ihr Los zu lassen.
Alles scheint ein Los zu haben, das erst freigerubbelt wird. Dinge, wie Menschen und Tiere. Das örtliche Tierheim weist gerne auf Tierlose hin, wenn in der Wochenendausgabe der Zeitung mal wieder ein Katzen/Kaninchen/Hundeporträit zum Besuch einlädt und zu Loswechseln der dort insässigen Tiere.
Ich halte weder Hund noch Katze und Lager sind mir zu sehr Zerfallsprodukte, aber lieben tu ich beide angeblich so gegensätzlichen Manieren. Die Hausgebundenheit der Katze, wie das instinktive Wegrennenwollen des Hundes, sobald ein Hase in Sicht ist.
Ich erzähle euch mal meinen Jahresabschlussbericht in Sachen Loslassen.
Am 29 Mai des nun hinscheidenden Jahres fielen aprikosengroße Hagelbrocken vom Himmel und zerstörten eine ganze Menge Gut in einem fränkischen Landstreifen.
Das Los fiel auch auf uns, und unser Terassendach wurde zerschossen. Sternförmige Risse, wie von Projektilen, zerfurchten die Dachplane und binnen Minuten stürzte Wasser in unsere darunter liegende Behausung ein.
Entlang der Mauern zuerst, dann immer mehr durch die Ritzen der Deckentapete, regnete es hinein, in einem Format, dass ich ungelogen als Bach bezeichnen möchte. Wasserfälle und Rinnsale im ganzen Raum, so dass sogar die Bratpfanne und der Wok als Auffanggefäße folgten, nachdem Eimer, Kochtöpfe und Salatschüsseln alle im Einsatz waren.
Wir haben die ganze Nacht gewischt und gewrungen. Nächstentags war es sonnig, und wir lüfteten und versuchten auszutrocknen, was ging, etwa den Teppich. Der Versicherungsmann kam dann auch bald vorbei und wir kauften im Baumarkt Planen, um das Dach bis zur Sanierung vor weiteren Überschwemmungen zu schützen.
Was aber nicht klappte, also regnete es den ganzen Sommer hinein, wenn es outdoor regnete, und auch Tage danach.
Abends aufgestellte Gefäße, unter die dann ermittelten Hauptrisse der Decke, standen morgens leer, weil die Rinnsale wanderten und es dann neben den Eimern auslaufende Pfützen gab. Patschplantsch jeden Morgen, das hätten Pfoten potenziert.
das ende der er-wart-ungen.
der beginn des unbehagens.
Manche Dachstellen versiegten, dafür öffneten neue ihre Schleusen, und die Deckentapete wurde allmählich zur Landkarte der Regenreise, noch bevor die Schimmelpunkte ihre Akzente setzen konnten.
Jedes aushäusige Tun war vom Blick auf den Wetterbericht begleitet, denn zum Wolkenbruch musste immer einer zu Hause sein und die Koordinaten der Auffanggefäße orchestrieren.
Als eine Bekannte, auf meine Ansage, ich könne nicht in Urlaub fahren, weil es bei uns hineinregnete, sagte "Lass doch den Regen Regen sein", war mir klar, dass ein Bericht über die Vorkommnisse nicht ausreicht, und man sich wirklich darunter stellen und genießen muss, wie einem die Tropfen in den Nacken fallen. Das ging sieben Monate so, erst jetzt ist das Dach wieder dicht und gedämmt.
Ich betrachte mich nun als approbierte Tropfenhalterin, die mit der bedingunslosen Freiheitsliebe wie auch der loyalen Stetigkeit von Dachtau sich anfreunden und auch erkennen musste, dass beiden Aspekten kaum beizukommen ist.
"Postfaktisch" haben wir jetzt eine trockene Bude - obwohl ich den Begriff als Bezeichnung für Paketverspätung angewandt hätte. Wer mir loyaler durch die Pfützen gefolgt hätte, ein treuer Hund oder eine neugierige Katze, kann ich höchstens vermuten, und ich bin froh, keinem Tier die permanenten Umstellungen und das Fließgleichgewicht zugemutet zu haben.
Und wenn ich jetzt die Dinge auspacke, die ich in Plastikboxen geschützt hatte, entdecke ich, dass Vieles davon vergessen ward, also auch nicht wirklich nötig ist, und dann klappe ich den Deckel wieder zu und denke mir: ich habe etwas bekommen, durch den Verlust. Raum und Leere.
Dafür war es eine Wonne den Dachleuten zuzusehen, wie sie mit Bunsenbrennern die feschen neuen Bitumenplanen auf der Terasse verbanden, und versiegelten, und unser Pech im Sommer zur schützenden Teerschicht sich wandelte.
Danke euch allen für diesen Thread und wünsche uns ein gelassenes "maybe" für künftige Losziehungen.