Also einmal eine eher strukturelle Begriffsauffassung, mit der Betonung auf Operationen, auf Muster, auf Makroskopie,
und dann der weite Zoom, der unfokussiert Synergien und subjektives Erleben anschaut.
Ich denke, beide Arten hinzusehen, sind Annäherungen, die auf gleich starke Weise inspirieren können, über Freundschaft an sich nachzudenken.
Erfahrungshalber wissen wir, dass ein gemeinsames Miteinander, ein geteiltes Wohlgefühl, Gleichklang und wie alle Resonanzen im Einzelnen zu benennen seien, uns in der Vergangenheit auch haben trügerisch beraten können. Gerade als Charakter, der mit Offenheit und Gutgläubigkeit durch die Welt geht, neigt man dazu, Momente - oder auch längere Zeiten - des gemeinsamen Schwingens zu robusten Bindungen zu adeln.
Nun verändert man sich doch, und wird gar selbst nicht mehr der sein, der seinerzeit unter der Flagge der Verbundenheit tönte; und die Per-Son wird ganz woanders, gar am Gegenpunkt, ihr Echo erhören und der vormalige Freund wird mit der Zeit ein Fremder werden.
Kann passieren. Ich selbst halte zwar immer noch zu alten Freunden und ehre sehr wohl das vormals Gemeinsame, aber es sind dann doch Einige, die ich hinter mir ließ - oder sie mich, das spielt hier keine Rolle.
Man kann mit Leuten harmonisch schwingen, die einem strukturell gänzlich gegenlaufen - für eine Zeitlang, innerhalb eines bestimmten Settings. Je mehr das gemeinsame Los zusammenschmiedet, desto eher werden auch schroffe Ungereimtheiten eingeebnet.
Rückt die "Front" wieder in den Hintergrund, erwachen auch die in der Unschärfe hinter den Hecken eingeschlafenen Dornen.
Ich habe es selbst erlebt, und oft genug - die Mengenlehre ist lebensnah. Kurzfristige, kerzenfristige Verschränktheit mit Charakteren, die, beim grellen Licht analytischer Reflektoren, aus meinem Sozialpanorama weggefegt wurden.
Daher verstehe ich Cioccolatas Ansatz nur zu gut, und will auch nicht in Abrede stellen, dass am bissfesten, revierbefreiten, reinen, also sagenwirmal kindlichen Spiel, ein Teil des Freundseins gefeiert wird.
Und doch neige ich eher zum operationalen Ansatz. Samt dem, was einige Posts vorher als "Mattenthema" aufkam.
Wann hat ein Freund da zu sein, was hat er zu geben, und was soll er wie halten?- so genau will es dann doch keiner wissen. Denn prüften wir nach solchen Prinzipien, es blieben wirklich immer nur ganz wenige übrig, die am Titel teilnähmen.
Und es s i n d immer nur ganz wenige.
An der "Hingabe" würde ich nachhaken. Meinst du, plantnurse, Aufmerksamkeit, Hinhören, Hingeneigtsein, Hergeben?
Hingabe, so wie ich den Begriff verstehe, gehört mir eher in die Liebesbindung. Sich mir hingebende Freundin ließ mich im Stich, als sie wahrnahm, dass ich nicht der universelle Rettungsring bin.
Aufmerksamkeit ist mir sehr wichtig. Nicht unbedingt im Sinne aktiven, empathischen oder konstruktiven Hinhörens, sondern als weitgefasstes Wahrnehmen und Zulassen des Anderen. Aufmerksamkeisdefizite sind leidvolle Griffe ins Leere, und notorisch verwahrloste Wahrnehmungsapparate gehören selten zu "treuen" Freunden.
Treue - im Sinne der Stabilität.
Ich erwarte etwas, was mit Robustheit am besten betitelt wird. Stabilität beim Rempeln, Halten beim Ziehen.
Wer mir verbietet zu kritisieren, kann nicht mein Freund sein. Selbst wenn ich nichts zu kritisieren hätte, grundsatzhalber muss es drin sein. Immer wieder sehe ich, dass mir viel daran liegt, das Gemeinsame im Andersartigen zu behalten, was auch immer her- und hingegeben wird.