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Cogito ergo sum? Was ist "ich"?
Die lateinische Wendung kommt rein grammatisch ohne explizites Satz-Subjekt (=ich) aus.
Dieser Umstand allein schafft bereits unüberbrückbare interkulturelle Differenzen, denn wir Deutschen nehmen uns(er) selbst nun einmal viel zu wichtig.
"Der Italiener is ja hoit a gonz a ondere Rassn"
(Gerhalt Polt in "Man spricht Deutsh")
Vom Franzosen gar nicht erst zu reden.
Ehrlich gesagt fällt es mir schon bei deutschen Autoren mit jedem Jahrhundert, das ihre Schriften zurückliegen, immer schwerer, die Texte wirklich zu verstehen. Schon bei Leibniz muss ich echt kauen, bei Walther von der Vogelweide ist nur noch Bahnhof. Cartesius liegt irgendwo dazwischen, aber Latein kann ich nicht flüssig lesen, sondern bestenfalls mühsam mit Wörterbuch und Grammatik rekonstruieren.
Von einem wirklichen Gespür für die vielen Assoziationen und Konnotationen und Praejudikationen, die ein echtes Verständnis des Gemeinten ausmachen, kann dabei keine Rede sein.
Ist unser Sein tatsächlich von unserem Bewusstsein abhängig?
Selbst wenn ich das lateinische cogitare mit dem deutschen bewusstsein gleichsetze, vermag ich eine unidirektionale Abhängigkeit - die mit Marx dann unweigerlich ein aus den Produktionsprozessen entlehntes Herrschaftsverhältnis konnotiert - nicht so ohne Weiteres im "ergo" zu entdecken.
Wenn ich nicht irre, haben wir es hier mit einem analytischen Urteil zu tun: Es ist für Cartesius undenkbar, dass er denkt, ohne dabei gleichzeitig vorauszusetzen, dass er "ist". Das Sein ist also das Fundamentalere, Substantiellere, ohne das ein Denken gar nicht möglich wäre.
Ein solcher Rück-Schluss geht genau in die entgegengesetzte Richtung und ist deshalb unbedingt von den Rechenoperationen eines Computers (also den Einstzungsregeln im Rahmen der axiomatischen Methode) zu unterscheiden, bei denen die Consecutio eindeutig durch die Konstellation im vorherigen Taktzyklus vorgegeben ist.
Die Schrift heißt "Meditationes...
Cartesius begibt sich in die Meditation. In dieser Einheit des bloßen Seins ist gar keine Analysis möglich. Sobald er aus dieser totalen Synthesis heraustritt, zerfällt ES für ihn in ein Prädikat des Denkens (cogito) und eines des Seins (sum), wobei für ihn als Geometer das Sein wahrscheinlich ähnlich unbestimmt- und doch fundamental - ist, wie für Euklid der Raum. (Wobei das schon fast wieder kantisch oder konstruktivistisch interpretiert ist.) Das Denken ist das Letzte was er vor (dem blanken Sein) der Mediation abschaltet, und das erste, was er wieder anschaltet, das erste, was hinzutritt.
Zwar kann er durchaus da-sein, ohne zu denken,
aber es ist für ihn undenkbar, dass er denkt, ohne hierfür vorauszustzen, dass er ist.
Das "sum" hat wenig mit seinem Körper, seinem starken Arm oder seiner Faust in der Tasche zu tun.
Das Leib-Seele-Geschlechstsorgane-Problem ist ne andere Baustelle.