicht davor halt, ob wir einen Wert gesichert wähnen, und geht mit Wahrscheinlichkeiten ähnlich um wie mit der denkbar unwahrscheinlichsten Variante, denn alles liegt im Bereich der Möglichkeiten. Wenn wir versuchen, vor dieser Tatsache einen Wall aus Messbarem aufzubauen, wird es ihn einreissen.
Deshalb kann das Rechnen alleine nicht die einzige Voraussetzung für Glück sein, sondern eher die Minderung, die Minimierung der Parameter, es zu berechnen.
Wenn wir das nicht tun, erleben wir uns selbst und alles um uns herum in einem Wirbel von Fragmenten, denn wir klammern uns daran, jede Zelle in Beziehung zum Ganzen in Relation zu setzen, ohne jemals die Ganzheit zu sehen.
Für mich haben Zahlensymbole oder die Fähigkeit, den Begriffen Symbole zuzuordnen, nicht viel mit Glück zu tun, sondern alleine mit Organisation. Nicht irgendeine, sondern eine menschliche. Deshalb entfernen wir uns mit Hilfe dieser Zeichen auch immer weiter von dem, was wir als Einheit erfahren könnten, denn dafür braucht niemand die Umschreibug der Welt. Zahlen schaffen keinen Konsens. Sie differenzieren nur.
Oder was haben wir davon, wenn wir wissen, dass unser Erbgut mit dem der Schimpansen um 98% identisch ist?
Es ist klar dass mit "weniger hoffen" nicht gemeint war "die Hoffnung aufgeben"
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Amor fati

Genitivus subjectivus oder objectivus?
Wir sind hier schließlich in der fatum-burning-zone.

bedauern macht nur sinn, wenn wir in der lage sind, um verzeihung zu bitten - dann bewegt es etwas.

Oh, wie wahr.

Wobei der entscheidende Teil der Bewegung in uns selbst stattfindet. Die Erinnerung an jedewede Missetat quält uns sowieso ein Leben lang. Je stärker wir mit der Tat gegen unser eigenes Wertesystem verstoßen haben, desto stärker sind wir auch in der Qual emotional involviert. Das steckt im nach Luther so wichtig gewordenen Begriff des Gewissens ebenso wie im Tat Tvam Asi. Das Opfer der Tat mit der Bitte um Vergebung direkt anzusprechen, hat den stärksten Linderungseffekt.

And in the end
the love you take is equal to the love you gave

(Das Zitat stammt von kurz vor der Auslaufrille des Let-it-be-Albums und ich wundere mich eh, wie dieses Thema so lange ohne die words of wisdom von Lennon & Co auskommen konnte. Ich hoffe doch sweetcalm ist gesund?)

Bisweilen haben wir den Eindruck, dass die Gleichung nicht aufgeht.

Es scheint jede Menge Glückspilze zu geben, bei denen wir uns fragen, womit die das verdient haben, ebenso wie Bösewichte, die so viel Unheil angerichtet haben, dass ein emotionaler Ausgleich undenkbar ist. Wir wissen aber nicht, wie es in diesen Menschen aussieht.

Der Zeitgeist nötigt uns, bei unseren Glücksberechnungen und Wirklichkeitskonstruktionen Bedenken auszublenden. Manchmal macht das Sinn, manchmal kann das verheerende Folgen haben.

Die Ursprünge der Mathematik liegen nach meinem Dafürhalten jedenfalls nicht in der Erbsenzählerei ägyptischer Kornspeicher oder mesopotamischer Harems. Das ist lediglich technische Anwendung, die nerds einfach nur langweilt.

Ich bin vielmehr fest davon überzeugt, dass die Urbilder, aus denen wir unsere mathematischen Modelle konstruieren, in dem chaotischen Gewese zwischenmenschlicher Beziehungen zu suchen sind, respektive in dem Bemühen, darein so etwas wie Ordnung zu bringen.

Noch in Peanos axiomatischer Konstruktion der natürlichen Zahlen spielen Nachfolger eine wichtige Rolle. Mengen (Klassen) vererben ihre Eigenschaften. Mit dieser Idee von der potentiell unendlichen Perlenschnur männlicher erstgeborener Erben haben wir alles, was die Mathematik prinzpiell für ihre Ordnungsrelationen braucht. (Einschließlich der Tatsache, dass die orthogonal dazu sich aufspannende Achse der nicht-erbenden Geschwister immer nur aktual endlich sein kann. Selbst bei herausragender Potenz.)

Dieses zwischenmenschliche Gewese ist aber viel komplexer als jene mathematisch-eindeutigen familiären Strukturen. Schon Onkel und Tanten machen die Sache recht kompliziert, und dann gibt es noch Freunde, Nachbarn und Geschäftsparter, bei denen man nie so eindeutig per Gentest wissen kann, woran man ist. Hier werden die Mengen-Einteilungen, die unser Verstand vornimmt, dünnwandig, unscharf, permeabel, wodurch wir gedanklich zurück ins Kontinuum gespült werden.

Schwierig wird es immer, wenn die Klassen-Ebenen durcheinandergeraten.

Was dem Logiker Epimenides, dem Mathematiker Gödel, dem Historiker Spartacus, ist in diesem Ur-Modell der Inzest.
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